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Was bedeutet der Vers "Seht, das Lamm Gottes"
Vor der Kommunion beten wir immer: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt.“ Was bedeutet das genau? Ein Leser aus Gera
Der Vers „Seht, das Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt“ ist ein Zitat aus dem Johannesevangelium (1,29.36). Johannes der Täufer sagt den Satz über Jesus, als er ihn am Ufer des Jordan sieht. Der Evangelist legt damit dem Täufer einen theologischen Gedanken in den Mund, der sich im ersten christlichen Jahrhundert entwickelt hat.
Die Vorstellung vom „Lamm Gottes“ kommt eigentlich aus dem Alten Testament. Dort ist das Lamm ein übliches Opfertier, das im Tempel dargebracht wird. Am bekanntesten sind vielleicht die Pessah-Lämmer, deren Blut in der Nacht des Auszugs der Israeliten aus Ägypten auf Gebot Gottes hin als Schutzzeichen vor dem Todesengel an den Türpfosten gestrichen wurde.
Auch der Gedanke, dass ein Tier die „Sünde der Welt“ hinwegnimmt, ist sehr alt. Am Fest „Jom Kippur“, dem Tag der Sündenvergebung im Judentum, machte der Hohepriester die Sünden des Volkes Israel bekannt und übertrug sie durch Handauflegen symbolisch auf einen Ziegenbock. Mit dem Vertreiben des Bocks in die Wüste wurden diese Sünden mitverjagt (Levitikus 16).
Beide Gedanken werden in neutestamentlicher Zeit auf Jesus übertragen. Er ist das „Lamm Gottes“, das unschuldig geopfert wird. Die Welt wird erlöst „mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“, wie es im ersten Petrusbrief (1,19) heißt. Und in der Offenbarung des Johannes nimmt die Vorstellung des Lammes, das hier identisch mit Jesus Christus ist, einen breiten Raum ein (zum Beispiel: Offenbarung 5). Gleichzeitig wird dieses unschuldige Opferlamm zum Sündenbock, das (bis heute) die Sünde der Welt hinwegnimmt.
Symbolhaft wird der Gedanke noch einmal dadurch deutlich, dass die Gemeinde das „Lamm Gottes“ singt oder betet, während der Priester am Altar die Hostie in Stücke bricht – idealerweise in viele Stücke, nicht nur in zwei. Das zeigt: Das Lamm Gottes hat sich am Kreuz zerbrechen lassen für das Heil der Welt. Und daran haben wir in der Kommunion Anteil.
Von Susanne Haverkamp