Podcast "Trauerkraftwerk"

Trauer muss man nicht wegtrösten

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Sterben ist ein Lebensthema. Aber allzu oft hören trauernde Menschen nur wenig hilfreiche Floskeln. Davon und was stattdessen wirklich wichtig wäre, erzählt die Auricher Autorin Delia Evers in ihrem Podcast „Trauerkraftwerk“.


Sterben, Tod und Trauer sind Lebensthemen – und Trauernde müssen dabei ihren eigenen Weg gehen dürfen: Davon erzählt die Auricher Journalistin und Autorin Delia Evers in einem Podcast. Foto: privat

„Ich habe mit Delia das glücklichste Jahr meines Lebens hinter mir.“ Als Martin Willing Ende Mai 2014 diese Worte zu einem Freund sagte, lagen Monate von Chemotherapien und Bestrahlungen hinter ihm. Nur wenige Tage später starb er. Daheim im ostfriesischen Großheide, neben sich Ehefrau Delia Evers, seine Hand in ihrer Hand. Manche Menschen mögen seinen Satz nicht verstehen, aber Delia Evers macht er heute noch froh. „Wissen die Leute denn nicht, dass Sterben etwas so Wertvolles sein kann?“, fragt die 64-Jährige. Gemeinsam hat das Paar diese letzte Lebensphase mit vielen schönen Momenten gefüllt, von denen sie sich beschenkt fühlt. Die Auricher Journalistin und Autorin spricht von einer „Zeit innigster Erfahrung für ihn und alle, die an seiner Seite waren“.  

Was sie vor acht Jahren und vor allem nach dem Tod ihres Mannes erlebt hat, möchte Delia Evers in ihrem neuen Podcast mit ihren Zuhörerinnen und Zuhörern teilen. Einmal im Monat kommen die etwa 20-minütigen Audiobeiträge auf ihrer Internetseite heraus. Evers will darin nicht nur bei eigenen Erfahrungen stehenbleiben, sondern auch von jenen anderer Menschen erzählen. Und damit eine andere Sicht auf Trauernde eröffnen: „Sie müssen ihren eigenen Weg finden dürfen. Dann schaffen sie es und finden Kraft darin.“ 

Nicht umsonst heißt ihr Podcast „Trauerkraftwerk“. Mit Titel, Format und Thema, mit einer ruhigen Sprache und sachten Melodien scheint sie einen Nerv zu treffen. Schon ohne große Werbung hören mehrere hundert Menschen bei einzelnen Folgen zu. Und schreiben ihr danach.

"Unsere Trauerkultur ist im Alltag kaum hilfreich"

In den ersten Episoden erzählt Delia Evers, die aus Emmerich stammt, sehr offen und anrührend vom Leben und Sterben mit ihrem Ehemann Martin Willing. „Trauer ist immer individuell, und deshalb muss ich persönlich werden.Doch das ist nur einer der Gründe für den neuen Podcast. Was Delia Evers noch mehr antreibt, sind ihre Erfahrungen nach dem Tod ihres Mannes und was sie sich stattdessen für andere Trauernde wünscht. Denn was sie nach dem 9. Juni 2014 hörte, sah oder las, machte sie ein bisschen fassungslos. „Unsere Trauerkultur ist im Alltag kaum hilfreich“, sagt sie und gibt zu, davon selbst überrascht gewesen zu sein. 

Allzu oft versuchen manche, ihr die Trauer klein- oder gar auszureden und wissen nur aus der Hilflosigkeit geborene Floskeln zu sagen. „Aber Phrasen machen einsam“, sagt sie klipp und klar. Und solche Sprüche wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ oder „Irgendwann ist alles wieder normal“ schmerzen mehr als sie helfen. „Normal“ ist für Trauernde gar nichts mehr, „normal“ war vorher.

Das Wort „heilen“ hört Delia Evers ohnehin nicht gerne. Trauer, wenn sie sich nicht als prekär entwickelt, ist keine Krankheit. „Da muss man nichts heilen oder wegtrösten“, sagt die Autorin. Und schon gar nicht müssten Trauernde von ihrer Trauer „befreit“ oder „ins Leben zurückgeholt“ werden, wie sie kürzlich einmal zu ihrer Verärgerung gelesen hat. „Trauernde stehen mitten im Leben. Sie sind sogar schon ein Stück weitergegangen, nur die Umwelt hat es oft einfach nicht mitbekommen.“ 

Petra Diek-Münchow


Zur Sache

Den Podcast von Delia Evers gibt es auf www.blattus.de oder ebenfalls unter dem Titel „Trauerkraftwerk“ bei dem digitalen Streamingdienst Spotify. Unter einem Podcast versteht man meist Tonbeiträge, die man sich jederzeit im Internet anhören kann: zum Beispiel auf  einem Computer oder am Handy. 

Delia Evers stellt beim „Trauerkraftwerk“ jeden ersten Donnerstag im Monat eine weitere Folge auf ihre Homepage. In der sechsten Episode, die in diesen Tagen herauskommt, spricht sie mit einer Psychologin über Resilienz – die persönliche Widerstandskraft, Krisen und Verluste durchzustehen. 

Den vollständigen Text lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Kirchenboten.