Was uns diese Woche bewegt
Texte wie Goldstaub
Im Laufe meines Berufslebens bin ich schon vielen Menschen begegnet. Unmöglich, sich an alle zu erinnern. Aber es gibt einige, die ich nicht vergesse. Dazu gehört Rainer Prachtl, ein engagierter Katholik, der nach 1989 das politische Geschehen in Mecklenburg-Vorpommern mitbestimmte. Überraschend ist er jetzt im Alter von 74 Jahren gestorben.
Für eine deutsch-deutsche Serie besuchte ich ihn 2009 in seiner Heimatstadt Neubrandenburg und war begeistert von seiner Lebensgeschichte, die so typisch war für einen bekennenden Christen in der DDR: voller Umwege und Wendungen. Weil ihm das Abitur verweigert wurde, ließ sich Prachtl zum Koch ausbilden. Seine Kochkünste während der Armeezeit waren dann so überzeugend, dass er regelmäßig Sonderurlaub bekam, um an der Abendschule das Abitur nachzuholen.
Später studierte er Wirtschaftswissenschaften und leitete in Neustrelitz die einzige Caritas-Hauswirtschaftsschule der DDR. Nach dem Mauerfall wurde der Christdemokrat in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt und übernahm das Amt des Landtagspräsidenten. Er hatte übrigens auch eine lyrische Ader, schrieb Gedichte und zahlreiche Texte – und sogar Kochbücher.
Dem Bistum Osnabrück fühlte sich Rainer Prachtl eng verbunden, denn bis 1995 war Mecklenburg ein Teil davon. Wegen der Zweiteilung Deutschlands wurde das Gebiet ab 1973 von einem Apostolischen Administrator verwaltet. Osnabrück, sagte Prachtl damals im Interview, sei für ihn ein Stück Heimat gewesen, und dazu habe auch der Kirchenbote beigetragen. Ein Eisenbahner schmuggelte bis Anfang der 1970er Jahre gelegentlich ein paar Exemplare, die dann weitergereicht wurden wie spannende Krimis. Prachtl erinnerte sich: „Wir haben uns so gefreut, freie kirchliche Nachrichten lesen zu können. Die Zeitung war wie Goldstaub für uns.“ Gibt es ein schöneres Kompliment?