Anstoss 28/2018
Tandem fahren
Zu unserer Hochzeit bekamen wir von vielen Freunden ein Tandem geschenkt. Jetzt, nachdem ein paar Jahre ins Land gezogen sind, passen auch unsere großen Töchter drauf. Und so radelten wir los.
Unsere Töchter sind recht normale Kinder, mal verstehen sie sich, dann zanken sie sich wieder. Und nun, auf Tandem radelnd, herrschte auch dort die gewohnte Normalität. Über weite Strecken lief es gut, dann wieder liefen der einen oder der anderen irgendwelche Läuse über die Leber. Eskalation! Tja, nun aber gemeinsam treten. Auf einmal wird klar, dass Streit auf einem Tandem eine äußerst bremsende Wirkung hat. Im Streit geht nichts so richtig vorwärts und das angestrebte Ziel gerät in Gefahr vergessen zu werden. Und als sich die beiden Mädels auf dem Rad zofften, dauerte es nicht lange, und sie merkten, dass die Karre steht. So schnell haben die beiden sich noch nie wieder zusammengerauft. Schließlich war das Ziel ja eine Eisdiele.
Bei all den mal nötigen, mal unnötigen, mal sinnvollen und mal völlig blödsinnigen Streitereien wäre es doch schön, sich vorzustellen, auf einem Tandem unterwegs zu sein. Damit man das Ziel nicht aus dem Blick verliert, sich all das Gezanke nicht sinnlos auftürmt und Frustrationen und Magengeschwüre wachsen lässt.
Manchen Streithähnen ist ein Tandem regelrecht zu wünschen, denn sie vergessen allzu leicht, dass sie gemeinsam unterwegs sind, ob es sich um die eigenen Kinder, Eltern, Kollegen, Schwesternparteien oder deutsche Kardinäle handelt. Ab und an besteht die Gefahr (Achtung eigene Nase) zu vergessen, mit wem ich auf Tour bin. Ein Streit auf einem Tandem macht klar, ich muss ihn lösen, um weiterzukommen. Aus Streithähnen werden im besten Wortsinn Konfliktpartner. Wenn in dieser Konstellation das Ziel nicht aus dem Blick verloren wird, kann ein Streit sogar fruchtbar sein und das Tandem wieder auf die richtige Spur bringen. Dazu gehört allerdings, sich nicht dauernd Neues einfallen zu lassen, um im Streitmodus bleiben zu können.