Kirche und ihr Image
Schafft Raum für junge Leute!
Machtversessen, maßlos, öde – die Kirche hat unter Jugendlichen kein gutes Image. Bei vielen jungen Menschen kommt ihre Botschaft nicht mehr an. Wie ticken Jugendliche heute? Was brauchen sie für ihren Glauben – und was brauchen sie nicht? Ein paar Lösungsansätze.
Gerade in der spannenden Zeit des Erwachsenwerdens kann der christliche Glaube eine wichtige Orientierung sein. Aber selbst katholisch getaufte und engagierte Jugendliche sind heute nicht mehr automatisch im Glauben und in der Kirche beheimatet. Immer mehr Jugendliche entfernen sich von der Institution Kirche. Wie und wo können Jugendseelsorge und Gemeinden die jungen Menschen heute noch erreichen? Diözesanjugendseelsorger Andreas Braun aus Hildesheim hat sich zu fünf alltäglichen Beispielen ein paar Gedanken gemacht:
Beispiel 1:
Die Firmvorbereitung in der Gemeinde endet stets mit Frust im Katechetenteam: „Warum machen wir das eigentlich? Hinterher sind die Jugendlichen eh wieder alle weg. Das bringt nichts.“ Wirklich?
All das, was die Firmvorbereitung an guter Erfahrung mit Kirche mit sich bringt, kann erstmal nicht schlecht sein. Auch wenn die Jugendlichen in dieser Zeit nur eine Ahnung von Gott und Gemeinschaft bekommen, wird das Frucht bringen, auch wenn das nicht sofort messbar ist. Die Mitgliedschaft in einem Verband, ein Ehrenamt, der Kirchenbesuch – all das kommt nur für einen kleinen Teil der Jugendlichen infrage. Insgesamt sind junge Menschen heute sehr projekthaft engagiert. Da kommt die Firmvorbereitung ihnen sogar entgegen, da auch sie zeitlich begrenzt ist. Wenn es für Jugendliche danach „erst mal gut ist“, dann sollten wir das nicht abwerten. Auch Einzelne, die Feuer fangen und vom Glauben begeistert worden sind, sollten uns die Mühe wert sein. Sie sind wie das eine Schaf, das wichtiger ist als die 99 anderen.
Beispiel 2:
Mehr als die Hälfte der jungen Menschen findet es laut einer Studie noch gut, dass es die Kirchen gibt. Im Gottesdienst und im Gemeindeleben tauchen sie aber nur selten auf. Wo kann man sie erreichen?
Sicherlich auch in sozialen und politischen Fragen, zum Beispiel bei den Freitagsdemonstrationen „Fridays for Future“. Hier sind junge Menschen engagiert und ansprechbar. Auch im Kontext von Schule können wir sie erreichen. Schulseelsorge wird immer wichtiger, auch an staatlichen Schulen. Sie fragen verstärkt nach Besinnungs- und Orientierungstagen oder Schulgottesdiensten nach. Darüber hinaus sind natürlich die sozialen Medien ein wichtiger Kontaktpunkt. Kirche und Glaube, das braucht gute Bilder, mit denen man merkt, dass Glaube schön sein kann und Gemeinschaft stiftet. Wer glaubt, ist nicht allein! Das können zum Beispiel stimmungsvolle Bilder vom Weltjugendtag vermitteln, die wir posten. Oft haben junge Menschen auf Instagram 3000 Follower, aber sie fühlen sich trotzdem allein. Wir können konkrete Gemeinschaft zeigen und Kirche durch Bilder einladend machen. Weiter können Aktionen beworben werden wie die 72-Stunden-Aktion im Mai: Jugendliche können Freunde werben, mitzumachen, sich einzubringen und Gemeinschaft zu erleben.
Beispiel 3:
Im Pfarrgemeinderat gibt es eine hitzige Diskussion über die Jugendarbeit. „Noch sind Jugendliche da. Man müsste, man sollte ...“ Was müsste man denn?
Kein Pfarrgemeinderat sagt: Jugendliche sind uns nicht wichtig. Es gibt aber nicht das Konzept für die Jugendarbeit. Wichtig ist, dass Jugendliche sich vor Ort wohlfühlen und Räume haben, wo sie sich treffen können, wo junge Leute sich mit jungen Leuten beschäftigen, untereinander Gemeinschaft erleben. Ganz klassisch passiert das ja auch im Verband oder in der Messdienerarbeit: Jugendliche bereiten für Jugendliche etwas vor, gestalten etwas. Diese Räume zu ermöglichen ist wichtiger als das eine Konzept.
Beispiel 4:
In der offenen Jugendarbeit der Pfarrei tummeln sich viele Jugendliche, die von Kirche eigentlich gar nichts wissen wollen. Gut oder schlecht?
Wenn junge Menschen in der offenen Jugendarbeit andocken, ist das erst einmal gut. Aber in solchen Einrichtungen und Gemeindehäusern sollte es auch eine Ahnung davon geben, wozu sie gehören. Wir brauchen und dürfen uns nicht verstecken! Das ist der falsche Weg. Es kann zum Beispiel vor dem Essen gebetet oder kurz innegehalten werden. Auch die geprägten Zeiten wie Advent oder Fastenzeit sollten ruhig thematisiert werden. Wie feiert ihr Weihnachten? Warum gibt es die Fastenzeit? Ein paar Glaubensthemen können in diese Runden ruhig eingebracht werden. Verstecken ist der falsche Weg. Jugendliche sind sehr empfänglich, wenn man zu dem Eigenen steht.
Beispiel 5:
Gemeindemitglieder möchten für Jugendliche mal etwas ganz anderes anbieten. In den Köpfen steckten noch die Jugend- und Taizé-Gottesdienste aus der eigenen Jugend. Ist das heute noch angesagt? Oder brauchen wir neue Formen?
Es ist Segen und Fluch zugleich, dass Erwachsene diese Bilder im Kopf haben. Es sind sicher wertvolle Erinnerungen. Aber bei vielen Jugendgottesdiensten oder Jugendvespern fühlen sich heute häufig Erwachsene mittleren Alters angesprochen. Wo haben Jugendliche wirklich ihrs? Wo können sie unter sich sein, Mehrheiten bilden? Insofern brauchen wir neue Formen, wie Jugendliche zum Beispiel ihre eigenen Wortgottesdienste feiern können, die sie mit ihren Vorstellungen und Talenten sehr frei vorbereiten. Das geht zum Beispiel gut in der Firmvorbereitung. Musik, Texte und auch die Raumgestaltung werden frei gewählt. Es kann auch ein Taizé-Gottesdienst sein. Aber es ist für Jugendliche etwas anderes, ob sie ihn mit Gleichaltrigen feiern oder ob es eine Feier ist, wo auch ihre Eltern anwesend sind.
Wir brauchen echte Jugendkulturen. Facebook hat die Anhänger unter den jungen Menschen erst verloren, als die Elterngeneration das Netzwerk für sich entdeckt hat. Wir tun uns schwer damit, Gottesdienstangebote vom Alter her einzugrenzen, weil sie zu Recht für alle da sind. Aber manchmal braucht es zum Beispiel den Hinweis: Angebot für 15- bis 25-Jährige. Und dann ist das auch so.
Astrid Fleute