Vom Miteinander der Weltkirche
Viele Wege führen zu Gott
Die Reformvorschläge des Synodalen Weges in Deutschland bedrohten die Einheit der Kirche, hieß es gerade wieder in einer Erklärung des Heiligen Stuhls. Aber wie viel Einheit braucht die Weltkirche überhaupt – und wo ist Verschiedenheit gerade wertvoll?
Von Susanne Haverkamp
„Einheit heißt nicht Einförmigkeit“, sagt Christian Tauchner. Für den Missionswissenschaftler, der die katholische Kirche auf vielen Kontinenten kennt, gibt es nur ein Fundament der Einheit: das Credo. „Wir glauben alle an diesen Gott“, sagt er. „Aber diesen Gott erleben die Menschen in Afrika anders als die in Indonesien oder Deutschland.“ Denn die kulturelle Prägung, verschiedene Wertvorstellungen und Traditionen fließen immer schon in Theologie und Glaube ein. „Das war früher die große Stärke der Kirche“, sagt Tauchner. Dass etwa heidnische Traditionen wie das Osterfeuer übernommen wurden.
Deshalb ist es falsch, Katholizismus nur römisch zu definieren und andere Theologien zu unterdrücken. Etwa die Befreiungstheologie, sagt Tauchner, aber auch solche, die lokale Traditionen aus Naturreligionen oder dem Ahnenkult aufnehmen. „Vielleicht verstehen wir diese Ansätze nicht, aber das heißt ja nicht, dass sie falsch sind oder verboten gehören.“
Der Steyler Missionar ist sehr für eine große Vielfalt innerhalb der Weltkirche, nicht nur in folkloristischen Dingen. „Es zerreißt die Einheit nicht, wenn in einer Kultur Homosexualität anders gesehen wird als in einer anderen“, sagt er. „Wenn in Deutschland schwule Paare gesegnet werden, irritiert das einen Indonesier nicht mehr, als dass Deutsche die Hostie in die linke Hand nehmen.“ Die ist dort nämlich genauso tabu wie Homosexualität; undenkbar, den Leib des Herrn in diese Hand zu legen.
Schon jetzt gibt es viele Unterschiede in der Weltkirche. Manche Beerdigungsrituale würden Europäer befremden. Dass ein Bischof vom Domkapitel gewählt wird, ist nur in Deutschland so; ständige Diakone haben viele Diözesen der Welt nie eingeführt, dafür kennen wir keine Katechisten. Und auch den im Kirchenrecht verankerten Diözesanpastoralrat haben einige Bistümer nicht.
Missachtung von Kulturen birgt größere Gefahren
Ein weltweites Kirchenrecht existiert erst seit 1917; vorher war alles regional geregelt, ohne dass die Einheit der Kirche bedroht gewesen wäre. Wie es auch die Einheit der Kirche nicht bedroht, dass es schon jetzt katholische Priester in der Pfarrseelsorge gibt, die verheiratet sind und Kinder haben. Die Dispens von der Zölibatspflicht erteilt Rom im Einzelfall.
Die jüngste vatikanische Erklärung sieht durch die deutschen Reformvorschläge die Einheit der Kirche bedroht. Für Christian Tauchner ist Vielfalt dagegen keine Gefahr, im Gegenteil. „Wenn gleiche Regeln ohne Rücksicht auf verschiedene Kulturen durchgesetzt werden, ist die Gefahr der Zersplitterung viel größer“, sagt er. Um Verschiedenheit wertzuschätzen, müsse man aber tatsächlich glauben„ „dass der Heilige Geist über den eigenen Horizont hinausreicht“.