Diskussion um Lockerung des Gottesdienstverbots
Sonntags wieder Messe feiern?
Viele Bistümer stehen in den Startlöchern: Es geht wieder los mit der Sonntagsmesse. Andere, wie der Priester und Liturgiewissenschaftler Martin Stuflesser, sind zurückhaltend: Kann man es verantworten, gerade ältere Gläubige der Gefahr der Ansteckung auszusetzen?
„Bei dieser ganzen Diskussion“, sagt Martin Stuflesser, „plädiere ich dafür, ganz ehrlich das Für und Wider anzusprechen.“ Und das heißt: „Es wäre gut, deutlich zu sagen, dass wir bei Gottesdiensten keine hundertprozentige Sicherheit hinbekommen.“ Wer im Moment öffentliche Gottesdienste feiern möchte, müsse es deshalb so formulieren: „Wir riskieren es!“ Mit dem Wissen, dass sich gerade die älteren Menschen in unseren Kirchen gefährden würden. „Die müssten dann die Güteabwägung selbst treffen: Riskiere ich es oder besser nicht?“ Und er denkt auch an seine eigene Mutter, wenn er sagt: „Ich glaube, die Leute sind vernünftig genug, für sich klug abzuwägen und zu entscheiden; die werden uns nicht die Kirchen einrennen.“
Natürlich könne man die momentane Not liturgie-theologisch deuten, sozusagen als langanhaltenden Karfreitag. „Wir sagen ja immer, dass wir offen sind für das Leid der Welt, und jetzt rückt es uns selbst auf die Pelle.“ Mit Konsequenzen, was die Feierformen angeht. „Natürlich ist das ein gruseliges Bild, wenn die Leute mit Masken und Plastikhandschuhen in der Kirche sitzen, und es ist befremdlich, wenn wir Einlasskontrollen machen und uns in Listen eintragen müssen. Aber das ist dann Realität.“
Und wenn schon Gottesdienst mit Restrisiko: Muss es, fragt Liturgiewissenschaftler Stuflesser, „dann gleich und sofort die Höchstform der Eucharistiefeier sein“? Sei es nicht vielleicht klüger, vorsichtiger wieder einzusteigen? „Trotz höchster Wertschätzung für die Eucharistiefeier: Wir haben doch noch mehr Gottesdienstformen als diese.“
Alternativen zur Eucharistiefeier suchen
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht es ähnlich. Er fragt auf dem Portal katholisch.de, ob solches Feiern „Glauben fördert oder eher zum Krampf wird“ und ob Sonntagsmessen unter solchen Bedingungen tatsächlich „gottgefällig und heilsdienlich sein sollen“.
Auch aus hygienischen Gründen sind für den Liturgiewissenschaftler Stuflesser Wortgottesdienste eine Alternative. „Statt einer Messe könnte ich mir 20-minütige Wort-Gottes-Feiern vorstellen“, sagt er. „Die könnte man auch in höherer Frequenz anbieten.“ Ihnen müsse nicht immer ein Priester vorstehen: „Das könnten auch hauptamtliche Laien oder ehrenamtliche Wortgottesdienstleiter.“ Bei schönem Wetter könne man sich draußen treffen, dort ist die Ansteckungsgefahr geringer.
Viele leiden darunter, dass sie nicht zur Kirche können. Sie vermissen die Gemeinschaft, die Kommunion. Doch Stuflesser sagt: „Vielleicht sollte es noch eine Weile so bleiben: Solidarität und Taten der Liebe – das ist unser Gottesdienst.“ Und Gerhard Feige meint, dass gerade heute „mancher Verzicht und manches Opfer nötig ist, um ein gedeihliches Zusammenleben zu ermöglichen“.
Susanne Haverkamp