Segensfeiern im Bistum Osnabrück

Und die Kirche bewegt sich doch!

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Gleichgeschlechtliches Hochzeitspaar
Nachweis

Foto: privat

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Christine (links) und Sylvia Frai aus Bremen nach ihrer standesamtlichen Trauung. Den Segen der Kirche gab es einige Zeit später. Foto: privat

Christine und Sylvia Frai bekennen sich offen zu ihrer Liebe. Den kirchlichen Segen bekamen die beiden Frauen aus Bremen in einer Zeit, in der Segensfeiern noch gar nicht offiziell erlaubt waren. Wie beurteilen sie jetzt das Schreiben aus dem Vatikan?

An den Tag der Segensfeier im Juli 2017 erinnert ein Bild im Wohnzimmer. Es zeigt einen Baum mit bunten Blättern. Wer genau hinschaut, erkennt, dass es sich bei den Blättern um Fingerabdrücke handelt. 77 an der Zahl – entsprechend den Gästen, die Christine und Sylvia Frai aus Bremen abends zum Feiern begrüßen konnten. Das Paar hatte sich standesamtlich trauen lassen, aber was noch viel wichtiger war: Einige Zeit später gab es auch den kirchlichen Segen. „Der war uns wirklich ein Herzensanliegen und das Kernstück unserer Hochzeit“, betont Sylvia Frai. Ihre Mutter hielt eine Lesung, die beiden Töchter und andere Verwandte sprachen die Fürbitten, das Patenkind ihrer Frau spielte Orgel. Und bei den Worten „Ich will dir ein Segen sein“ flossen bei allen die Tränen.

Kennengelernt haben sich Christine und Sylvia Frai vor zehn Jahren über das Internet. Da fanden zwei Frauen zueinander, die Frauen lieben, Katholikinnen in der Diaspora, Lektorinnen seit Jugendtagen. „Auch unsere Familien sind in der Kirche aktiv. So viele Gemeinsamkeiten – es passte eigentlich alles“, sagt Sylvia Frai.

Die Segensfeier für das gleichgeschlechtliche Paar vor gut sechs Jahren war streng genommen pastoraler Ungehorsam. Es gab weder einen Beschluss des Synodalen Wegs, noch war an eine Erlaubnis aus dem Vatikan zu denken. Aber es gab Priester, die menschlich handelten. Das haben Christine und Sylvia Frai bis heute nicht vergessen. „Wir fragten beim Pfarrer, den wir durch unseren Lektorendienst kannten, vorsichtig an. Wir wollten ja niemanden in Schwierigkeiten bringen“, sagt Sylvia Frai. Ihre Frau ergänzt: „Wir wären schon zufrieden gewesen, wenn er uns zu Hause im Garten gesegnet hätte.“ Stattdessen schlug er vor, direkt in die Propsteikirche St. Johann zu gehen. Und erklärte: „Ich segne Autos und Motorräder, da kann ich doch auch zwei liebende Frauen segnen!“ Letztendlich entschied sich das Paar für die Krypta. „Mit 30 Leuten in einer Kirche, in der sonst 600 Platz finden – das hätte sich angefühlt, als würden im Weserstation nur 500 Menschen sitzen.“

Seit ihrer Taufe vor 58 Jahren gehört Christine Frai zu St. Johann in der Bremer Innenstadt. Sie bezeichnet die Kirchengemeinde als ihr zweites Zuhause. Dort ist sie zur Erstkommunion gegangen, gefirmt worden, dort ist sie ehrenamtlich aktiv. Dass sie sich in einer Segensfeier öffentlich zu ihrer Liebe bekennen durfte, rührt sie. „Wir müssen uns nicht verstecken.“ Christine Frai wuchs in einer katholischen Familie auf – und ist in ihrer Heimatstadt keine Unbekannte. Als Schiedsrichterin in der Frauenbundesliga, auch international, hat sie große Momente auf dem Fußballplatz erlebt. Als erste Frau vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) wurde sie 2004 zur Schiedsrichterin des Jahres gewählt.

Ich hatte einen Heidenbammel, darüber zu sprechen.

Mit 22 Jahren verliebte sie sich zum ersten Mal in eine Frau. „Ich hatte das Gefühl: Irgendwas läuft hier falsch.“ In einem Beichtgespräch vertraute sie sich einem Kaplan an. Bei einem Spaziergang an der Weser erzählte sie ihm von ihrer Seelenqual. Seine Reaktion verblüffte sie. „Er blieb stehen, umarmte mich freudestrahlend und sagte: ,Das macht doch nichts, ich bin auch schwul!“ Christine Frai lacht laut, wenn sie davon berichtet.

In der Familie sei ihr das Outing nicht so leicht gefallen. „Ich hatte einen Heidenbammel, darüber zu sprechen, denn das Thema Homosexualität wurde damals nur im Zusammenhang mit Schwulenwitzen behandelt.“ Und ausgerechnet ihr Zwillingsbruder habe anfangs von all ihren Geschwistern am wenigsten akzeptieren können, dass sie Frauen liebt. Das habe wehgetan. Heute, sagt sie, sei ihr Verhältnis zu ihm Gott sei Dank wieder eng und herzlich. Angst, „dass Gott böse auf mich ist“, habe sie nie gehabt. „Ich bin mir sicher, dass er mich so geschaffen und gewollt hat, wie ich bin.“

Sylvia Frai ergänzt: „Ich finde es wichtig, zu sich stehen zu können, sonst ist man auch mit Gott nicht im Reinen.“ Die 60-Jährige, die aus Bremervörde stammt, war lange mit einem Mann verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Dass ihr Umfeld positiv auf ihre Liebe zu einer Frau reagiert – darüber ist sie froh. Ihre Töchter nennen Christine „Bonus-Mama“ und schätzen, dass das Paar Werte wie Toleranz, Liebe und Partnerschaft auf Augenhöhe vorlebt. Und ihre Eltern, Mitte 80, schwärmen von der „besten Schwiegertochter“, die sie sich nur wünschen konnten. Sylvia Frai zitiert zudem einen Hochzeitsspruch, den sie besonders mag: „Du hast die Wahl, homophob zu sein, aber du hast nicht die Wahl, homosexuell zu sein.“

Kurz vor Weihnachten 2023 dann der Paukenschlag aus dem Vatikan: Homosexuelle Paare dürfen in Zukunft gesegnet werden (siehe „Zur Sache“). Allerdings darf eine Segensfeier zum Beispiel nicht im Gottesdienst stattfinden. Fühlen sich die Frais weiterhin diskriminiert? Christine Frai lächelt. „Das ist typisch Vatikan: bloß nicht zu liberal sein“, sagt sie. „Aber ich sehe nicht das Haar in der Suppe, sondern freue mich über diesen kleinen Schritt.“ Auch Sylvia Frai bleibt gelassen und versichert, der katholischen Kirche auf jeden Fall treu bleiben zu wollen. „Ich verlasse ja auch nicht das Land, wenn mir etwas nicht gefällt.“ Christine Frai vergleicht die Weltkirche mit einem riesigen Ozeantanker. „Geben wir der Kirche einfach noch ein bisschen Zeit, sie bewegt sich, wenn auch langsam, und das ist immerhin schon mal was.“

 

Zur Sache

Katholische Priester dürfen jetzt auch homosexuelle Paare segnen. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte Ende vergangenen Jahres ein entsprechendes Dokument mit ausdrücklicher Genehmigung von Papst Franziskus. Die Erklärung „Fiducia supplicans“ (deutsch: „Das flehende Vertrauen“) ist jedoch keine 180-Grad-Wende. Sie unterscheidet sehr genau zwischen dem Sakrament der Ehe und einer Segnung von Menschen, die sich lieben. Sex ist laut Kirchenlehre nur in der Ehe zwischen Mann und Frau erlaubt; ausschließlich heterosexuelle Paare dürfen kirchlich heiraten.

An dieser Haltung ändert auch „Fiducia supplicans“ nichts. Priester, die ein homosexuelles Paar segnen, heißt es, müssten daher unbedingt vermeiden, dass der Akt wie eine Eheschließung – also wie ein Sakrament – aussieht. Eine weitere Voraussetzung: Der Geistliche darf die beiden Männer oder beiden Frauen nicht während eines Gottesdienstes segnen. (kb)

Ein Interview mit Seelsorgeamtsleiterin Martina Kreidler-Kos zum Thema "Segen für alle: Wie geht es im Bistum Osnabrück damit weiter?" lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Kirchenboten.

Anja Sabel