Öffentliche Gottesdienst in der Pandemie
Seelsorge ist nicht im Lockdown
Öffentliche Gottesdienste können unter Auflagen auch angesichts der
Einschränkungen durch die Corona-Pandemie stattfinden. Aber nicht überall wird dies getan, verzichtet wird mit guten Gründen.
Pfarrer Martin Schöppe in Hofgeismar sieht sich angesichts der Corona-Pandemie in der Verantwortung. „Die 20 bis 30 Gottesdienstteilnehmer, die momentan noch zu den Sonntagsgottesdiensten kommen, gehören der Hochrisikogruppe an.“ Deshalb haben sich die Verantwortlichen in den Gemeinden des Pastoralverbunds St. Peter Hofgeismar- Weser-Diemel darauf verständigt, derzeit keine öffentlichen Gottesdienste zu halten. Die Entscheidung der Verantwortlichen im Pastoralverbund würde bis auf Ausnahmen von den Gemeindemitgliedern mitgetragen.
Der Priester verweist darauf, dass auch Familien mit Kindern ihm klar signalisiert hätten, dass ein Gottesdienstbesuch in der jetzigen Lage für sie keine Option wäre. Vor der Corona-Pandemie waren laut Schöppe die Kirchenbänke an den Sonntagsgottesdiensten voll. Und: Die Seelsorge befindet sich nicht im Lockdown. Auch weiterhin führe er beispielsweise Gespräche am Telefon mit Menschen, die einen Trauerfall in der Familie haben oder die jemand brauchen, mit dem sie sprechen können. „Und unsere Kirche steht tagsüber Menschen offen, die dort im Gebet verweilen möchten.“
Hofgeismar liegt in der nordhessischen Diaspora. In den umliegenden evangelischen Kirchengemeinden sei im Lockdown stärker als katholischerseits auf öffentliche Gottesdienste verzichtet worden – etwa an Weihnachten, hat der Geistliche beob-
achtet.
Schöppe hat als Seelsorger Kontakt zu Menschen, die mit dem Glauben wenig beziehungsweise gar nichts anfangen können. „Sie können überhaupt nicht verstehen, dass in der derzeitigen Lage in den Kirchen weiterhin Gottesdienste gefeiert werden.“ Das Virus mache ja nicht vor den Kirchentüren Halt. Aber auch mancher Kirchgänger könne sich mit den Messfeiern unter Corona-Bedingungen nicht anfreunden– vom Tragen einer Maske bis hin zur Distanz der Mitfeiernden.
Sehr emotional um das Vorgehen gerungen
„Wir waren und sind von unserem Hygienekonzept überzeugt“, betont Pfarrer Harald Fischer aus St. Familia in Kassel. Dennoch wurden nach einer Krisensitzung am 24. Dezember kurzfristig alle Gottesdienste an Weihnachten in der Kirche abgesagt. Bei Rückmeldungen am Telefon fiel Fischer auf, dass die Entscheidung auch hilfreich war in manchen Familien. Etwa, wo es Dispute gegeben habe, ob man den Gottesdienst besuchen solle oder besser nicht. Am Telefon äußerten zudem Gemeindemitglieder, dass sie sich zwar zum Gottesdienst angemeldet hätten, aber wegen Bedenken nicht gekommen wären.
Grund für die Entscheidung vor Weihnachten waren Appelle aus der Ärzteschaft, auf Gottesdienste an den Feiertagen zu verzichten. Man habe im Leitungsteam um das weitere Vorgehen miteinander gerungen – auch sehr emotional. „Im Nachhinein war es gut, dass wir Ärzte zu Rate gezogen haben.“ Sie seien nicht so emotional belastet gewesen wie die Mitglieder des Leitungsteams. Verständlicherweise seien viele enttäuscht: Diejenigen, die Zeit in die Vorbereitung gesteckt haben, und die sich auf die Mitfeier freuten. „Egal, wie die Entscheidung dann ausfällt: Es bleibt ein schlechtes Gefühl dabei“, fügt der Pfarrer hinzu. Weil sich die Corona-Situation verbessert hat, finden seit 31. Januar wieder Präsenzgottesdienste in St. Familia statt.
Keine Gottesdienste in kleinen Filialkirchen
Auf Präsenzgottesdienste als „Kraftquelle“ will Pfarrer Joachim Hartel aus Großenlüder in diesen herausfordernden Zeiten nicht verzichten. Aber nur da, wo dies mit dem notwendigen Schutzkonzept zu verwirklichen ist. Die Folge: Bis Ende Februar finden keine Gottesdienste in kleinen Filialkirchen statt. Hartel ist Pfarrer für die Kirchengemeinden in Großenlüder, Bimbach, Kleinlüder, Bad Salzschlirf und Müs.
An den Standorten, an denen Messen gefeiert werden, ist für Pfarrer Hartel wichtig, die Schutzmaßnahmen zu befolgen. „An die Maske haben wir uns ja inzwischen gewöhnt. Aber auch das Schwätzchen auf dem Kirchplatz sollte momentan nicht sein. So schwer es fällt, sich gegen Sozialkontakte auszusprechen. Aber es kommen hoffentlich wieder Zeiten, wo all dies möglich ist.“
Hans-Joachim Stoehr