Eklat nach Predigt zu Missbrauch
Rörig lobt Reaktion auf Fall Zurkuhlen
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hofft, dass die Empörung über den Pfarrer nun in positive Energie zur Aufklärung sexuellen Missbrauchs umgewandelt wird.
Johannes-Wilhelm Rörig, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, hat die Reaktion des Bistums Münster im Fall des Pfarrers Ulrich Zurkuhlen gelobt. „Die Suspendierung und umfassenden Sanktionen durch Bischof Genn sind aus meiner Sicht sachgerecht und angemessen“, sagte Rörig den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse. Nach dem Eklat um Zurkuhlens Predigt zu Missbrauch und Vergebung hatte der Münsteraner Bischof Felix Genn entschieden, dass Zurkuhlen nicht mehr öffentlich Gottesdienste feiern und als Seelsorger tätig sein darf. Der Geistliche dürfe auch nicht mehr die Beichte abnehmen, so Genn. Er sei in den Ruhestand versetzt, die Bezüge seien gekürzt worden.
Zurkuhlen hatte in der Heilig-Geist-Gemeinde dafür geworben, einander vergeben zu können, und dies ausdrücklich auch auf Priester bezogen, die Minderjährige sexuell missbraucht haben. Zahlreiche Gottesdienstbesucher hatten daraufhin unter Protest die Kirche verlassen und kritisiert, dass er nicht auf die Perspektive und das Leid der Opfer eingegangen war.
„Von der klaren Reaktion der katholischen Laien, die den Gottesdienst während der Predigt verlassen haben und auch an dem öffentlichen Gespräch in der Gemeinde teilgenommen haben, bin ich sehr angetan und freue mich darüber“, sagte der Missbrauchsbeauftragte Rörig. „Es zeigt, dass diese Katholiken eine klare Haltung gegen jegliche Rechtfertigungs- und Beschwichtigungsversuche haben.“
In einem Gespräch mit dem WDR hatte Zurkuhlen erneut seine Predigt verteidigt und betont, er wolle das Leid der Opfer keineswegs herunterspielen. Er zeigte sich aber auch verwundert darüber, warum sich viele Missbrauchsopfer erst so spät gemeldet hätten. Auch sagte Zurkuhlen, er verstehe nicht, warum Kinder, wenn sie so etwas Schreckliches erlebt hätten, immer wieder zu dem Täter gegangen seien. Das zeige doch, dass da auch ein „positives Verhältnis“ gewesen sei müsse und dass es vielleicht „nicht so tragisch für die Kinder war“.
"Dimension des ungeheuren Unrechts nicht erfasst"
Das Verhalten des Geistlichen habe ihn „regelrecht erschreckt“, sagte Rörig. „Pfarrer Zurkuhlen hat mit seiner Predigt und seinen weiteren Äußerungen in erschütternder Weise offenbart, dass die bisherigen Anstrengungen der katholischen Kirche zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche an ihm völlig vorbei gegangen sind.“ Zurkuhlen scheine, so Rörig weiter, „die Dimension des ungeheuren Unrechts, das im Bereich der katholischen Kirche über Jahre und Jahrzehnte zulasten so vieler katholischer Kinder und Jugendlicher begangen wurde, noch nicht erfasst zu haben. Die Diskussionen über Vertuschung und Mitschuld und den damit verbundenen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche scheint er nicht zu verstehen.“ Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung stellte klar: „Die Anerkennung des Leids von Betroffenen muss auf allen Ebenen der katholischen Kirche im Mittelpunkt stehen.“
Rörig hofft, „dass die absolut berechtigte Empörung über das Verhalten des Pfarrers Zurkuhlen nun in positive Energie für eine umfassende Aufklärung und unabhängige Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Bereich der katholischen Kirche umschlägt“. Er betonte: „Eine solche Energie ist notwendig, um noch immer vorhandene Widerstände gegen die Aufarbeitung weiter aufzubrechen. Wir müssen erreichen, dass die Einsicht umfassend Platz greift, dass es unumgänglich ist, die Schuld Schritt für Schritt abzutragen und gegenüber Betroffenen ein authentisches Schuldanerkenntnis zu erklären.“
Andreas Lesch (mit Material von kna)