Tränen, Hoffnung und Gebete

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Die ukrainisch-katholische Gemeinde in Hamburg ist für viele Ukrainer ein Anker des Glaubens, der Hoffnung und Stützpunkt für Hilfe aller Art. Am Sonntag war Erzbischof Stefan Heße in der Allerheiligenkirche zu Gast.


Sonntagsliturgie in der Allerheiligenkirche. Vorn Pfarrer Pavlo Tsvok und Erzbischof Stefan Heße. | Foto: Andreas Hüser

VON ANDREAS HÜSER

„Frieden für die Welt lasst uns vom Herrn erflehen“, dieser Satz gehört zu den Messtexten der „Göttlichen Liturgie“. Wenn die ukrainisch-katholischen Christen in Hamburg-Neugraben heute die Messe feiern, dann werden alle besonders still. Seit 43 Jahren gibt es die ukrainisch-katholische Allerheiligenkirche in Hamburg-Neugraben. Aber noch nie war diese Gemeinde so groß und so wichtig wie heute. Viele geflohene Ukrainer suchen Trost und Hoffnung in dieser Kirche – und finden durch ihre Vermittlung konkrete Hilfe.

„Die Wände dieser Kirche sind durchtränkt von den Gebeten der Gläubigen. Diese Wände haben auch viele Tränen und Schmerzen gesehen“, sagte der Priester Pavlo Tsvok am Sonntag. „Leider vergießt unser Volk wieder Tränen und wälzt sich im Blut. Der Krieg hat Millionen unserer Landsleute gezwungen, ihr Land zu verlassen und in fremden Ländern Schutz zu suchen.“ Allein in Hamburg, so Pfarrer Tsvok, sind 40 000 Ukrainer untergekommen. Am vergangenen Sonntag war die Allerheiligenkirche besonders voll. Erzbischof Stefan Heße war zu Gast und feierte die Messe im ungewohnten Ritus, aber teils in deutscher Sprache.

Vor fast genau einem Jahr war der Erzbischof schon einmal zu   Gast im Sonntagsgottesdienst gewesen. Er kam genau drei Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine. Das haben Pavlo Tsvok und seine Gemeinde nicht vergessen. „Als dieser brutale Krieg in vollem Umfang begann, waren Sie einer der ersten, die mich persönlich angerufen haben.“ Tsvok bedankte sich für die Hilfen, die bald einsetzten. „Das Erzbistum Hamburg hat den Menschen seine mütterlichen Arme geöffnet.“

Die Spirale der Gewalt durchbrechen

Im Evangelium des Tages ging es um das jüngste Gericht. Jeder Mensch, sagte Erzbischof Stefan in der Predigt, müsse sich diesem Gericht einmal stellen. Auch die Politiker, die Verantwortung für ihre Völker tragen. Das Kriterium dieses Gerichts werde die Liebe sein – nicht Liebe als Gefühl, sondern als tätige Zuwendung zu einzelnen Menschen. „Nur wer dem anderen in die Augen schaut, kann ihn klar sehen. Den Einzelnen, der ein Kind verloren hat; den einzelnen, der nicht mehr weiß, wie es weitergeht.“

Er sei dankbar für alle, die Menschen aus der Ukraine aufgenommen hätten, die Pakete gepackt oder Geld gespendet hätten. Aber ihn bewege auch die Frage: Wie geht es weiter? „Ich glaube, dass euer Land das Recht hat, sich zu verteidigen, weil es unrechtmäßig angegriffen wurde. Ich glaube aber auch, dass allein mit Waffen kein Friede eintreten wird.“ Die Spirale der Gewalt müsse durchbrochen werden.

Gott um den Frieden in der Ukraine bitten, das werden die Gläubigen auch weiterhin. Erzbischof Heße kündigte ein großes ökumenisches Gebet im Mariendom an. Am 24. Februar begann die russische Invasion. Am 23. Februar 2023, ab 19.30 Uhr werden Christen in einer Vigilfeier gemeinsam für den Frieden beten.

Der Gottesdienst am Sonntag endete mit einem festlichen Mahl. Schon während der Feier loderte draußen ein Feuer unter einem großen Eisenkessel. Es gab Kulish, Kosaken-Fleischtopf mit Schweinefleisch, Speck, Gemüse und Pilzen, Hirse und Buchweizen. Mehr Buchweizen als Hirse, das mache den Eintopf zu einem Sonntagsmahl, erklärte Miroslav Shvab. „Das ist nicht für den Alltag, das ist Kirchenessen“, sagte er.