Anstoß 07/21

Sprechstunde

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Reich Gottes ist das Top-Thema von Jesus. Tyrannen sollen vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht werden. Die Sünder werden an üppig gedeckte Tische geholt. Ungeister werden vertrieben, Aussätzige rein.


Dass das Kleine groß wird und die Ersten die Letzten sind. All das wird die Welt verändern, und deshalb kann mich Jesus bis heute begeistern. Ja, ich denke, Jesus will so die Welt heilen. „Reich Gottes ist nahe …“ (vgl Mk 1,15). Kann ich mich persönlich auf Nähe einlassen? Veränderung annehmen? Heilung auf unterschiedlichen Ebenen zulassen?
Heilung ist komplex, keine Frage. Seit Monaten feiern wir an Sonntagen in der Gemeinde einen zweiten Gottesdienst, den wir Koinonia nennen. „Koinonia“(griechisch) meint „Gemeinschaft durch Teilhabe“ (vgl 1 Kor 14,26). Wer teilnimmt, kann etwas mitbringen, ein Lied, Gebet, einen Text und spontanen Gedanken zum Evangelium oder auch mal einen Witz. Bewegend sind persönliche Zeugnisse. Vor kurzem meldet sich eine Frau zu Wort. Es könnte jetzt emotional werden, entschuldigt sie sich. Vor ein paar Jahren sei sie lebensbedrohlich erkrankt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Ärzte fanden die Ursache nicht. Es war richtig ernst. Sie sollte ins künstliche Koma versetzt werden. Sie sah dem Tod ins Auge. Irgendwie habe sie angefangen, mit Gott zu sprechen, einfach so. Das Sprechen machte sie ruhiger; die Zeit verflog. Eines Tages klopfte es dann an die Tür. Eine Ordensfrau fragte: „Darf ich mal für Sie beten?“ Sie meinte: „Ja, gern.“ In den folgenden Tagen wurde die Situation immer bedrohlicher. Sie redete immer noch mit Gott. „Ich bin bereit. Aber eigentlich möchte ich noch nicht sterben. Ich möchte leben …!“ Von diesem Moment an habe sich ihr Zustand verbessert. Sie war bereit alles loszulassen und gleichzeitig entschlossen, um alles zu kämpfen. Die Ärzte reagierten fasziniert. „Wir verstehen nicht, woran Sie so erkrankt sind – und wir verstehen auch nicht, woran Sie gesund werden.“

Im Gottesdienst erleben wir eine Gottesgefährtin, ihre Freude am Glauben und am neuen Leben, für das sie täglich dankt. Mich beeindruckt ihre Hingabe. Die persönliche Gottesbeziehung wurde geheilt. Das machte sie fähig zur Offenheit in alle Richtungen. Es hätte auch anders ausgehen können, sagt sie. Es war nicht ihr Wunsch, aber es wäre okay gewesen. Für sie selbst ist das schon ein Wunder.
 
Lissy Eichert, Berlin