Verantwortung in Zeiten von Corona

Virus darf nicht alles beherrschen

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Der Geschäftsführer der Raphael Gesellschaft ist sich sicher, dass der Mensch Verantwortung übernehmen muss: „Was hast du getan in Zeiten von Corona?“ Für die ihm Anvertrauten macht Benno Pickel vieles möglich.

Gut vorgesorgt. Benno Pickel (mitte) und Mitarbeiter im Lager.    Foto: Christine Bose

 

Immer wieder denkt Benno Pickel, Geschäftsführer der Raphael Gesellschaft, in diesen Wochen an die Worte, die er vor einigen Sonntagen beim Besuch der Messe in der Propsteikirche St. Marien von Propst Hartmut Gremler gehört hat: „Jetzt in dieser Zeit brauchen wir verlässliche Menschen, die sich nicht davor drücken, Verantwortung zu übernehmen.“ Auch Benno Pickel unterstreicht: „Das Virus darf uns nicht beherrschen. Es müssen alle mittun, an der Arbeit, in den Pfarrgemeinden. Eines Tages stehen wir vor Gott und er fragt uns: Was hast du getan in Zeiten von Corona? Und was hast du anderen Menschen angetan, weil du dich nicht genügend für sie eingesetzt hast?

Menschen nicht einsperren
Es darf nicht passieren, dass Menschen in unseren Einrichtungen, in der Pflege, in den Eichsfelder Werkstätten, in den Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen eingesperrt werden, weil kleine Gruppen in der Bevölkerung rücksichtlos private Feiern organisieren oder sich anderweitig verantwortungslos verhalten.“ Niemand von den fast 900 Mitarbeitern und Klienten in den zur Raphael Gesellschaft gehörenden Einrichtungen im Landkreis Eichsfeld hat sich bisher infiziert. Zwar mussten sich einige in Quarantäne begeben, aber glücklicherweise stets mit einem negativen Testergebnis.
Auf den Sommer zurückblickend erinnert der Geschäftsführer an die Urlaubsreisen und Ausflüge, die sie für die Bewohner des Raphaelsheimes und ambulant betreute Personen organisiert hatten, nennt die Urlaubswoche im Spreewald oder im Erzgebirge, die Ausflüge zum Wildpark Eschwege und die Draisinenfahrt auf der Strecke der Eichsfelder Kanonenbahn. Aufwand und Organisation der Reisen waren so hoch wie nie zuvor, aber das Urlaubserlebnis für die ihnen anvertrauten Menschen sei diesen Aufwand wert gewesen. So musste vor Reiseantritt ein Schutzkonzept beim Gesundheitsamt eingereicht werden. Schon in Vorbereitung auf die für den 20. September geplante Bistumswallfahrt hatte Benno Pickel für die in diesem Jahr ungewöhnliche Situation seine Gedanken formuliert – und das gilt jetzt erst recht: „Wir machen uns an den Menschen, die uns vertrauen, schuldig, wenn wir unsere Verantwortung auf den Gesundheitsschutz beschränken.“ Deshalb fiel die in jedem Jahr mit viel Vorfreude erwartete Kirmes am 29. September nicht aus; gefeiert wurde sie als kleine Hauskirmes auf dem heimeigenen Sportplatz, mit Bratwurst, Tanz und Blasmusik.
Als seit dem 12. Oktober die Infektionszahlen im Eichsfeld stark anstiegen, der Landkreis zum Risikogebiet erklärt werden musste, reagierte die Geschäftsführung sofort. Wichtig dabei sind Gespräche, die im Wohnheim und in den Eichsfelder Werkstätten vermitteln, warum jetzt erneute Einschränkungen nötig sind. Häufiges Lüften, Maskenpflicht auf den Fluren, Temperaturmessung am Morgen vor Arbeitsbeginn, Aufenthalt von Bewohnern und externen Beschäftigten in unterschiedlichen Räumen, Einsatz transparenter Trennwände, in den Heimen weniger Besuchszeiten, reduzierte Heimfahrten sind nur einige Beispiele. Die Erfahrungen besagen: Für die Menschen mit Behinderungen ist nicht nur die Arbeit sehr wichtig, sondern auch der persönliche Kontakt zu ihren Kollegen und zu ihren Betreuern. Im Advent 2020 wird auf Weihnachtsmarktbesuche verzichtet; einige in der Region finden gar nicht statt.

Mini-Weihnachtsmarkt mit Sicherheit
Deshalb ist vorgesehen, ebenfalls auf dem Sportplatz, eigens für die Bewohner einen Mini-Markt aufzubauen, damit sie erfreut sagen können: „Wir waren auf dem Weihnachtsmarkt.“ Um auch den Mitarbeitern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, hat Benno Pickel für sie persönliche Schutzausrüstungen gekauft und eingelagert. Genügend Mund-Nasen-Schutz ist vorhanden, zudem 1000 Schnelltests. „Unsere Kolleginnen und Kollegen sollen ohne Angst zur Arbeit kommen“, betont er und fügt hinzu: „Wir müssen unser Leben wieder in die Hand nehmen; verantwortlich, verlässlich, mit aller Vorsicht und Rücksicht.“

Christine Bose