Was Korinth mit der Kirche von heute zu tun hat
Von Zank, Streit und dem Auftrag, eines Sinnes zu sein
„Duldet keine Spaltung unter euch“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Die Botschaft war in der gesamten Kirchengeschichte aktuell, sagt Siegfried Kleymann, zusammen mit Maria Boxberg die geistliche Begleitung des Synodalen Weges. Er sieht seine Aufgabe auch darin, zusammenzuführen.
Von Susanne Haverkamp
Siegfried Kleymann will das Thema „Spaltung“ mit Blick auf den Synodalen Weg nicht so hoch hängen. Nicht so, als ob die momentan eher streitbare Situation der Kirche in Deutschland dramatisch anders wäre als früher. Er sagt: „Konflikte und heftige Auseinandersetzungen waren in der gesamten Kirchengeschichte ein Thema. Offenbar schon in biblischer Zeit. Da findet sich der Synodale Weg in guter Gesellschaft.“
Diskussionen gab es schon immer, weil es immer Vielfalt in der Kirche gab. Vielfalt der Liturgien, Vielfalt des Brauchtums, Vielfalt der Ansichten zu Glaubensfragen. „Nehmen Sie die Orden“, sagt Siegfried Kleymann, „da gibt es tätige Orden und kontemplative Orden, die einen folgen Jesus mehr in der sozialen Tat nach, die anderen sehen Nachfolge vor allem im Gebet – da gibt es auch nicht nur den einen richtigen Weg.“ Und gestritten wurde über das richtige Ordensleben auch, sagt Kleymann, „man denke nur an den Armutsstreit zur Zeit der Bettelorden“.
Intensiver nachzufragen, würde helfen
Aber dennoch, ganz von der Hand zu weisen ist es ja nicht: Ob Frauen geweiht oder homosexuelle Paare gesegnet werden dürfen, ob der Pflichtzölibat abgeschafft oder Laien Bischöfe überstimmen können – das sind schon Fragen, die spalten können. Und wenn man in den sozialen Medien Kommentare verfolgt, in denen sich die sogenannten Rechten und angeblich Linken gegenseitig beschimpfen, dann ahnt man: Die Fragen spalten tatsächlich. Oder wie erleben Sie das, auf dem Synodalen Weg, Herr Kleymann?
„Ich erlebe die Schwierigkeit, dass angesichts drängender Sachfragen oft zu wenig Zeit bleibt, persönlich zu sprechen“, sagt der Theologe, der im Hauptberuf Pfarrer in Münster ist. „Oft wäre es hilfreich nachzufragen: Warum ist dir dieses oder jenes so wichtig? Was bedeutet dir das?“ Unter der Oberfläche, sagt Kleymann, lägen meist tiefere Motive: „Es wäre gut, sie zu verstehen.“ Dazu beizutragen, innezuhalten, das sieht er als eine Aufgabe der geistlichen Begleitung beim Synodalen Weg.
Denn von einem ist Kleymann überzeugt: Wenn Paulus mahnt, man solle nicht zu Apollos, Kephas oder ihm selbst halten, sondern zu Christus, dann sähe er das beim Synodalen Weg erfüllt. „Ich werde niemals jemandem absprechen, dass er oder sie zu Christus hält“, sagt er. Wichtig sei, zu verstehen, wie jemand, dessen Meinung einem anderen fremd ist, durch seine tiefe Überzeugung auf Christus ausgerichtet ist.
Manchmal klappt es, manchmal nicht
Überhaupt: Stichwort Meinung. „Bei Paulus steht sehr appellativ: Seid eines Sinnes und einer Meinung“, sagt Kleymann. „Es geht ihm darum, inmitten aller Meinungsverschiedenheiten nach der Einheit zu suchen.“ Für Kleymann heißt das, dass es in Sachfragen eben unterschiedliche Meinungen gibt. Auch in Glaubensfragen. Immer schon. „Und dass das zu Streit und Konflikten führt, ist Teil unserer Glaubensgeschichte.“
Gerade darum sei es wichtig, mitten in der Auseinandersetzung danach zu streben, „eines Sinnes“ zu sein. „Wenn wir miteinander das Vaterunser beten“, sagt er, „dann sind wir schon eines Sinnes. Denn wir sagen: unser Vater, nicht mein Vater.“
Noch stärker drücke sich dies aus, wenn die Synodalen trotz aller unterschiedlichen Meinungen gemeinsam Eucharistie feiern. „Wenn wir zusammen singen, das Wort Gottes hören und Kommunion feiern, dann ist spürbar, dass wir ganz grundlegend eines Sinnes sind“, sagt Kleymann.
Trotzdem: Machen kann man diese Einmütigkeit nicht. „Wir stehen immer in der Spannung von ‚schon‘ und ‚noch nicht‘, von erfahrener und ersehnter Wirklichkeit“, sagt Kleymann. „Es gibt Momente, in denen wir spüren, dass Frieden, dass Einheit gelingen, dass verschiedene Positionen zu einer Meinung führen – und in anderen Momenten können wir Gott nur darum bitten.“ Um seinen Geist, der, wie es in einem Hochgebet heißt, „wegnimmt, was trennt“.
Wähle die richtigen Worte
Ganz grundsätzlich, betont Siegfried Kleymann, ist Einheit etwas anderes als Uniformität. „Ich empfinde es als großen Gewinn, dass beim Synodalen Weg alle Arbeitsgruppen oder auch die geistliche Leitung zu zweit ausgeübt werden.“ So seien es immer zwei Perspektiven – meist eine männliche und eine weibliche – die auf eine Frage oder eine Situation schauen. „Zusammen zu leiten, weitet den Horizont und führt nicht zur Furcht, Macht zu verlieren“, sagt der Priester. „Vielfalt ist ein Mehrwert, auch wenn sie bisweilen anstrengend ist.“ Und Kleymann fügt nachdrücklich hinzu: „Vielfalt gehört zum Christsein wesentlich hinzu.“
Aber wenn Vielfalt zum Christsein gehört, dann auch der Konflikt, das Ringen um Positionen und um einen gemeinsamen Weg. „Synodalität ist eine Herausforderung“, sagt der geistliche Begleiter. Aufeinander zu hören, sei schwierig. Aber auch das Sprechen ist nicht ohne. Paulus sagt im Korintherbrief, er wolle das Evangelium verkünden, „aber nicht mit gewandten und klugen Worten“. Ist es aber nicht gerade das, was in der Synodalversammlung zählt? „Paulus war ganz sicher Redner und Schreiber von gewandten und klugen Worten“, sagt Siegfried Kleymann. „Für mich erhält dieser Satz die Mahnung: Wähle Worte, die nicht manipulieren; sprich so, dass Christus durchscheinen kann.“