Der Praxistest zu Pfingsten

Was ist Ihre Geistesgabe?

Wir müssen weg von der priesterzentrierten Kirche – das hört man heute oft. Die Getauften müssen ihre Begabungen, ihre Charismen einbringen, ist auch so ein Satz. Machen wir zu Pfingsten den Praxistest.

„Ich kann doch nix!“ – In dieser Bescheidenheit üben sich viele, auch viele Christen. Allein: So funktioniert die Kirche nicht. Und: Es stimmt auch nicht. Die Pfingstlesung aus dem ersten Korintherbrief sagt es sehr ausdrücklich: Es gibt verschiedene Gnadengaben, verschiedene Dienste, verschiedene Kräfte, aber nur den einen Geist. Und die Kirche ist wie ein Leib mit vielen Gliedern – vom Auge bis zum kleinen Zeh. Nur wenn jeder seinen Platz findet und seinen Platz einnimmt, funktioniert der Leib Christi. Heute noch mehr als früher, als man den Priestern gleich alle Gnadengaben auf einmal zusprach – oder soll man sagen: zumutete? Daher an Pfingsten die Frage an Sie: Welches Charisma, welche Begabung, welches Talent haben Sie – und könnten Sie es nutzen, um den Leib Christi am Leben zu erhalten?

Ich kann besonders gut mit Kindern.
Dann könnten Sie das Kindermessteam verstärken. Oder Erstkommunionkinder begeistern. Oder im Kindergarten Vorlesestunden anbieten. Oder Flüchtlings- und anderen Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Es gibt viele Kinder, die Unterstützung brauchen.

Ich kann besonders gut mit Zahlen.
Dann könnten Sie doch im Kirchenvorstand mitarbeiten. Oder den Jugendlichen bei der Abrechnung des Zeltlagers helfen. Oder Familien bei der Budgetplanung beraten. Oder in einem Verband die Kasse prüfen. Es gibt viele, die sich ausgesprochen schwertun mit Finanzen.

Ich kann besonders gut mit Blumen.
Dann könnten Sie doch die Kirche oder Friedhofskapelle mit Blumen schmücken. Oder die Wiese vor der Kirche neu gestalten. Grüne Daumen werden gesucht.

Ich kann besonders gut zuhören.
Dann könnten Sie doch Alte, Einsame oder Kranke besuchen, Menschen, die keine Angehörigen haben. Oder Sie könnten sich in der Telefonseelsorge engagieren. Es gibt so viele Menschen, die dringend jemanden brauchen, der zuhört.

Ich kann besonders gut trösten.
Dann begleiten Sie doch Trauernde. Oder engagieren Sie sich in der
Hospizarbeit. Oder kümmern Sie sich um Menschen, die es schwer haben, weil sie vielleicht geflüchtet, körperlich oder seelisch beeinträchtigt sind oder große familiäre Sorgen haben.

Ich kann besonders gut mit Musik.
Dann engagieren Sie sich doch in Projekt- oder sonstigen Chören. Oder singen Sie mit Kindern oder mit Bewohnern des Altenheims. Oder begleiten Sie Gottesdienste musikalisch – auch eine Gitarre ist schön, wenn vielleicht werktags mal ein Organist fehlt.

Ich kann besonders gut Leute motivieren.
Dann wäre vielleicht der Pfarrgemeinderat etwas für Sie. Oder das Leitungsteam eines Verbandes. Oder der Elternrat in Kindergarten oder Schule. Andere zu begeistern und zu motivieren mitzumachen, ist entscheidend.

Ich kann besonders gut mit Behörden.
Dann gehen Sie doch in den Kirchenvorstand. Oder helfen Sie Menschen, die mit Anträgen von Krankenkasse bis zu Wohngeld nicht klarkommen. Oder geben Sie Ratschläge, wo für welches Projekt Zuschüsse einzuwerben sind. Viele Gruppen wären für solche Tipps dankbar.

Ich kann besonders gut im Hintergrund mithelfen.
Dann fragen Sie doch, wo in der Gemeinde, im Kindergarten oder bei der Caritas eine helfende Hand gebraucht wird. Seit es kaum noch Hausmeister oder Küster gibt, ist noch mehr zu tun, und diejenigen, die ohne viele Worte einfach anfassen, werden überall gebraucht. Sage niemand, Stühleschleppen oder Rasenmähen sei unwichtig!

Ich kann besonders gut kochen und backen.
Dann freut sich das Pfarrfest auf Ihre Beiträge. Oder gründen Sie einen kleinen Mittagstisch für Senioren. Oder verstärken Sie das Kochteam auf Kinderfreizeiten. Oder stellen Sie ein Kochbuch zusammen und verkaufen es für einen guten Zweck. Oder machen Sie mit bei der Obdachlosenspeisung. Gut und vielleicht sogar in Gemeinschaft zu essen, ist wichtig für das Wohlbefinden.

Ich kann besonders gut ...
Mit Computern? Veranstaltungen organisieren? Vorlesen? Nähen? Gute Laune verbreiten? Oder noch etwas ganz anderes? Und könnte es sein, dass genau meine Begabung meiner Gemeinde, meiner Kirche fehlt?

Keiner kann alles, niemand kann nichts.

Wo wird es nur hingehen mit unserer Kirche?, sorgen sich viele. Vielleicht zu Unrecht. Denn wenn immer mehr Getaufte erkennen, dass nicht die Priester und hauptamtlichen Mitarbeiter die Einzigen sind, die Begabungen haben, wird die Kirche vielleicht noch vielfältiger, bunter, lebendiger. Mit Talenten, die wir heute noch gar nicht kennen. Mit Mut, den wir heute noch gar nicht haben. Mit Menschen, denen wir heute noch gar nichts zutrauen.

Ach, übrigens, liebe Pfarrer und liebe Hauptamtliche: Wenn demnächst Leute zu Ihnen kommen, die ihre Begabungen und Talente einbringen wollen: Weisen Sie sie nicht ab. Denn auch so etwas soll schon vorgekommen sein. Sagt man.

Von Susanne Haverkamp