Anfrage zu einem Motiv auf dem Stundenbuch

Was bedeutet das sechsspeichige Rad?

Image

Unsere Stundenbücher haben auf dem Umschlag ein sechsspeichiges Rad aufgeprägt. Ein ähnliches Bild gab es als Hungertuch. Was bedeutet es? G. Fröchte, Krefeld

Ein Stundenbuch liegt aufgeschlagen auf einem Tisch.
Um ein Motiv auf einem Stundenbuch dreht sich die Anfrage eines Lesers. 

Das Rad, das auf dem Kleinen Stundenbuch nur in Umrissen skizziert ist, soll als Teil eines größeren Meditationsbildes vom heiligen Niklaus von Flüe (1417-1487) persönlich stammen. Misereor hat es 1980 und 1998 als Hungertuch in den Blick gerückt.

Eine frühe Auslegung bietet der Freiburger Theologe Heinrich Gundelfingen, der um das Jahr 1480 im „Pilgertraktat“ von einem Besuch bei Niklaus berichtet. Demnach bezeichnete Niklaus das Bild als „Buch, darin ich lerne“ und deutete es als Beschreibung Gottes. 

Von dem gekrönten Christus in der Mitte gehen Strahlen aus, die nach außen hin abwechselnd spitz und flach zulaufen: eine Bewegung aus der Mitte – hin zur Mitte. Die dreifach zur Mitte hinlaufenden Strahlen könnten mit der Dreifaltigkeit Gottes verbunden werden; die von der Mitte nach außen verlaufenden Strahlen als Hinwendung Gottes zu den Menschen und zur ganzen Schöpfung.

Auf dem Meditationsbild sind dort, wo die Strahlen den äußeren Kreis erreichen, sechs Medaillons zu sehen, die auf die Werke der Barmherzigkeit schließen lassen könnten. 

Die Skizze auf dem Stundenbuch zeigt nur die Kreise und die unterschiedlich spitz zulaufenden Strahlen und sieht wie ein Rad mit sechs Speichen aus. Im Stundenbuch steht als mögliche Meditationsanregung: „Der Kosmos hat eine Mitte. Aus ihr kommt alles. Zu ihr führt alles. Um sie kreist unser Leben.“ Damit kann die Skizze eine Hilfe sein, die Beziehung zu Gott zu meditieren. Sie ist womöglich gleichzeitig ein Verweis auf das große Meditationsbild, das zur weiteren Betrachtung dienen soll. 

Das Original, das auch als „Meditationstuch des Bruder Klaus“ oder „Sachsler Meditationstuch“ bezeichnet wird, liegt unter Verschluss in der Schweizer Gemeinde Sachseln. Eine Nachbildung ist in der dortigen Kirche zu sehen.

Michael Kinnen