Bilanz und Ausblick zum Abschied nach vielen Jahren bei der Kirchenzeitung

Und nun: Adieu!

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Foto: adobestock

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Ein erhebender Moment für die Redaktion: Wenn Woche für Woche eine fertige Ausgabe in der Rotation gedruckt wird.

Woche für Woche – dienstags nachmittags – haben Redaktionsleiter Johannes Becher (job) und seine
Stellvertreterin Ruth Lehnen (nen) die regionalen Ausgaben der Bistumszeitungen für Fulda, Limburg und Mainz geplant. Die letzte gemeinsame Blattmache nach vielen gemeinsamen Jahren mit Bilanz und Ausblick.

job: Unser letztes „Planungsgespräch“ hier in der Redaktion. Komisches Gefühl, oder? 

nen: Ach, wir planen ja dann in Zukunft nicht mehr. Wir leben einfach so, ohne Planung. DAS muss ein komisches Gefühl sein. Wir werden Zeit haben. 
Du wirst nicht mehr jeden Morgen gegen sechs, halb sieben hier aufschlagen. Nachdem wir uns jetzt fast fünf Jahre auf den Abschied vorbereiten konnten, bin ich froh, wenn ich Abschied vom Abschied nehmen kann.

Johannes Becher verabschiedet sich als Redaktionsleiter: "Unheilbar katholisch." Foto: privat

job: Du hast Recht. Wir werden Zeit haben für Neues. Und was Abschiede angeht, versuche ich es mit meinem Opa zu halten, der immer sagte: „Wat hennerm Ploch es, es geackert.“ („Was hinter dem Pflug liegt, ist geackert.“) – Oder mit einem früheren Kollegen gesagt: „Römm es römm!“

nen: Erinnerst du dich, was wir alles unternommen haben, um die Zeitungen voranzubringen?

job: Das ist das Gute am Abschied: Dass man nochmal auf all die tollen Aktionen und Serien schauen kann, die man in 20, 30, 40 Jahren fabriziert hat. Da gab es zum Beispiel ein wunderbares „Café Disput“: Da haben wir mit vielen Gästen – darunter auch Peter Kohlgraf, der damals noch nicht Mainzer Bischof war – über die Reform-Dauerthemen in der Kirche diskutiert. Einen ganzen Samstag in einem Café. Du hast auch eine Runde moderiert …

nen: Oder die „RedAktion“ – wir haben junge Leute zusammengerufen und eine eigene 72-Stunden-Aktion innerhalb der großen BDKJ-Aktion gemacht. Die Freiwilligen sind ausgeschwärmt, haben über 72-Stunden-Aktionen berichtet und ein spannendes Dossier zusammengestellt, das Ganze ist als Beilage der Kirchenzeitungen erschienen.

job: Ja, das war eine starke Aktion. Genauso wie die Tageszeitung zum Katholikentag in Mainz 1998. Außerdem haben wir den „Christseller“ erfunden: die Verkaufs-Hitparade religiöser Bücher. Das war 2001.

nen: Mir hat die Arbeit mit den jungen Leuten immer besonders viel Spaß gemacht. Wir haben ja zahlreiche Volontärinnen und Volontäre ausgebildet. Sie haben von uns und wir von ihnen gelernt. 
Was würdest du „den Jungen“ mitgeben wollen – vorausgesetzt, sie interessieren sich noch dafür?

job: Sofern sie noch Lust auf klassischen Journalismus haben? Da gäbe es einiges. Vielleicht – um mit Papst Johannes XXIII. zu sprechen – „Johannes, nimm dich nicht so wichtig!“ anders gesagt: Es geht nicht um euch, die Schreiber, es geht um die Sache. Das heißt nicht, dass sich die Autor*innen nicht zeigen sollen, (ihre) Meinung ist wichtig. Was aber mindestens so wichtig ist: Verwechselt nicht Absender und Adressaten! Soll heißen: PR ist immer mehr am Absender orientiert, Journalismus hat die Leserinnen und Leser zuerst und zuletzt im Blick. Und du, was würdest du den jungen Leuten mitgeben? Schließlich hast du die Ausbildung bei uns in der Redaktion viele Jahre wunderbar geleitet.

nen: Das ist ja nun alles Schnee von gestern. Ich denke manchmal, vielleicht ist nun genug geschrieben. Für mich äußerst ungewöhnlich, denn ich habe immer 

Ruth Lehnen verabschiedet sich als stellvertretende Redaktionsleiterin: "Viel Arbeit, aber auch schöne Arbeit." Foto: privat

geschrieben und mir auf diese Weise die Welt begreiflich zu machen versucht. Jetzt finde ich es reizvoll, auch mal zu schweigen. Oder – im Gegenteil – zu sprechen. Seit einigen Monaten bin ich ja Gottesdienstbeauftragte (was für ein Wort). Mit den Wortgottesfeiern dreht sich für mich weiter viel um das Wort, um die Kommunikation und um Gott. Und wie hältst du’s mit der Religion, nach all den Jahren bei der Kirchenzeitung?

job: Deine Frage trifft. Mitten rein. Seit ich aus meiner Sabbatzeit in Jerusalem zurück bin – das sind jetzt schon zehn Jahre – leide ich an spiritueller Ortlosigkeit. Sprich: So richtig zu Hause konnte ich mich hier nirgendwo mehr fühlen. Zuletzt ist mir auch noch eine spirituelle Wortlosigkeit zugewachsen. In vielen liturgischen Geschehen finde ich mich nicht mehr wieder. Die Sprache prallt ab. Wenn der ein oder andere Wörterfall Gottes mich zutextet, bin ich schnell raus. Meine Biographie würde ich betiteln: „Unheilbar katholisch. Die Geschichte einer Entfremdung“. Aber mit meinem Herrgott bin ich im Reinen. Und außerdem gilt: Kein Tach ohne Bach …

nen: O Mann, das sind Themen für künftige Gespräche. Es gibt ja auch ein Leben nach der Kirchenzeitung!  Mir ist noch wichtig, an die Leute zu erinnern, für die wir gearbeitet haben. Diese wunderbaren Menschen, die uns bis zuletzt Postkarten und E-Mails geschrieben haben voll mit Gottesglauben und auch mit Dankbarkeit für unsere Arbeit. Die uns signalisiert haben, dass sie sich jede Woche auf die Zeitungen freuen und dass sie sie von der ersten bis zur letzten Zeile lesen. Das sind oft Menschen, die weiter weg von den Bischofsstädten leben, in der Fläche, wie es so schön heißt. Oft ältere Menschen.  Oder die Kontakte mit den Gesprächspartnern, die das Gefühl hatten, wir haben zugehört und einen Sachverhalt richtig geschildert. Unsere Arbeit war viel Arbeit, aber auch schöne Arbeit. 

job: Ja, das geht mir ähnlich: Den Menschen, die unsere Texte lesen woll(t)en, bin ich von Herzen dankbar!

nen: Gibt es etwas, das du vermissen wirst?

job: Vermissen werde ich unsere Gespräche – die mit Plan und die zwischendurch. Und natürlich den herrlichen Ausblick aus meinem Büro: auf den Liebfrauenplatz mit Dom, Gutenberg-Museum und dem Wochenmarkt. Ansonsten bin ich, glaube ich, hierarchie- und institutionssatt. 
Und freue mich darauf, entdecken zu dürfen, wo Gott schon längst wohnt. Wie sagte Meister Eckhart: „Gott ist da, wir sind es nicht.“

nen: Diese Gespräche werde ich auch vermissen. Den ganzen Input einer lebendigen Redaktion! Und ein bisschen die Struktur – der Dienstag wird sicher noch eine Weile der Redaktionsschlusstag sein. Aber sieh mal einer an: Redaktionsschlüsse sind wir wirklich gewöhnt. Und jetzt ist quasi der Redaktionsschlussschluss. Schluss und Aus! Wir gehen diesmal früh nach Haus.

Mit diesem Zwiegespräch beenden wir – Ruth Lehnen und Johannes Becher – die Arbeit an „unserer“ Zeitung. Wie etliche Kollegen. 

Hintergrund:

Die drei Bistumszeitungen „Bonifatiusbote“, „Glaube und Leben“ und „Der Sonntag“ werden ab dem 1. Januar 2024 von einem neuen Verlag herausgegeben. Nachdem die Gesellschafterbistümer Fulda, Mainz und Limburg die bisherige „Gesellschaft für kirchliche Publizistik Mainz“ zum Jahresende 2023 aufgeben, wird die Zeitung künftig von der in Osnabrück ansässigen „Verlagsgruppe Bistumspresse GmbH“ vertrieben. Die Seiten des Regionalteils werden inhaltlich verändert und ab Januar 2024 von einem neuen Team erstellt. Die überregionalen Seiten wurden auch bisher schon von der Verlagsgruppe Bistumspresse erstellt. Somit werden Kolleginnen und Kollegen von Anzeigen, Vertrieb, Rechnungswesen und Redaktion zum Jahresende 2023 verabschiedet.
Für Abonnenten gilt: Die Zeitung wird weiter zum üblichen Termin durch die Post zugestellt. Der Preis bleibt unverändert. Das gilt auch für den Bezahlweg. Die Rechnungsstellung durch die Verlagsgruppe Bistumspresse. (red.)