Berufungswege sehen und fördern
Über Umwege zur Priesterweihe
Wenige Tage bis zur Priesterweihe. Spannende Zeit für Florian Edenhofer und Henric Kahl. Den Ablauf der Weihe kennen sie. Als Diakone haben sie gepredigt und getauft. Aber die Priesterweihe, das Ziel, ist doch noch etwas anderes.
Im Moment (Ende April) sind sie noch im Priesterseminar Osnabrück. In der Endphase der „Ausbildung“ üben die Diakone, was nur ein Priester macht. Die Feier der Messe – was nicht zu schwer klingt. „Man hat es ja oft genug gehört und erlebt. Aber wenn man da selber steht mit dem Kelch und der Hostienschale in der Hand, ist das etwas ganz anderes“, sagt Henric Kahl. „Da weiß man plötzlich nicht mehr: Wann genau musst du ,Lamm Gottes!’ sagen?“
Dann ist da die Beichte. Auch die Beichte wird geübt. Mit ausgewählten Fallbeispielen, ein Diakon spielt die Rolle des Beichtenden mit seinem vorgegebenen Anliegen, der andere die Rolle des Priesters. Zwar stehen die Gläubigen heute nicht Schlange vor den Beichtstühlen. „Aber man hat die verschiedensten Menschen vor sich, vom alten Mütterchen bis zum Kommunionkind. Jeden muss ich mit seinem Empfinden ernst nehmen, und in ganz kurzer Zeit die richtigen Worte finden.“
Florian Edenhofer: seine Großeltern waren Küster
Florian Edenhofer kommt ursprünglich aus einer Gegend, in der es tatsächlich noch Wartezeiten vor dem Beichtstuhl gab. „Ich bin in Oberbayern aufgewachsen, in einer damals noch ganz katholisch geprägten Gegend.“ Edenhofers Großeltern waren Küster. „Da war es klar: Der kleine Florian musste jeden Sonntag in die Kirche.“ Manchmal war das schön, manchmal nicht. Aber es war schön, Ministrant zu sein und viele Priester zu erleben, und mit 13 Jahren wollte Florian selbst Priester sein. Der Weg führte zuerst geradeaus nach Augsburg zum Theologiestudium. Aber nach dem Abschluss nahm Florian Edenhofer einen „kleinen Schlenker“. Er ging als Diplomtheologe in die Militärseelsorge – nicht zu den Gebirgsjägern, sondern in die Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Appen, Kreis Pinneberg.
Die Kaserne, in der der Theologe selbst wohnte, war ein ideales Seelsorgefeld, gute „Lehrjahre“ in der Seelsorge, wie Florian Edenhofer sagt. „Ich war halt sehr nahe dran. Oft ergaben sich Gespräche wie von selbst, bis spät in den Abend.“
Appen war fern der Heimat. Trotzdem fühlte sich der Oberbayer im Norden wohl. Und obwohl er später noch eine Zeitlang als Seelsorger in der katholischen Hochschulgemeinde in Dortmund arbeitete, also in der Mitte Deutschlands, zog es ihn wieder in den Norden zurück. Er meldete sich beim Regens seines Wahlbistums Hamburg, um den alten Weg weiterzugehen und Priester zu werden. „Hamburg hat mir so gut gefallen, da habe ich mich hier einfach angemeldet.“
Und der kulturelle Unterschied? „Am Anfang war es schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig“ gesteht Diakon Edenhofer. Aber sein Mitbruder Henric Kahl greift ein: „Florian hat ein norddeutsches Gemüt. Der passt gut rein. Er ist so wie die Hamburger oder wir Mecklenburger sind.“
Henric Kahl: fast ohne Kirche aufgewachsen
Henric Kahl muss das wissen, denn er ist „echter“ Norddeutscher, aufgewachsen in Neu Gülze bei Boizenburg. Seine Familie war wie viele andere um sie herum, wo die Kirche keine große Rolle spielt und viele Kinder nur getauft werden, damit sie später eine Hochzeit in der Kirche bekommen. Henric Kahl empfing die Taufe erst mit zehn, und erst nach der Konfirmation kam er auf den Geschmack: er wurde Lektor und machte in der Jugendarbeit mit. Aber so recht warm wurde der Schüler nicht. Warum sagt der Pastor beim Abendmahl: „Dies ist mein Blut“, und nachher wird der nicht getrunkene Wein weggegossen? „Eben war das doch noch Christi Blut! Ich wusste nicht viel, aber ein inneres Gefühl sagte mir: Da stimmt etwas nicht.“ Da kam Henric Kahl auf die Idee, beim katholischen Pfarrer anzurufen. „Kann ich mal kommen?“ Zum ersten Mal erlebte der junge Mann eine katholische Messe. Der Sonntag im Jahr 2004 war für Kahl „wie eine Gottesbegegnung“. Er kam am nächsten Sonntag wieder und danach jeden Sonntag, mit dem Gefühl: „Das ist es. Hier fühle ich mich wohl. Ich merkte, dass etwas dahinter steht, dass auch die Gemeinde dahinter steht.“ Das ging so ein halbes Jahr, erinnert sich Henric Kahl, „dann sagte Pfarrer Schmidt: Jetzt müssen wir mal reden!“ Es folgten viele Gespräche, ein „privater“ Glaubenskurs. 2006 wurde der junge Mann in die katholische Gemeinde aufgenommen. Fortan stand er als einer der zwei Messdiener der Gemeinde am Altar. Heute nicht mehr. Denn Henric Kahl ging noch weiter. „Bei mir ist vieles Gefühlssache. Und ich hatte das Gefühl: Da ist noch etwas anderes.“ Der „Messdiener“ machte sich auf den Weg, Priester zu werden. Nach einer Ausbildung zum Altenpfleger, die aber nur ein Zwischenschritt sein sollte, studierte er Theologie in Lantershofen.
Zur Priesterweihe werden seine Eltern dabei sein. Zur katholischen Gemeinde in Boizenburg hatten sie immer schon Kontakt – wenn auch nur „weltlicher“ Art. „Meine Mutter ist Frisörin, direkt am katholischen Bahnhof.“ Der „katholische Bahnhof“ ist die Bahnhofsstraße, wo die Kirche steht und wo viele Katholiken wohnen. Da kennt jeder jeden. Für die Eltern sei die merkwürdige Berufswahl des Sohnes aber kein „Schock“ gewesen. „Sie sind auf ihre Weise christlicher als viele andere“, sagt der Sohn.
Wer auf dem Weg ist, braucht Unterstützung
Das Gespräch im Garten des Osnabrücker Priesterseminars kommt auf die Frage, wie man Berufungswege wie die sehr unterschiedlichen von Florian Edenhofer und Henric Kahl fördern kann. So unterschiedlich wie die Menschen sind ihre Wege, sind sich beide einig. Und nicht jeder, der einmal Priester werden wollte, wird es schließlich. Berufungspastoral sollte jungen Leuten unterschiedliche Wege offenhalten. Und nicht zuletzt braucht es den Rückhalt in den Gemeinden. Nicht immer gibt es diesen Rückhalt, haben die Diakone erfahren. Florian Edenhofer: „Das Schlimmste was man hören kann, wenn man sagt, ich möchte Priester werden: Bist du denn verrückt?“
Die Feier der Priesterweihe beginnt am Samstag, 19. Mai um 10 Uhr im St. Marien-Dom. Anschließend ist ein Empfang im „Haus der kirchlichen Dienste“.
Text u. Foto: Andreas Hüser