Die Sternsinger sind unterwegs

Sie sagen Gutes

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In königliche Gewänder gekleidet, machen sich die Sternsinger in diesen Tagen auf und ziehen von Haus zu Haus. Sie bringen den Segen Gottes und sammeln Spenden für Kinder in aller Welt, die Hilfe bitter nötig haben.

Foto: Ulrich Waschki
„Es macht Spaß und man kann anderen Kindern helfen“: Sternsinger Florian, Jonas und Johannes (von links). Foto: Ulrich Waschki

Ein Berg Süßigkeiten liegt auf dem Boden. Vor allem Schokolade in sämtlichen Formaten: Als Weihnachtsmänner und Nikoläuse, in Riegelform oder als Tafeln. Dazu Weingummi, Marzipan, Kekse, Lutschbonbons. Es ist so viel, dass die drei Jungs nur einen Teil unter sich aufteilen. Den Rest legen sie später im Pfarrheim in die Kartons für Spenden an die „Tafel“ oder für Kinderheime. Dann kommt der Kassensturz: Mehr als 700 Euro sind in der Spendendose. Meist sind es Fünf- oder Zehn-Euro-Noten, doch sogar 50er sind dabei und noch eine ganze Menge Münzen. 

Ein paar Stunden sind Johannes, Jonas und Florian bei Eiseskälte durch ein Wohngebiet in ihrer Gemeinde Hollage im Osnabrücker Land gezogen. Vor einem Jahr war das. Damals waren die drei Jungs zum dritten Mal als Sternsinger unterwegs. Auch an diesem Sonntag werden sie sich wieder ihre Sternsingergewänder überziehen und Süßigkeiten für sich selbst und Geldspenden für Kinder sammeln, die nicht das Glück hatten, im reichen Deutschland zur Welt zu kommen.
So wie die drei machen sich Jahr für Jahr rund 300 000 Kinder als Sternsinger mit rund 90 000 Begleitern auf den Weg. Sie bringen den Segen des neugeborenen Gottessohns in die Häuser und sammeln Spenden. 48,7 Millionen Euro kamen 2018 zusammen. 


Hier gewinnen alle Beteiligten etwas

Die Aktion ist das, was man neudeutsch eine Win-win-Situation nennt – alle Beteiligten gewinnen. Die Kinder gewinnen nicht nur Süßigkeiten. Johannes, Jonas und Florian staunten nicht schlecht, als sie vergangenes Jahr ihr Spendenergebnis hörten. In ihrer Gemeinde sammelten rund 100 Kinder stolze 16 500 Euro: So viel Geld in so kurzer Zeit. Irgendwie dämmerte es den dreien, dass sie mit ihren zwölf Jahren schon eine Menge bewegen können. „Es macht Spaß und man kann anderen Kindern helfen“, sagt Florian auf die Frage nach seiner Motivation. 

Vom Einsatz der deutschen Sternsinger profitieren Kinder in anderen Ländern. In diesem Jahr steht Peru im Mittelpunkt der Aktion. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ bereitet Informationsmaterial vor, damit die Sternsinger nicht nur sammeln, sondern sich auch mit der Lebenssituation von Kindern in anderen Ländern auseinandersetzen. Und so werden auch bei den zwei Vorbereitungstreffen in Hollage nicht nur die Texte und Lieder eingeübt und zugeteilt, wer durch welche Straße zieht. Das Vorbereitungsteam bespricht mit den Kindern auch, für welchen Zweck das Geld gesammelt wird. „Die Vorbereitungstreffen sind nicht so schön, eher langweilig“, sagt Florian. Vielleicht sind er und seine Freunde einfach schon zu alt dafür. Sie sind immerhin schon in der siebten Klasse, die meisten Sternsinger dürften aus den vierten und fünften Jahrgängen kommen. In Hollage laufen die Heiligen Drei Könige noch von Tür zu Tür. In anderen Regionen lohnt das nicht mehr, da kommen die Sternsinger nur auf Bestellung, um ihren Segen am Eingang zu hinterlassen. 

Viele warten ungeduldig auf den Besuch

„20*C+M+B+19“ schreiben sie mit gesegneter Kreide. Die Zahlen stehen für das aktuelle Jahr, der Stern verweist auf den Stern von Betlehem, die Buchstaben erinnern einerseits an die Namen, die Legenden den Heiligen Drei Königen verpasst haben: Caspar, Melchior und Balthasar. Sie stehen aber auch für einen lateinischen Satz: Christus mansionem benedicat. Übersetzt: Christus segne dieses Haus. Bene-dicere, das lateinische Wort für segnen, heißt wörtlich „Gutes sagen“. Darum geht es: den Menschen den Schutz und die Begleitung Gottes für das neue Jahr zusagen. Vielen ist dieser Segen wichtig, sie warten darauf, dass die Sternsinger endlich kommen. Manche rufen sogar bei ihrer Gemeinde an, wenn es bis zum Nachmittag noch nicht geklingelt hat.

Ihre Ursprünge hat die Sternsingertradition im Mittelalter, doch so richtig ausgebreitet hat sie sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts in den katholischen Regionen der deutschsprachigen Länder. Nicht erst seit Angela Merkel regiert, werden Sternsinger aus der ganzen Republik im Kanzleramt empfangen – religiöse Botschafter in der Machtzentrale des religiös neutralen Staates. Auch eine Art Mission. Auch im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, hinterlassen die Könige ihren Segen. 


Der Auftrag des Weihnachtsfestes

Beim genauen Hinsehen ist das Sternsingen eine Fortsetzung des Evangeliums dieses Sonntags: Da heißt es, dass die Sterndeuter aus dem Osten einem Stern nach Betlehem folgten und dem Kind huldigten. Dass sie danach ausschwärmten und die Botschaft des Kindes verbreiteten, steht da nicht. Doch genau das tun die modernen Sternsinger: Sie verkünden die Botschaft des Kindes von Betlehem und rufen die Menschen zum Teilen auf. Die Welt besser zu machen, sich den Armen und Schwachen zuzuwenden, ist ein Auftrag, der aus dem Weihnachtsfest erwächst.

Im Evangelium ist auch nicht von drei Sterndeutern die Rede. Ihre Zahl wird nicht genannt, aber aus den drei Geschenken geschlossen, die die Weisen mitbringen: Gold ist Zeichen für Reichtum. Weihrauch symbolisiert die Königswürde. Myrrhe ist ein bitterer, gut riechender Baumsaft, der in der Antike für kosmetische und medizinische Zwecke genutzt wurde, unter anderem, um Leichen zu konservieren. Dieses Geschenk wird als Anspielung auf Jesu Tod am Kreuz gedeutet. Die Zahl Drei kann außerdem die drei Lebensalter Jugend, Erwachsenenalter und Greisenalter sowie die damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika symbolisieren: Der Gottessohn gewinnt Menschen aller Altersgruppen und aus allen Erdteilen. 
Um diese Symbolik dürften sich aber die wenigsten Sternsinger kümmern, wenn sie durch die Straßen ihrer Wohnorte ziehen. Für sie ist an diesem Sonntag vor allem eines wichtig: das Wetter. Florian sagt: „Kälte geht. Regen ist blöd.“

Ulrich Waschki