Stimmen für größere Steuergerechtigkeit werden weltweit lauter

Superreiche sollen mehr zahlen

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Jeff Bezos
Nachweis

Foto: imago/HANZA MEDIA 

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Einer der reichsten Männer dieser Welt. Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Frau Laureen Sanchez und reichlich Entourage auf dem Weg zu seiner Yacht im kroatischen Dubrovnik. 

Brasilien hat vorgeschlagen, die wohlhabendsten Menschen höher zu besteuern. Jetzt überlegen Experten, wie die Idee global umgesetzt werden könnte. Kathrin Schroeder vom katholischen Hilfswerk Misereor sieht darin einen Schritt auf dem Weg in eine gerechtere Welt

Die Diskussion um ein gerechteres Steuersystem nimmt international an Fahrt auf. Auf Antrag von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva haben die Finanzexperten der G20-Länder Ende Juli erstmals über die Einführung einer weltweiten Steuer für Superreiche gesprochen. Bei ihrem Gipfel im November in Rio de Janiero sollen sich die Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer mit dem Thema befassen. Anschließend könnten die G20 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beauftragen, einen Entwurf zur Umsetzung ihres Plans auszuarbeiten. 

„Das könnte ein wichtiger Schritt für eine gerechtere Besteuerung weltweit werden“, sagt Christoph Trautvetter, Koordinator des deutschen Netzwerks Steuergerechtigkeit. Auch bei den christlichen Hilfswerken kommt der Vorstoß Lulas gut an. „Die Zeit dafür ist reif. Wir begrüßen jede Initiative, die am Ende zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen würde“, sagt Kathrin Schroeder, die Leiterin der Abteilung für Politik und globale Zukunftsfragen bei Misereor. „Die Idee, dass durch die steuerliche Entlastung für Unternehmen und Vermögende mehr Geld auch bei den unteren Einkommensschichten ankommt, ist längst wissenschaftlich widerlegt“, sagt sie. Das Gegenteil sei der Fall: „Die Schere von Reich und Arm ist in den vergangenen Jahren global immer weiter auseinander gegangen.“

Zusätzliche Einnahmen von bis 225 Milliarden Euro pro Jahr

Einer unter Ökonomen als zuverlässig eingestuften Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam zufolge besaßen die 26 reichsten Menschen der Welt bereits im Jahr 2018 so viel Vermögen wie die ärmsten 3,8 Milliarden Menschen. Und während die fünf reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden US-Dollar auf zuletzt 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln konnten, haben die einkommensschwächsten fünf Milliarden Menschen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie rund 20 Milliarden US-Dollar Vermögen verloren, so Oxfam. 

Kathrin Schroeder
Misereor-Referentin Kathrin Schroeder. Foto: Claudia Fahlbusch/Misereor 

Hinzu kommt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer proportional betrachtet oft wesentlich mehr Steuern und Sozialabgaben entrichten als Reiche. Während Durchschnittsverdiener in der EU zwischen 40 und 50 Prozent ihres monatlichen Einkommens abführen, sind es bei den Milliardären im Schnitt nur 20 bis 25 Prozent, hat der französische Ökonom Gabriel Zucman ausgerechnet. Einer der Gründe: Die Abgaben auf Kapitalerträge sind weltweit wesentlich geringer als jene auf Arbeit. Das will Lula nun ändern.

Brasiliens Vorschlag zufolge sollen die weltweit reichsten 3000 Privatpersonen, die eine Milliarde Dollar oder mehr besitzen, künftig jährlich zwei Prozent ihres Vermögens als Steuern an den Staat zahlen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen bezifferte Lula auf 180 bis 225 Milliarden Euro jährlich. Das Geld könnte in die Bildung, die Gesundheit sowie in den Umweltschutz von unterentwickelten Regionen investiert werden. Etliche nationale Regierungen stellten sich hinter Brasiliens Vorschlag, etwa Frankreich, Spanien, Kolumbien, die Staaten der Afrikanischen Union sowie Südafrika; aus Deutschland kamen widersprüchliche Signale. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte die Initiative, Finanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte sich kritisch zu höheren Belastungen für Vermögende. Auch aus den USA kamen Vorbehalte.

Die Sensibilität für soziale Ungerechtigkeit nimmt zu

„Vielleicht müssen auch nicht alle Länder sofort mitmachen. Wenn eine kritische Masse den Anfang macht, würde das schon viel bewegen“, sagt Misereor-Referentin Schroeder. Tatsächlich zeigen Beispiele, dass nationale Vermögenssteuern nicht immer zu der von der FDP befürchteten Steuerflucht Wohlhabender führt. In der Schweiz etwa müssen Menschen, je nach Kanton, auf ein Reinvermögen von einer Million Franken und mehr ein bis fünf Prozent Steuern abführen. Der Staat verbucht darüber Einnahmen von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr, was den effektiven Steuersatz der Reichen dort auf etwa 32 Prozent erhöht. 

Bis zur Einführung einer Superreichensteuer stehe aber noch ein Stück Arbeit bevor, sagt Trautvetter, der Koordinator des deutschen Netzwerks Steuergerechtigkeit. „Zunächst müssten die G20-Länder der OECD, die bisher die Entwicklung von globalen Standards dominiert, einen Arbeitsauftrag erteilen, um die technischen Möglichkeiten für eine solche Steuer auszuarbeiten.“ Nötig sei dann eine systematische Erfassung der Vermögen. Dazu wiederum müsste die internationale Infrastruktur zum Austausch nationaler Steuerdaten erweitert werden.“ Und last but not least müsse geklärt werden, in welchem Land das jeweilige Vermögen versteuert werden soll.

Mit einer besseren internationalen Steuerkooperation beschäftigen sich auch die Vereinten Nationen. Ende August hat eine UN-Arbeitsgruppe ein Rahmenpapier für eine mögliche UN-Steuerkonvention beschlossen. Obwohl bis zur Verabschiedung der Konvention wohl noch Jahre vergehen werden, feierten Experten den Beschluss bereits als Meilenstein der Steuergerechtigkeit.

Auch wenn Experten wie Trautvetter die Wahrscheinlichkeit, dass die G20-Länder dem Vorstoß Brasiliens komplett folgen werden, als gering einschätzen, zeigten die Entwicklungen, „dass die Sensibilität für soziale Ungerechtigkeit weltweit zugenommen hat“, sagt Misereor-Referentin Schroeder. In einer steuergerechten Welt aber lebten wir deswegen noch lange nicht. Dazu müssten laut Schroeder die Maßnahmen in ein Gesamtpaket eingebunden werden, wie dies auch die ökumenische Zachäus-Kampagne, eine Initiative von 25 kirchlichen Diensten, fordert. Sie will höhere Steuern auf Kapitalerträge und Firmengewinne, das Austrocknen von Steueroasen, eine progressive Vermögensbesteuerung sowie einen sozialen Ausgleich für steigende CO2-Abgaben.

Andreas Kaiser