Viel Spaß mit den Hippos
Das Möllner Don Bosco-Haus für das behinderte Kind bietet seinen Bewohnern eine sogenannte Hippotherapie an, die nun zertifiziert wurde.
Liesl und Telma haben die Ruhe weg. Liesl ist eine zwölfjährige Schleswiger Kaltblutstute, Telma eine achtjährige Trakehnerstute. Beide versehen auf dem „Pferdehof Paganini“ in Harmsdorf bei Ratzeburg ihren Dienst im Bereich der Hippotherapie. Das hat nichts mit Nilpferden zu tun (Hippo ist der griechische Wortstamm für den Begriff Pferd), wie Laien vielleicht vermuten, sondern mit einer bestimmten Form der Reittherapie. Die beiden Stuten werden in der Hippotherapie für Bewohner des Möllner Don Bosco-Hauses eingesetzt. Ihre Reiter sind ganz besondere Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung zwar nicht ohne Hilfe reiten können, aber eine intensive Beziehung zu den Tieren aufbauen – denen das mit der Behinderung natürlich völlig egal ist. Bis zu 35 Bewohner des Don Bosco-
Hauses profitieren von dem Angebot, das an vier Tagen pro Woche ermöglicht wird.
„Bei der Hippotherapie liegt der Schwerpunkt darauf, dass der Bewohner reitet“, erläutert Melanie Jessen, die als Hippotherapeutin, Physiotherapeutin und osteopathische Pferdetherapeutin im Don Bosco-Haus für das behinderte Kind für das Angebot verantwortlich ist. Sie kümmert sich gemeinsam mit Katharina Müller, die eine ähnliche Fachausbildung wie sie absolviert hat, und vier Ehrenamtlichen um das Angebot. Unterstützt werden sie außerdem von angehenden Erziehern der Fachsschule für Sozialpädagogik in Mölln, für die das Don Bosco-Haus ohnehin Kooperationspartner für Praktika ist. In Sachen Hippotherapie gibt es inzwischen sogar einen – regelmäßig überbuchten – Wahlpflichtkurs für bis zu zwölf Teilnehmer, die ebenfalls helfend mitwirken. Und auch eine Kita ist regelmäßig zu Besuch, um möglichst früh Hemmschwellen zwischen Kindern ohne und mit Behinderung abzubauen.
Das Reiten kann helfen, Spastiken zu lösen
Reiten als Therapie: Was sich so simpel anhört, ist bei Menschen mit Behinderung ein Stück weit komplizierter. Es geht darum, dass eine Bewegungsübertragung vom Pferd auf den Reiter stattfindet, um so zum Beispiel Spastiken zu lösen. Die Hippotherapie unterscheidet sich von der (ebenfalls angebotenen) Reittherapie dadurch, dass dort schon der Umgang mit den Pferden etwa beim Putzen oder dem Führen an der Longe als therapeutisches Element gilt.
„Es müssen ein bisschen unempfindliche Pferde sein“, erläutert die für die Zertifizierung zuständige Regina Steffan vom „Europäischen Institut für Equine Seminare“ aus Stadthagen. Die Tiere brauchen vor allem Gelassenheit im Umgang mit Menschen, die sich auf dem Pferderücken noch ein bisschen unsicher sind. Auch gesundheitlich müssen sie in einem guten Zustand sein und Bewegungsdrang mitbringen. Kurzum, es geht um „Pferde, die Freude an ihrer Arbeit haben“, wie Steffan es ausdrückt. Die Bedingungen auf dem Hof seien ebenso gut wie die Qualifikation der Therapeutinnen und Assistentinnen.
Am Ende hält Diakon Harry Harms, Leiter des Don Bosco-Hauses, das Zertifikat in den Händen. „Das habt ihr euch mit Kompetenz und Herzblut verdient“, sagt er später an das Team gewandt. Finanziell unterstützt wird das seit 2016 entwickelte Angebot durch die in Bargteheide ansässige „Stiftung Therapeutisches Reiten Jürgen Dulz“. Der inzwischen verstorbene Stifter war jahrelang Reiter, bis er bei einem Reitunfall eine Querschnittslähmung erlitt.
Text u. Foto: Marco Heinen