Krippen in Nussschalen
Seine kleine, heile Welt
Ludwig Haltmayr baut Krippen in Walnüssen. Die winzigen Kunstwerke fertigt der Tüftler mit technischem Sachverstand und Liebe zum Detail. Für ihn ist sein Hobby meditativ – und Ausdruck einer Botschaft, die ihm wichtig ist.
Am Anfang hatte er eine harte Nuss zu knacken. „Das Knacken an sich war schon leicht“, sagt Ludwig Haltmayr. „Es war aber die Frage, wie dabei die beiden Schalenhälften heile bleiben.“ Dass die Schalen schön aussehen, ist wichtig – umschließen sie doch nichts weniger als die Darstellung von Jesu Geburt im Stall zu Betlehem. Haltmayr ist Krippenbauer. Kein gewöhnlicher. Seine Krippen sind Miniaturen; sie stecken in Walnüssen.
Wie es dazu kam, erzählt der 31-Jährige aus Sulzberg im Allgäu so: „2018 hat mir ein Freund ein Video über eine Krippe in einer Nussschale gezeigt. Das hat mich total begeistert, und ich hab’ mir gedacht: Das kann ich noch besser, detailreicher und mit LED-Beleuchtung – ich bin ja technikaffin.“ Haltmayr ist von Beruf selbstständiger IT-Dienstleis-ter. Früher habe er oft Smartphones und Notebooks repariert, erzählt er: „Dadurch war mir das Werkeln mit filigranen Dingen nicht neu.“
Dass ihm dieses Video gezeigt wurde, sieht Haltmayr als Gebetserhörung. „Ich hatte Gott gebeten, mir ein christliches Projekt aufzuzeigen. Das war so in meinem Herzen drin.“ Haltmayr ist Katholik. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Kemptener Jugendkirche „Open Sky“. Und er sagt: „Daneben wollte ich gern noch was Meditatives machen, zum mentalen Ausgleich. Wichtig war mir, dass damit die Botschaft verknüpft ist, dass die Menschen einander mit Liebe begegnen sollen.“
Im Supermarkt sucht er nach großen, bauchigen Exemplaren
Eben so, wie Jesus es vorgemacht hat. Um dessen Geburtsstätte in eine Walnuss zu bringen, braucht Haltmayr an die 20 Arbeitsstunden. Los geht’s mit der Auswahl der Nuss. „Ich suche im Supermarkt nach großen, bauchigen Exemplaren.“ Dann folgt das Knacken. „Und da ist es eben schwierig, die Nuss so zu entzweien, dass nichts splittert und Risse zieht.“ Wie der Handwerker das Problem gelöst hat? „Durch Erwärmen per Heißluftfön. Mit einer Rohrzange knacke ich die Nuss dann vorsichtig an. Mit einem Spezialwerkzeug aus der Handyreparatur öffne ich sie schließlich ganz sachte.“
Danach werden die Kerne herausgenommen. „Die ess’ ich auf oder geb’ sie draußen den Vögeln.“ Dann putzt Haltmayr die Schaleninnenseiten mit einem Mikrofräser aus. Ist das getan, legt er die Nuss beiseite und nimmt die Figuren zur Hand. „Die kaufe ich als Rohlinge und bepinsel’ sie mit Acrylfarbe.“ Während die Bemalung trocknet, widmet sich der Tüftler der Technik: Er verbindet Kabel mit wechselbaren Knopfzellen, damit seine Krippenbilder auch erleuchtet sind, manchmal inszeniert er zudem ein heimeliges Lagerfeuer.
Die Drähte und Batterien versteckt Haltmayr unter einer Kunststoffmasse, die er in die untere Schale eindrückt. Auf ihr wiederum entsteht die Geburtsstätte Gottes. Dazu nutzt Haltmayr echtes Stroh und echte Steinchen. Um die Miniaturausgaben von Maria und Josef, Ochs und Esel und des Jesulein zu platzieren, bedient er sich spitzer Pinzetten. Dann bemalt er die obere Schale von innen. Er arbeitet daheim an einem kleinen Tisch im Wohnzimmer. Sein Blick zum Fenster geht dabei hinaus auf den Grünten – „unsern Hausberg“, wie Haltmayr sagt. „Klar, dass ich den auch schon mal als Krippenhintergrund gemalt habe.“
Zum Schluss wird noch eine kleine Kerbe in jede Schalenhälfte gefräst, um in diese Lücke ein Scharnier zum Auf- und Zuklappen einzukleben. Noch mal springt kurz die Fräse an und schafft ein kleines Loch je Schale. Da kommen Magneten zum Verschluss rein – fertig.
Rund 50 Krippen hat Ludwig Haltmayr auf diese Weise schon gefertigt. „Alles Unikate und darunter auch ein paar Skurrilitäten: Ich hab’ mal eine Walnuss mit Meer und Strandleben gefüllt. Einmal habe ich außerdem eine Kokosnuss hergenommen. Aber ich hab’ festgestellt: Der Reiz des Bauens ist umso größer, je kleiner das Rahmenobjekt ist.“ Also zurück zur Walnuss. Der Nachschub sei langfristig gesichert, sagt Haltmayr: „Ich hab jetzt einen Baum in den Garten gepflanzt.“ Seinem Hobby geht er übrigens das ganze Jahr nach. „Deshalb hört man bei mir auch schon mal im August ‚Last Christmas‘.“
Einen Teil des Erlöses spendet er an den Kinderschutzbund
Und was geschieht mit all den Krippen? „Ich verkaufe sie übers Internet“, sagt der Allgäuer. Ein Exemplar koste je nach Innengestaltung ab etwa 250 Euro, zehn Prozent davon gingen an den Kinderschutzbund Kempten.
Eine Krippe aber wird Ludwig Haltmayr niemals hergeben. „Die für meine verstorbenen Großeltern. Immer zu Weihnachten bringe ich sie ihnen aufs Grab, geschützt unter einer Kuppel.“ Bei ihnen sei er mit seiner Mutter aufgewachsen, „in einer heilen Welt“. Heil wie die Schalen einer gut geknackten Nuss.
kna