Wieso ist Gott cool?
Vom tollen Kinderbuch
„Oh schau mal, da sind ja ganz viele Bagger in dem Buch, magst du Bagger?“, frage ich Charlotte. Seit einem halben Jahr passe ich wöchentlich auf die Fünfjährige auf. So lieb ich sie auch habe, an manchen Tagen ist das Kinderhüten doch etwas anstrengend. Alle zwei Minuten fangen wir ein neues Spiel an. Sie kann sich für keines so richtig begeistern. Ich probiere also, Charlotte mit einem Buch zu locken. Und wer bitte mag keine Bagger? Ich halte das Buch in die Höhe und schaue sie lächelnd an. Sie schaut zurück. Dann greift sie zu einem anderen Buch und sagt: „Ja, Bagger sind schon toll, aber weißt du, was noch viel cooler ist? Dieses Buch hier. Das ist von Gott.“ Sie hält mir eine Kinderbibel hoch und grinst mich an. Ich bin etwas verwundert, da ich weiß, dass ihre Eltern keinen Bezug zu einer Religion haben. Woher hat sie die Bibel? Wieso findet sie die cool? Wieso denkt sie, dass Gott etwas Cooles ist?
Wieso ist Gott cool? Und wieso nicht?
Sie fragt mich, ob ich ihr daraus vorlesen kann. Wir schlagen also das Buch auf und lesen die ersten Kapitel. Als Eva in den Apfel beißt, schlägt Charlotte die Hände vors Gesicht; und als Gott die Menschen von Babel verschiedene Sprachen sprechen lässt, guckt sie mich an und fragt, wie viele Sprachen es denn noch gebe. Und warum die Menschen damals alle Deutsch geredet haben. Weiter geht es mit Noah und der Frage, warum Gott früher mit den Menschen gesprochen hat und heute nicht mehr. Ich antworte, dass Gott heute im Gebet mit Menschen sprechen kann. Sie fragt, wie Gottes Stimme klingt. Ich versuche zu erklären, dass Gottes Stimme eher ein Gefühl ist, dass jeder Mensch sie anders hört und empfindet, und dass das sehr schwierig zu erklären ist. Sie ist trotzdem begeistert. Wir lesen immer weiter. Viele Menschen sterben, ich komme in die Not, erklären zu müssen, was an Gott gut ist, wenn er so viele Menschen sterben lässt. Doch Charlotte scheint ein Gottes-Fan zu sein. Sie bittet um immer mehr Geschichten. Irgendwann ist unsere gemeinsame Zeit wieder zu Ende. Ihre Mutter kommt nach Hause und fragt, was wir gemacht haben. Charlotte rennt stolz zu ihr und fragt: „Mama, glaubst du an Gott?“ Ich gucke beschämt in die Ecke. Warum tue ich das? Warum ist es heute für Erwachsene oft tabu, über Religion zu sprechen? Ihre Mutter gibt die wohl häufigste Antwort auf diese Frage: „Ich glaube, dass es da etwas gibt, das uns beschützt. Ob das Gott ist oder etwas anderes, kann ich nicht sagen.“
Ist das feige? Oder vielleicht klug? Während ich noch überlege, ob sie sich so ein Gespräch mit ihrer Tochter über Religion ersparen möchte, erwidert Charlotte: „Ich glaube an Gott.“
Text: Rita Vißing