Gericht entscheidet über Anklage gegen Kardinal Pell

Stunde der Wahrheit

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Das Gericht in Melbourne entscheidet über die Anklage gegen Kardinal George Pell: Wird er des Missbrauchs angeklagt?

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In diesen Tagen entscheidet sich, ob die Klage wegen Missbrauchs gegen Kardinal George Pell zugelassen wird. Foto: kna


Am letzten Tag der vierwöchigen Anhörung vor Richterin Belinda Wallington am Gründonnerstag ging es im Gerichtssaal in Melbourne turbulent zu. Die Vorwürfe gegen seinen Mandaten seien nichts anderes als "Produkte der Fantasie, psychischer Probleme oder reine Erfindungen" und zudem eine politische Machenschaft, donnerte Robert Richter, Anwalt von Kardinal George Pell.

Richter, der für seinen konfrontativen Stil berüchtigt ist, sagte weiter: "Pell repräsentiert das Gesicht der katholischen Kirche. Als prominente Person wurde er offensichtlich zum Ziel von Anschuldigungen, die nicht wahr sind, sondern als Strafe dafür konstruiert wurden, dass er viele Jahre lang sexuellen Missbrauch nicht verhindert hat."

Als Erzbischof von Melbourne (1996-2001) und später von Sydney (2001-2014) präsentierte sich der medienaffine Pell zu kontroversen politischen Themen wie Abtreibung, Homo-Ehe, Stammzellforschung und Klimawandel als konservativer Fels in der Brandung. Obwohl er nie Vorsitzender der Bischofskonferenz war, wurde Pell, der in dem Buch "Alles muss ans Licht" (2015) über den Kampf von Papst Franziskus gegen Korruption im Vatikan als "ambitionierte Bulldogge aus Sydney" tituliert wird, tatsächlich zum Gesicht der katholischen Kirche Australiens.

 

Pell: Gesicht der australischen Kirche, Gesicht des australischen Missbrauchsskandals

Der hünenhafte Mann, der vor dem Eintritt ins Priesterseminar auch mit einer Karriere als Rugbyprofi liebäugelte, ist aber auch das Gesicht des Missbrauchsskandals in Australien. Pell war, wie die staatliche Missbrauchskommission akribisch nachzeichnete, als junger Priester in der Bergbaustadt Ballarat an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt. Insgesamt 139 Menschen haben vor der staatlichen Kommission ausgesagt, als Kinder zwischen 1980 und 2015 in Ballarat sexuell missbraucht worden zu sein. Von den 21 Tätern waren 17 Priester.

Als neu ernannter Erzbischof von Melbourne gab Pell im Oktober 1996 mit der sogenannten "Melbourne Response" eine erste Antwort zum Umgang mit Missbrauchsfällen in der australischen Kirche. Sein Verfahrensvorschlag machte Schlagzeilen; doch Pell verärgerte zugleich mit dem Alleingang seine Amtsbrüder. Die Bischofskonferenz war nämlich kurz davor, die für die gesamte Kirche verbindlichen Standards 'Towards Healing' (Richtung Heilung) zu veröffentlichen. Das wusste Pell natürlich.

Zudem wurden immer wieder Vorwürfe laut, Pell selbst habe sich schuldig gemacht in Sachen sexueller Nötigung. Er könne es daher aus Selbstschutzgründen mit der "Melbourne Response" so eilig gehabt habe, mutmaßt Neil Ormerod, Theologieprofessor an der Katholischen Universität von Australien: "Als Erzbischof von Melbourne konnte er ja nicht gegen sich selbst ermitteln." Interne Ermittlungen in Melbourne wurden erst möglich, nachdem Pell Erzbischof von Sydney geworden war. Aus Mangel an Beweisen wurde er jedoch 2002 von dem Vorwurf freigesprochen, als junger Priester in einem Zeltlager einen Jungen sexuell missbraucht zu haben.

Die Anhörung vor dem weltlichen Gericht im März 2018 war reich an Überraschungen. Wenige Tage vor Beginn zog die Staatsanwaltschaft nach dem Krebstod von Zeuge Damian Dignan eine der zentralen Anklagepunkte zurück. Dignan hatte mit seinen Vorwürfen das Verfahren ins Rollen gebracht. Im Laufe der Anhörung musste die Staatsanwaltschaft weitere Klagepunkte fallen lassen, nachdem einer der Zeugen aus "medizinischen Gründen" nicht aussagen konnte. Wie viele Anklagepunkte es insgesamt noch gibt und was Pell konkret zur Last gelegt wird, ist bislang immer noch nicht öffentlich.

Pells Anwalt Richter fordert die Einstellung des Verfahrens, die Staatsanwalt die Eröffnung des Hauptverfahrens. Es liege in der Natur der juristischen Sache, dass beide Seiten "Sachverhalte vorlegen, die in Konflikt miteinander stehen", resümierte Staatsanwalt Mark Gibson. "Jetzt muss das Gericht entscheiden."

kna