Franziskus wirbt für "Weiße Fahne" der Ukraine

Scharfe Kritik am Papst

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Papst Franziskus winkt Gläubigen während des Mittagsgebets auf dem Petersplatz
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Foto: kna/Vatican Media

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Papst Franziskus Äußerungen sorgten weltweit für harsche Kritik. 

Warum wirbt der Papst mitten im Krieg für eine "Weiße Fahne" der Ukraine und für Verhandlungen? Aus dem In- und Ausland hagelt es Kritik.

Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine haben national und international viel Kritik ausgelöst. Vor allem in Osteuropa meldeten sich Regierungen zu Wort und wiesen die Worte des Papstes vehement zurück. Der Pontifex hatte in einem  Interview des Schweizer Fernsehens RSI der Ukraine den "Mut zur Weißen Fahne" und zu Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der Äußerung von Papst Franziskus deutlich widersprochen. Er dankte am Sonntagabend in seiner täglichen Videoansprache allen Geistlichen, die an der Frontlinie die ukrainischen Streitkräfte mit Gebeten, Gesprächen und Taten unterstützten und das Leben und die Menschlichkeit schützten. Ohne den Papst zu erwähnen, fügte Selenskyj offenbar an ihn gerichtet hinzu: "Das ist, was die Kirche ist: zusammen mit den Menschen sein, nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich zerstören will."

Selenskyj betonte zugleich, als Russland den Krieg begonnen habe, seien alle Ukrainer zur Verteidigung aufgestanden, Christen, Muslime und Juden. Russische Mörder und Folterer stießen nur deshalb nicht weiter nach Europa vor, weil sie von Ukrainern mit Waffen in der Hand und unter der blau-gelben Flagge zurückgehalten würden. Russland habe in der Ukraine viele weiße Häuser und Kirchen zerstört, so Selenskyj. Das mache sehr klar, wer den Krieg beenden müsse. Er meinte damit Russland.

Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften kritisierte die Papst-Äußerung mit noch deutlicheren Worten. Wenn sich die Ukraine "der Gnade des Feindes" ergeben würde, habe das "nichts mit Frieden zu tun", sondern bedeute den "Sieg der Sklaverei über die Freiheit", betonte das Gremium ebenfalls am Sonntagabend. "Vor dem triumphierenden Bösen zu kapitulieren, kommt einem Zusammenbruch der universellen Idee der Gerechtigkeit gleich, einem Verrat an den grundlegenden Leitlinien, die uns in den großen spirituellen Traditionen vermacht wurden." Deshalb segne man die Gläubigen bei der Verteidigung ihres Landes und werde dies auch weiterhin tun. Ebenso werde man weiter "für den Sieg über den Feind und einen gerechten Frieden" beten.

Dem Rat gehören 15 Glaubensgemeinschaften - christliche, jüdische und muslimische - sowie die ukrainische Bibelgesellschaft an. Damit repräsentiert er nach eigenen Angaben mehr als 95 Prozent der religiösen Gemeinden des Landes.

Deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl distanziert sich

In Rom distanzierte sich der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Bernhard Kotsch, klar vom Vorschlag des Papstes und twitterte: "Russland ist der Aggressor und bricht internationales Recht! Deshalb fordert Deutschland Moskau auf, den Krieg zu stoppen, und nicht Kyjiw (Kiew)!"

Im Interview hatte das Kirchenoberhaupt unter anderem gesagt: "Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird." Wahre Stärke beweise derjenige, "der die Situation betrachtet, an die Bevölkerung denkt und den Mut zur weißen Fahne und zu Verhandlungen hat".

Vatikansprecher Matteo Bruni erklärte später, der Papst habe "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben" wollen. Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte dazu auf Anfrage, der Erklärung Brunis sei "nichts hinzuzufügen".

kna