Ökumenische Aktion in Twistringen
Schmieden für die Einheit
Eine Woche lang haben Katholiken und Protestanten aus Twistringen Kreuze geschmiedet, die zu einem Tisch zusammengeführt werden. Organisiert haben die Aktion eine Pastoralreferentin und eine Pastorin. Was die Freundschaft zweier Frauen bewirken kann.
Wollen wir jetzt auch schmieden?“ Birgit Hosselmann blickt zu Christina Ernst hinüber. Die beiden Frauen stehen auf und ziehen sich erst einmal eine blaue Jacke über. „Mobiles Schmiedelabor“ steht auf dem Rücken. Dann schlüpfen sie in dicke Überschuhe und streifen Handschuhe über. Feuerfest müssen diese sein, denn jetzt hält Birgit Hosselmann ein Stück Eisen in die von einer Esse angeheizte Kohleglut. Als die Spitze rot glüht, legt sie das Eisen auf einen Amboss und gibt Christina Ernst Kommandos. „Jetzt“, ruft Hosselmann, dann schlägt Ernst mehrmals zu. „Warte!“ Jetzt wird das Eisen gedreht. Auf Kommando schlägt Ernst wieder zu. Sie ist blind, deshalb braucht sie diese Hilfestellung. Dann geht es weiter. So lange, bis die Spitze immer filigraner wird.
Auf einer Rasenfläche vor der Martin-Luther-Kirche in Twistringen hat Andreas Rimkus aus Springe am Deister seine mobile Schmiede aufgebaut. Die Idee: Viele Twistringer sollen im Laufe der Woche vorbeikommen und hier aus Eisenabfällen Kreuze schmieden. Die werden dann zu einem Tisch zusammengeführt, dem „Tisch des Herrn“, wie das Projekt heißt. Und der soll im Herbst auf einem zentralen Platz in der Stadt aufgestellt werden, damit die gesamte Bevölkerung davon etwas hat.
„Hier kommt die Ökumene“
Birgit Hosselmann, Pastoralreferentin in der katholischen Pfarrei St. Anna und Christina Ernst, bis vor ein paar Wochen Pastorin in der evangelischen Martin-Luther-Gemeinde, haben sich vor knapp drei Jahren angefreundet. Viel haben sie gemeinsam unternommen, und wenn sie so als Freundinnen in der Öffentlichkeit auftauchten, dann hieß es oft scherzhaft: „Hier kommt die Ökumene.“ Das gefiel den beiden Frauen, denn ihnen war es von Anfang an wichtig, mehr von der Geschichte der anderen Gemeinde zu erfahren. Schnell stellten beide fest, dass es früher zwischen Protestanten und Katholiken im Ort nicht immer einfach war. Es kam zu den üblichen Streitereien, die es auch andernorts gab. „Viele Katholiken, die hier in der Stadt in der Überzahl sind, kannten die evangelische Kirche gar nicht, weil sie da nie hingegangen sind“, sagt Birgit Hosselmann. Oder sie erzählt von konfessionsverschiedenen Ehepaaren, die außerhalb der Stadt heirateten, weil es der Pastor im Ort nicht wollte.
Die beiden Frauen setzten ihre Freundschaft im beruflichen Alltag fort, schufen Begegnungen aus Anlass der Einschulung, am Buß- und Bettag oder zum Martinsumzug. Dann kam aus den Gemeinden die Anregung, ein großes Projekt zu starten, das die Ökumene stärken kann. Handwerklich sollte es sein, weil es Bildungsveranstaltungen schon gibt, ein fertiges Produkt sollte am Ende entstehen. Im Zuge einer Erstkommunionvorbereitung war die Rede vom „Tisch des Herrn, an dem alle willkommen sind“ – die Überschrift für das Projekt war geboren.
Andreas Rimkus ist Schmied. Seine Profession wird es vielleicht bald nicht mehr geben. „Das Handwerk wird nicht mehr gelehrt“, sagt er. Dabei hätten die Schmiede früher das Leben in den Dörfern geprägt. Er möchte Kindern und Jugendlichen zeigen, was man mit Metall alles machen kann, „weil sie in ihrem Alltag mit handwerklichen Dingen kaum noch in Berührung kommen“, sagt er. Deshalb hat er die mobile Schmiede gegründet und fährt mit dem Anhänger über Land, in dem sich alle nötigen Utensilien befinden. Er zeigt, wie es gemacht wird, denn es ist wichtig, Neuankömmlingen gleich die Angst zu nehmen. „In den letzten zehn Jahren habe ich bei keinem meiner Einsätze ein Pflaster gebraucht“, sagt er und zeigt, dass er darauf auch ein wenig stolz ist. Unter seiner Anleitung werden die Kreuze weiterverarbeitet. Ein paar Meter neben den Essen steht der Tisch, der langsam Form annimmt. Wenn er aufgestellt ist, wird es noch ein zusätzliches Angebot geben: Ein Lautsprecher in der Mitte wird auf Knopfdruck Geschichten preisgeben, die Twistringer einsprechen werden. Geschichten, wie schwer es früher zwischen den Konfessionen zuging.
Das Projekt wirkt auch in die Öffentlichkeit
Das Twistringer Schmiedeprojekt hat nicht nur die beiden Kirchengemeinden enger miteinander verbunden, auch in die Gesellschaft hinein hat es gewirkt. Firmen haben sich als Sponsoren betätigt, haben den Eisenabfall zur Verfügung gestellt oder für das Mittagessen gesorgt, haben junge Lehrlinge als Helfer abgestellt. Das Blasorchester hat seine Probe neben der mobilen Schmiede veranstaltet, die Stadtführer haben am Lagerfeuer erzählt. Jeden Mittag gab es ein Gebet, nachmittags Erzählcafés, zum Abschluss einen ökumenischen Gottesdienst.
Und wenn der Tisch steht – ist der „Tisch des Herrn“ dann beendet? „Nein“, sagen Birgit Hosselmann und Christina Ernst wie aus einem Munde: „Die Ökumene entwickelt sich immer weiter.“
Matthias Petersen
Nähere Infos zum Projekt im Internet: www.tisch-des-herrn.de
Ein Video zur Aktion finden Sie auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.com/derkirchenbote