Dokumentation der Fuldaer Bau- und Kulturdenkmäler
Schatzkiste für Bauforscher
Repro: Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars/Hessisches Landesamt für Denkmalpflege
Die Zeichnungen Wenzels entstanden in den Jahren 1908 bis 1910. Neben Zeichnungen dokumentierte der Architekt auch durch Fotografien – dies zusammen mit seinem Bruder Heinrich. Zeichnungen und Fotografien waren Teil einer Inventarisation. Auftraggeber war die Marburger Denkmalkommission – die Vorläuferin des hessischen Landesamts für Denkmalpflege. Erstellt wurde die Inventarisation für den damaligen preußischen Regierungsbezirk Kassel.
Originale in der Bibliothek des Priesterseminars
Die Originale der Zeichnungen von Wenzel befinden sich in drei Mappen in der Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars. Allerdings sind nicht alle Zeichnungen Wenzels in der Bibliothek. Bei ihren Recherchen stieß die Denkmalpflegerin auch auf Zeichnungen im Stadtarchiv von Eschwege. Wenzel lebte dort seit seiner Pensionierung 1943. Davor war er bei der Eisenbahn und baute Bahnhöfe. 1950 erstellte Wenzel auch eine Auflistung seiner Publikationen. „Es sind 17 eng beschriebene Seiten“, verweist Franziska Ihle-Wirth auf das umfangreiche Schaffen Wenzels. Sie hat das Material aus den drei Mappen mit den Zeichnungen für die Dokumentation zusammengestellt.
Ihle-Wirth ist ausgebildete Restauratorin und seit vier Jahren Denkmalpflegerin bei der Stadt Fulda. Zu ihrem Tätigkeitsfeld gehört daher die Recherche nach Dokumenten, die Aufschluss geben über die Baugeschichte eines Gebäudes. In den so genannten Inventarisationen wurde dieses Material gesammelt. „Ich habe mich immer gewundert, weshalb es solche Sammlungen etwa für Gelnhausen, Marburg oder Kassel gab, aber keine für die Region Fulda“, so Ihle-Wirth.
Nach Wenzels Angaben waren die Zeichnungen zuletzt im Besitz des Kirchenhistorikers und Domkapitulars Gregor Richter. Er sollte die Texte zu dem Bildmaterial von Ernst Wenzel verfassen. Mit Richters Tod sind die Mappen aber laut Wenzel dann „spurlos verschwunden“. Wie die Zeichnungen danach ins Priesterseminar gelangten, konnte Ihle-Wirth letztlich nicht herausfinden.
Die Anfänge des Projekts, das nun in Form eines Buchs vorliegt, liegen im Jahr 2015. Auf der Suche nach einem Thema für einen Vortrag sprach Ihle-Wirth mit der Direktorin der Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars, Dr. Alessandra Sorbello Staub. Und sie brachte die drei Mappen mit den Zeichnungen von Ernst Wenzel ins Gespräch.
Für die Denkmalpflegerin wurde klar, dass es sich bei den Zeichnungen um Material für die fehlende Inventarisation für Fulda handelte. „Es gab Parallelen zu den anderen Sammlungen.“ Was fehlte, waren die Fotos zu den Zeichnungen. Die Fotos tauchten dann im Fuldaer Stadtarchiv auf. „Ich war eine Zeit lang im Stadtarchiv tätig. Dort gab es ein Kästchen mit Fotos, die der Leiter Thomas Heiler nirgendwohin zuordnen konnte“, berichtet Ihle-Wirth. Weitere Fotos fand sie im Bildarchiv Marburg.
Mit dem Fund der Fotografien im Stadtarchiv konnte die Denkmalpflegerin dann die Puzzleteile zusammenfügen. Denn: Auf einigen Seiten der Zeichnungen ist im rechten oberen Eck eine Lücke. Ein Beispiel dafür ist die Kirche St. Johannes in Kleinlüder westlich von Fulda. Wozu diese Lücke ursprünglich gedacht war, erklärt der handgeschriebene Hinweis: „Photographie“.
Für die Bibliotheksleiterin Sorbello Staub erschließt jede Zeichnung Wenzels für den Betrachter einen Teil der Geschichte dieses Gebäudes. „Es ist so, wie wenn man eine VR-Brille aufsetzt und sich auf eine historische Zeitreise begibt“, findet sie. Diese Brillen versetzen den Nutzer in einen virtuellen Raum. Denn Wenzel begnügt sich nicht nur mit Grundrissen und Schnitten von Gebäuden. Er zeichnet detailgetreu Außenfassaden, Innenräume, Säulen mit ihren Kapitellen.
„Unglaublicher Blick“ für die Details
Aber nicht nur architektonische Objekte erweckten sein Interesse. In der reichhaltigen Dokumentation sind auch Zeichnungen von Glocken oder Kirchenbänken enthalten. „Wenzel hatte einen unglaublichen Blick für solche Details“, betont Ihle-Wirth. Und dabei hat er akribisch gearbeitet. Er hat Gebäude selbst ausgemessen. Wo er Archivmaterial hinzuzog, hat er dies mit Blick auf das Urheberrecht auch kenntlich gemacht. „Das macht diese Sammlung für uns Denkmalpfleger so wertvoll“. So Ihle-Wirth.
Die meisten Zeichnungen sind schwarz/weiß angefertigt. Einige Blätter sind allerdings auch koloriert, so eine farbige Ansicht auf die Kirche St. Andreas in Fulda, die in diesem Jahr ihr 1000-jähriges Bestehen feiert.
Die Fuldaer Bau- und Kunstdenkmäler: Edition der Bauaufnahme des Architekten Ernst Wenzel 1908 – 10, Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen Band 35, 364 Seiten, Wissenschaftliche Buchgesellschaft / Verlag Theiss, 29,95 Euro