Kirchliches Leben in der Corona-Krise

Seid mutig! Seid kreativ!

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Noch immer läuft das kirchliche Leben wegen der Corona-Krise auf Sparflamme. Das bringt Gefahren mit sich, es kann aber auch eine Chance sein. Denn die Gemeinden können jetzt lernen für die Zeit nach der Pandemie.

Foto: kna/Harald Oppitz
Für jeden was dabei: An einer Schnur hängen vor einer Kirche in Bonn Zettel mit Gebeten. Eine Frau nimmt sich eines für zu Hause mit. Foto: kna/Harald Oppitz


Christine Lieberknecht hat zuletzt viel Widerspruch erfahren. Thüringens frühere Ministerpräsidentin hatte bemängelt, die Kirche habe zu Beginn der Corona-Krise versagt. Sie habe zu viele Kranke und Einsame alleingelassen, zu wenig für die Rechte von Sterbenden gekämpft, die Gotteshäuser zu bereitwillig geschlossen. Vielen in den Kirchen kam Lieberknechts Kritik verkürzt und pauschal vor. „Wir tun doch was“, riefen sie.

Die Debatte, die die CDU-Politikerin und frühere Pastorin angestoßen hat, ist nicht nur wichtig für die Zeit der Pandemie. Sie kreist um Fragen, die für die Zukunft entscheidend sind: Ist die Kirche da, wenn es ernst wird – oder duckt sie sich weg? Ist sie nah bei den Menschen – oder verliert sie sie aus den Augen? Und wofür genau wird sie gebraucht? 

Corona dreht das Gemeindeleben auf Sparflamme. Die Routinen des kirchlichen Alltags, die manches zusammengehalten haben, sind fort: der Sonntagsgottesdienst mit dem Kaffee danach, das Treffen des Kinderkirchenteams, der Grillabend für die Erstkommunionkatechetinnen – alles abgesagt. Die Menschen richten sich ihr Leben ein ohne die Kirche. Wenn die Verantwortlichen in den Gemeinden jetzt nicht aufpassen, können sie den Kontakt sogar zu den Engagierten und Treuen verlieren; vielleicht finden sie ihn dann nie wieder. 

Sie müssen sich kümmern und interessieren. Sie müssen die Menschen spüren lassen, dass Glaube und Kirche ihr Leben bereichern. Die Probleme, die die Gemeinden sowieso hatten, treten durch Corona noch klarer hervor: Überalterung, Mitgliederschwund, Relevanzverlust. Die Lösungen, die gebraucht wurden, müssen nun noch schneller her. 

Ein Pfarrer geht täglich durch seine Gemeinde spazieren

Gerade jetzt ist es für die Verantwortlichen in den Gemeinden wichtig, mutig zu sein, kreativ. Um mehr Menschen zu begeistern. Vorbilder dafür gibt’s genug: Es gibt Priester, die die Alten aus ihrer Gemeinde anrufen – und schon dadurch zu Tränen rühren, dass sie überhaupt an sie gedacht haben. Es gibt Pastoralreferentinnen, die mit einem Megafon durch Wohngebiete ziehen und Spontanandachten halten. Es gibt Autogottesdienste, Leinen mit Gebeten zum Mitnehmen und neue Angebote im Internet. 

Manche Seelsorger fragen sich sogar, ob sie in Zukunft nicht anders arbeiten müssen. So wie der Pfarrer aus Franken, der seit Beginn der Corona-Krise täglich eine Stunde durch seine Gemeinde spazieren geht, ohne Plan, ohne Ziel. Er trifft Menschen, die ihm von Konflikten und Krankheiten erzählen. Und fragt sich, ob das nicht immer der Weg der Kirche sein sollte: einfach da zu sein, als Mensch unter Menschen, sie anzusprechen und sich ansprechen zu lassen. Sich nicht bestimmen zu lassen von Terminen. Sondern Zeit zu haben für die, die ihn gerade brauchen.

Andreas Lesch