Pilotprojekt für depressive Menschen

Verbindung zum Therapeuten bleibt

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Menschen mit schweren Depressionen können nach einem Klinikaufenthalt per Tabletcomputer Kontakt zu ihren Therapeuten halten. Das St.-Vinzenz-Hospital in Haselünne beteiligt sich an einem entsprechenden Pilotprojekt.


Das Foto zeigt (v.l.) Johanna Sievering (Leiterin des Fachbereichs Gesundheit beim Landkreis Emsland), Martin Schnellhammer (Geschäftsbereichsleiter „Living Lab“) und Gregory Hecht (Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Haselünne. Foto: Sebastian Hamel

Patienten mit schweren Depressionen brauchen nach dem stationären Klinikaufenthalt eine intensive Begleitung. Denn das  Risiko, in der Zeit nach der Entlassung Rückfälle zu erleiden oder gar suizidale Gedanken zu hegen, ist oft groß. Ein europaweit erstmalig ausgeführtes Projekt am St.-Vinzenz-Hospital Haselünne soll nun Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern neue Technologien die Nachsorge unterstützen können.

Kürzlich präsentierten die drei Projektpartner – neben dem Krankenhaus sind der Landkreis Emsland und die Plattform „Living Lab“ aus Osnabrück beteiligt – das Vorhaben mit dem Titel „Telemedizinische Psychiatrische Versorgung nach Entlassung“.

Konkret ist vorgesehen, depressiv erkrankte Patienten am Ende ihres stationären Aufenthalts mit einem Tablet-PC auszustatten sowie mit einem sogenannten Bewegungstracker, der am Handgelenk getragen wird. Über den Tabletcomputer stehen die Betroffenen mit der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) in Haselünne in Verbindung. Täglich speisen sie das Gerät mit Daten zur Befindlichkeit, zu Aktivitäten und zur Medikamenteneinnahme.

Die Daten werden an das Krankenhaus übermittelt und dort ausgewertet. Auch ein direkter Kontakt zwischen Therapeut und Patient per Videokonferenz ist möglich. Das Projekt hat insofern besonders einen präventiven Charakter: Erkennt das Krankenhauspersonal kritische Tendenzen in den Daten, können sie direkt einschreiten.

Der Stigmatisierung entgegenwirken

Die Telemedizin soll die Patienten im Prozess unterstützen, mit ihrer Erkrankung umgehen zu lernen und in den Alltag zurückzufinden. Verhindert werden soll ein „Drehtür-Effekt“, also die erneute Einweisung ins Krankenhaus. Die Technik ersetzt dabei keine Psychotherapie, betonen die Projektpartner, sondern überwindet als verlängerter Arm der Klinik räumliche und zeitliche Distanzen bis zur Betreuung durch einen ambulanten Therapeuten.

Gleichzeitig erhalten auch Angehörige ein Gefühl der Sicherheit. Zudem erhoffen sich die Verantwortlichen, damit der Stigmatisierung des Krankheitsbilds Depression entgegenzuwirken. Darüber hinaus werden mittels Telemedizin auch Kosteneinsparungen und damit eine Entlastung des Gesundheitssystems angepeilt.

Bis Ende 2019 soll das Projekt andauern, offizieller Start war der 1. Juli 2018. In den ersten drei Monaten soll die technische Infrastruktur geschaffen werden, was zum Beispiel die Ausschreibung für die Anbieter der Geräte beinhaltet. Voraussichtlich ab Oktober dieses Jahres erhalten die ersten Patienten bei ihrer Entlassung Tablets.

Innerhalb des Projektzeitraums sind zwei sechsmonatige Durchgänge mit bis zu 20 Teilnehmern vorgesehen. Durch das „Living Lab“ erfolgt eine wissenschaftliche Evaluierung. Die Projektkosten in Höhe von 50 693 Euro werden größtenteils durch Landesmittel gedeckt: Das Lenkungsgremium „Gesundheitsregionen Niedersachsen“ gewährt eine Zuwendung von 45 624 Euro, den restlichen Betrag übernimmt der Landkreis Emsland.

Sebastian Hamel