Digitaler Kirchenführer HelloKatharinen
Von Schülern für Besucher
Da hat jeder was davon: Schülerinnen und Schüler erforschen im Religionskurs auf interessante Art eine Kirche. Und die Gemeinde bekommt von ihnen anschließend einen modernen digitalen Kirchenführer.
„Willkommen“, schreibt die heilige Katharina von Alexandria. Sie ist die Namenspatronin der evangelischen St.-Katharinen-Kirche in Hamburg und begrüßt die Nutzer des digitalen Kirchenführers „hellokatharinen“. Per Grafik auf Smartphone oder Tablet lädt sie ein, mit ihr auf eine Entdeckungstour durch die Kirche zu gehen.
Schüler eines Oberstufen-Religionskurses am Gymnasium Altona haben den Kirchenführer gemeinsam mit ihrer Lehrerin Friederike Wenisch entwickelt. Der Kirchenbesucher scannt mit seinem Smartphone oder Tablet einen QR-Code und öffnet so die Internetseite. Über eine Schnitzeljagd mit versteckten Zahlen in der Kirche wird der Besucher zu den markanten Punkten in der Kirche geführt.
Innerhalb von gut drei Wochen haben die Schüler diesen Kirchenführer, auch Chatguide genannt, zusammengestellt. Sie haben Texte geschrieben, Bilder ausgewählt und kurze Videos und Audios produziert. Der Besucher erfährt von der heiligen Katharina nun Wissenswertes zur Baugeschichte, zu Details in den Kirchenfenstern, zur hölzernen Kanzel oder zum Altar.
Friederike Wenisch hofft, dass der Kirchenführer hilft, den Kirchenraum mit anderen Augen zu sehen. „Die Nutzer sollen in die Kirche gehen, den Raum in ihrem eigenen Tempo neu entdecken und dabei auch auf die vielen Details achten, die man sonst vielleicht übersieht“, sagt sie. Auch die Wahrnehmung der Schüler habe sich bei der Arbeit an dem Projekt verändert. „Sie haben verstanden, dass Kunst einen Sinn hat und gerade in einer Kirche nichts steht, was nicht eine Bedeutung hat“, sagt die 36-Jährige.
Die Schüler haben selbst ausgesucht, welches Thema sie bearbeiten möchten. „Sie haben sehr selbstständig gearbeitet, viel in der Bibel und anderer Fachliteratur gelesen, mit dem Pastor und anderen Gemeindemitgliedern gesprochen“, sagt Wenisch. „Sie mussten richtig recherchieren und ins Thema eintauchen. Die Informationen konnten sie sich nicht einfach aus dem Internet ziehen.“
Mit viel Engagement der Schüler entwickelt
Eine Schülerin hat sich etwa intensiv mit dem sogenannten Weihnachtsfenster von Gottfried von Stockhausen in der Kirche beschäftigt. „Sie hat erkannt, dass es in dem Fenster Details gibt, die auf das Lukas- und auf das Matthäusevangelium zurückgehen“, sagt Wenisch. In „hellokatharinen“ schlüsselt die Schülerin das auf. „Die Besucher können so in der Kirche Details entdecken, die sie ohne den Chatguide vermutlich nicht wahrgenommen hätten“, sagt Wenisch.
Ein muslimischer Schüler präsentiert in dem Kirchenführer den Hauptaltar der Kirche. „Am Anfang wusste er nur, dass der Altar aus fünf Bildern besteht und eines davon den Sündenfall zeigt, den wir im Unterricht besprochen hatten“, sagt Wenisch. Der Schüler habe dann aber in der Bibel gelesen und überlegt, was mit den Darstellungen gemeint sein könnte. In dem Kirchenführer erklärt er nun die weiteren Altarbilder, wie etwa Jesus, der am Tisch das Mahl hält, wie er seinen Jüngern nach der Auferstehung erschien, oder den zweifelnden Thomas überzeugte.
Das Projekt hat bei dem muslimischen Schüler einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „In der Abiturprüfung hat er zu mir gesagt: ‚Ich gehe heute anders mit meinem Glauben um. Ich bin konservativ eingestellt, aber reflektierter. Ich prüfe, ich überlege und ich entscheide selbst.‘ Mehr kann ich als Lehrerin doch gar nicht erreichen wollen“, sagt Wenisch.
Die Idee zu dem Projekt hatte Friederike Wenisch gemeinsam mit Ines Woermann, der Gründerin von „helloguide“, einem Anbieter von Tourguides in Museen. Woermann hat die Technik bereitgestellt und die Schüler unterstützt. „Hellokatharinen“ ist kein klassischer Audioguide und auch keine App, die auf dem Smartphone viel Speicherplatz klaut. „Die Internetseite ist dialogisch aufgebaut und erinnert optisch an Nachrichtendienste, wie zum Beispiel Whatsapp“, sagt Woermann. Die Schüler seien zwar am Anfang zunächst skeptisch gewesen und hätten Respekt vor der Technik gehabt, aber das habe sich schnell gelegt. „Das ist kein Hexenwerk und relativ einfach zu bedienen. Für die Jugendlichen ist es toll, dass sie etwas Bleibendes geschaffen haben, das sie auch anderen zeigen können“, sagt Woermann. Qualitativ kann alles, was mit einem Smartphone produziert werden kann, für den Kirchenführer genutzt werden.
Auch Friederike Wenisch empfiehlt, sich nicht von der Technik abschrecken zu lassen. Das Projekt sei super für Schulklassen, Jugendgruppen in der Kirchengemeinde, Firmlinge oder Konfirmanden. „Das Ziel ist ja nicht eine perfekte mediale Aufarbeitung. Die Jugendlichen sollen sich mit dem Thema auseinandersetzen, sich ein Konzept für ihren Kirchenführer überlegen und lernen, genauer hinzuschauen. Und die Kirchengemeinden profitieren, weil sie einen tollen individuellen Kirchenführer bekommen.“
Kerstin Ostendorf