Unternehmen stellt Mitarbeiter stundenweise frei

Sozialer Einsatz während der Arbeitszeit

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SEO-Schulung bei abseits
Nachweis

Foto: Thomas Osterfeld

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Ihr Fachwissen gaben IT-Experten auf einer SEO-Schulung ehrenamtlich an Mitarbeiter der abseits-Redaktion weiter.

Acht Stunden Zeit schenkten jetzt Mitarbeiter einer Softwarefirma Menschen in sozialen Projekten. Bei der Wohnungslosenhilfe und mit beeinträchtigten Menschen erlebten alle wertvolle Stunden.

Sie beschreiben es selbst als „ungewöhnliche Reise“: In der Vorweihnachtszeit tauschten über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Softwarefirma LMIS AG freiwillig ihren PC-Arbeitsplatz mit Tabellen, Codes und Bildschirmpräsentationen gegen reale Begegnungen und emotionale Erlebnisse. 

Der Arbeitgeber stellte ihnen frei, sich etwa einen Arbeitstag lang (acht Stunden) statt im Büro in sozialen Projekten zu engagieren, ohne sich hierfür Urlaub nehmen zu müssen. So übernahmen die Softwareentwickler, Texter und IT-Experten Schichten in der Tageswohnung für Obdachlose, halfen mit in der Redaktion der Straßenzeitung „abseits“ oder gestalteten Freizeitangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen der Heilpädagogischen Hilfe und besuchten mit ihnen den Osnabrücker Weihnachtsmarkt. Ein Fazit: „Ich konnte einiges für mich mitnehmen, habe nun eine andere Sicht auf viele Dinge. Und es war echt schön“, erzählt Mitarbeiterin Tamy Larissa Stodollik.

Einsatz in der Küche der Wohnungslosenhilfe
Auch in der Küche der Tageswohnung für Obdachlose halfen einige Mitarbeiter aus. Foto: Jann Weber

Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Aktion lieferte der Mutterkonzern KNIPEX, der schon länger nicht nur Werkzeuge, sondern auch soziale Werte in der Firma schmiedet. Für Sascha Dömer vom Vorstand der LMIS AG war dies ein Anlass, auch in seiner Region zu schauen, wie seine Firma nachhaltig wirken könne. Dabei ging es ihm ausdrücklich um die ehrenamtliche Aktion als solche, nicht um eine eventuelle Außenwirkung der Firma: „Wir wollten etwas Nachhaltiges machen, Arbeitszeit in ein freiwilliges Projekt stecken“, erklärt er. Das Geld hierfür kam aus dem Weihnachtsbudget – die Kunden der Firma erhielten im vergangenen Advent keine Weihnachtsgeschenke. Hier werde oft viel Geld ausgegeben „für wenig Sinn“, so Dömer. 
Die Projekte, in denen sich die Mitarbeiter engagierten, wurden zuvor gemeinsam mit der Osnabrücker Freiwilligenagentur ausgewählt. Deren Leiter Raphael Dombrowski zeigt sich hocherfreut über diese „besondere Aktion“. Dass Firmen solche oder ähnliche Projekte starteten, sei immer noch eine Ausnahme, berichtet er. Dabei habe dies neben dem Engagement selbst auch einen enormen Mehrwert für die Firma und sei so eine Win-win-Situation für beide Seiten: „Unternehmen, die sich sozial engagieren, haben viel erfolgreichere, glücklichere Mitarbeiter, die viel effizienter sind, weil sie Dinge gemeinsam anfassen. Das zeigen Studien.“ Die Mitarbeiter schauten dabei über den Tellerrand, sammelten soziale Kompetenzen, lernten Tätigkeiten in einem anderen Kontext kennen, betont er. Das sei etwas anderes als der „Standardalltag“. Und letztendlich mache es auch Spaß, „mit Kollegen einmal etwas anderes zu machen und zu erleben.“ Oft ergäben sich dabei nette Kontakte mit sozialen Einrichtungen, die manchmal auch langfristig erhalten blieben.

Längerfristig wirken wird auf jeden Fall der Kontakt mit der „abseits“-Redaktion. Hier engagierte sich unter anderem Tamy Larissa Stodollik, die im Unternehmen als Texterin arbeitet. Ihre Fachkompetenz brachte sie bei ihren Besuchen gewinnbringend ein, indem sie unter anderem den abseits-Mitarbeitern im Rahmen einer SEO-Schulung zeigte, wie sie die Außenwirkung der Zeitung im Internet verbessern könnten. Sie erzählt: „Es gibt so viele Wege, sich mit seinen Stärken zu engagieren. Ich hätte beispielsweise vorher nicht unbedingt gedacht, dass ich mit SEO ein soziales Projekt auf ehrenamtlicher Basis unterstützen könnte. Da macht Ehrenamt sogar gleich noch mehr Spaß.“ 

Und auch Fachdienstleiter Thomas Kater war begeistert: „Das war beeindruckend gut. Ich bin froh, dass die Firma uns nicht nur ihre Zeit und ihre tatkräftige Mithilfe sondern auch ihr Know-How zur Verfügung stellt. So eine vorbildliche Unterstützung kenne ich sonst nicht.“ Auch die Einsätze in der Tageswohnung seien eine „große Hilfe“ gewesen, sagt er: „Gerade für die Wochenenddienste suchen wir immer Ehrenamtliche, um die Öffnungszeiten aufrechterhalten zu können.“ 

Durchweg positiv waren auch die Reaktionen in der Softwarefirma auf diese „ungewöhnliche Reise“. Insgesamt 20 der 75 Mitarbeiter engagierten sich ehrenamtlich. Auch weiterhin soll es ihnen möglich sein, ihr soziales Engagement auszuleben, freie Tage hierfür zur Verfügung gestellt zu bekommen, erklärt Sascha Dömer und betont: „Wenn sich jemand in der Region ehrenamtlich engagieren möchte, stehen wir dem offen gegenüber.“ 
Und auch er selbst erinnert sich gern an seinen Besuch mit Menschen der Heilpädagogischen Hilfe auf dem Weihnachtsmarkt: „Es wurde viel Vertrauen in uns gesteckt. Ich glaube, hier haben wir Menschen richtig glücklich gemacht.“

Astrid Fleute