30 Jahre katholischer Katechismus
Was müssen wir glauben?
Vor genau 30 Jahren ist er erschienen: der Katechismus der Katholischen Kirche. Sein Anspruch: festzuhalten, was katholisch ist; nicht Meinung einzelner Theologen, sondern verbindliche Lehre weltweit. Ob das gelingen kann, ist heute offener denn je.
Das Wort „Katechismus“ hat nicht zufällig Ähnlichkeit mit „Katechese“. Denn ursprünglich war er ein Hilfsmittel für Erwachsene, die den christllichen Glauben annehmen oder vertiefen wollten – vergleichbar mit der heutigen Erstkommunionmappe.
Diese pädagogische Unschuld hat er spätestens in der Reformationszeit verloren. Damals gab Martin Luther seinen Katechismus heraus – um den evangelischen Christen zu erklären, was sie ab jetzt zu glauben haben. Der „Kleine Katechismus“ für Jedermann war ein Riesenerfolg – und natürlich zog die katholische Kirche nach: Der „Catechismus Romanus“ von 1566 schrieb fest, was – im Gegensatz zur Ketzerei – katholisch ist.
Gut 400 Jahre später hatte sich einiges geändert. In der Naturwissenschaft, in der Gesellschaft, in der Theologie. Vor allem war die Theologie diverser geworden. Befreiungstheologie, autonome Moral, historisch-kritische Bibelauslegung: Wo bleibt da die Einheit, fragten sich Papst Johannes Paul II. und Kardinal Joseph Ratzinger, ab 1982 Chef der Glaubenskongregation. Und setzten das Kirchenrecht von 1983 und den neuen Weltkatechismus als „zwei Pfeiler“ eines „notwendigen großen Projekts zur Stabilisierung der katholischen Kirche“, wie der Theologe und Journalist Ulrich Ruh sagt.
Herausgekommen ist ein mehr als 800 Seiten starkes Werk mit 2856 Abschnitten voller Zitate und Fußnoten. Wer es studiert, wird tatsächlich alles finden, was katholische Lehre ist. Von der Jungfräulichkeit Mariens, über die Schlüsselgewalt zur Sündenvergebung bis zum Priestertum des Mannes ist er, wie es im Vorwort heißt, „sichere Norm“ für die Glaubenslehre“.
Erst 2018 ist der Passus zur Todesstrafe geändert worden
Geliebt wurde er dafür nie. Kritik gibt es insbesondere am dritten Teil, in dem es um das praktische Christenleben geht. Wie schwierig es ist, christliches Verhalten weltweit im Detail zu definieren, zeigen mehrere Beispiele. Etwa die Todesstrafe: Weil sie dem Rechtsempfinden in manchen Ländern und Kulturen entspricht, blieb sie im Katechismus als letztes legitimes Mittel im Rechtsstaat bestehen – bis Papst Franziskus 2018 den Passus ändern ließ.
Oder die Abtreibung: Sie ist im Katechismus absolut verboten, unter Androhung der Exkommunikation auch im Fall von Vergewaltigung – was mit Blick auf die psychische Gesundheit der Frauen bis hin zur Suizidgefahr umstritten ist.
Bei der Homosexualität ist die Bewertung in verschiedenen Kulturen so unterschiedlich, dass eine einheitliche Lehre kaum vorstellbar ist.
So richtig es ist, Leitlinien zu beschreiben, so wenig ist heute einsichtig, dass absoluter Gehorsam diesen Leitlinien gegenüber Katholikenpflicht ist. Das ist der Schwachpunkt des Katechismus.
Von Susanne Haverkamp