Nach der Absage aller Gottesdienste
Viel Platz für stille Beter
Die Streichung sämtlicher Gottesdienste im Bistum Osnabrück hat viele Gläubige völlig unvorbereitet getroffen. Liveübertragungen im Hörfunk und im Fernsehen hatten Hochkonjunktur. Dazu gehörte auch die Orgelweihe in der St.-Nikolaus-Kirche von Langeoog. Im Dom dagegen war Platz für viele stille Beter.
Das Kirchenamt in Bremen und die Pfarrei in Rhede (Emsland) waren am Freitag der vergangenen Woche besonders schnell: Kaum hatte die Bistumsleitung darüber informiert, dass bis zum 5. April alle Versammlungen und Gottesdienste im Bistum Osnabrück entfallen sollen, gab es aus beiden Orten einen Newsletter per E-Mail, mit dem die Gemeindemitglieder informiert wurden.
Bischof Franz-Josef Bode bat am selben Tag in einer Videobotschaft um Verständnis. Jeder konnte sehen, wie schwer es dem Bischof fiel, ausgerechnet um den Verzicht auf die Eucharistie zu bitten, diese Quelle des kirchlichen Lebens.
Seitdem geht aber auch die Diskussion weiter, ob der Schritt angemessen war oder welche Alternativen es geben könnte. Denn auf der einen Seite müssten die staatlichen Vorgaben eingehalten werden – keine Versammlungen mit mehr als 100 Teilnehmern, Hygienemaßnahmen, namentliche Erfassung – auf der anderen Seite kann sich niemand unter den Gläubigen erinnern, hierzulande jemals eine so drastische Maßnahme erlebt zu haben.
Zugleich mehren sich die Stimmen, die Kirche müsse gerade jetzt ansprechbar sein für Menschen in Not und nicht das Signal senden, die Mitarbeiter zögen sich in eine Art Wagenburg zurück. Die katholische Jugend in Rieste (Dekanat Osnabrück-Nord) übernahm gleich die Initiative: Noch am Wochenende boten sich die jungen Leute als Helfer für die Einheimischen an: „Wir können euch durch kleinere Besorgungen unter die Arme greifen“, heißt es auf der Homepage.
In der St.-Nikolaus-Kirche von Langeoog wurde am Sonntag der im Deutschlandfunk übertragene Hörfunkgottesdienst gefeiert. Das war möglich, weil neben den Mitwirkenden rund 25 Besucher kamen. Außerdem wurden alle Namen der Mitfeiernden notiert, die Gesangbücher desinfiziert. Generalvikar Theo Paul spendete der neuen Orgel den Segen. Im Anschluss meldeten sich am Hörertelefon viele Gläubige und dankten ausdrücklich dafür, dass der Gottesdienst gefeiert und übertragen wurde.
Gähnende Leere im Dom am Sonntagmorgen
Gähnende Leere. Sonntagmorgen, 9.45 Uhr – normalerweise bereiten sich um diese Zeit die Gläubigen auf das liturgisch meist aufwendig gestaltete Kapitelsamt um 10 Uhr im Dom vor. Am zweiten Tag nach dem Beschluss der Bistumsleitung, bis zum 5. April alle Gottesdienste wegen der Corona-Pandemie abzusagen, sind nur einige stille Beter im Dom. Zum Teil sind sie in den Nischen und Ecken kaum zu sehen. Mit Heinrich Jacob und Herbert Brockschmidt streifen zwei emeritierte Domkapitulare durch das Gotteshaus. Brockschmidt schüttelt den Kopf: „Keine Messe an diesem zentralen Ort des Bistums, das ist unglaublich“, sagt er und spricht damit vielen Gläubigen aus dem Herzen.
In der Sakristei ist sonst in diesen Minuten Hochbetrieb, mit Christoph Pohlmeyer sitzt zurzeit aber nur einer der Küster hier. Plötzlich sind von draußen Schritte zu hören, herein kommen Dompfarrer Thilo Wilhelm und Domkapitular Hermann Wieh. „Ich habe heute zusammen mit dem Bischof in dessen Hauskapelle die Messe für die ganze Diözese gefeiert“, sagt Wieh. Das müssten die Gläubigen unbedingt erfahren, denn sonst käme nur das Signal an, die Eucharistie könne auch einmal ausfallen. Überhaupt setze er voraus, dass die Gemeindepriester ähnlich verfahren würden und die Messe zu Hause, aber stellvertretend für ihre Gemeinde feierten.
Küster Pohlmeyer hat am frühen Morgen schon einige Gepräche mit Gläubigen geführt. Ein Mann habe sich gewundert, dass keine Messe gefeiert wird – er hatte die Neuigkeit bis dahin nicht erfahren. Eine Frau habe sich an den Zweiten Weltkrieg erinnert – nicht einmal in dieser schlimmen Zeit seien Messen ausgefallen. Ein Mann sei gekommen und habe Verständnis geäußert – aber er wollte doch sichergehen, dass die Messe wirklich ausfällt.
„Ostern können wir doch nicht ausfallen lassen“
Auch die Domkapitulare Jacob und Brockschmidt kommen jetzt dazu und diskutieren mit. Ob man es nicht doch hinbekomme, die staatlichen Hygienevorschriften zu beachten und Gottesdienste mit maximal 100 Teilnehmern zu feiern? Niemand will die Frage von Hermann Wieh mit Ja beantworten. In einem sind sich die Männer aber einig: „Die Feier des Osterfestes können wir nicht ausfallen lassen.“
Matthias Petersen