Jahresserie 2019 – Folge 7
Was wir mit dem Körper mitteilen
Informationsaustausch – das klingt sachlich. Doch im Gespräch gibt es unbewusste Körpersignale, die jeder aussendet und empfängt. Christian Morgenweck hat sich der nonverbalen Kommunikation verschrieben. Er schult Interessierte in der Sprache des Körpers. Ein Beitrag zur Jahresserie „Wir müssen reden“. Von Evelyn Schwab.
Der Experte ist Mitte 20, trägt Jeans mit Poloshirt und lächelt sympathisch. Ich treffe mich mit Christian Morgenweck in der Redaktion, um in anderthalb Stunden so viel wie möglich über nonverbale Kommunikation zu erfahren.
Bald nach dem wir Platz genommen haben, wird Elementares für gute Gesprächsführung ausprobiert. Die Stühle am Tisch stehen sich gegenüber. „Das ist üblich“, meint Morgenweck. Doch die Sitz-Position über Eck führe zu einem entspannteren Reden.
Wie fühlt sich ein Mensch, mit dem ich reden möchte? Ist er unsicher? Dann knetet er seine Hände, streicht sich über den Nacken, fährt sich durch die Haare oder reibt an den Armen. Was machen die Füße? Stehen sie gelassen und fest auf dem Boden? Oder verschränken sie sich verkrampft mit den Stuhlbeinen? Christian Morgenweck spielt die jeweilige Situation an Beispielen durch. Warum macht der Körper das?
Wissenschaftler unterscheiden zwischen Emotionen und Gefühlen. Erstere sind Reaktionen des Körpers auf einen Reiz, letztere die Verarbeitung davon im Gehirn. Angst etwa in einer Gefahrensituation entsteht zweimal über unterschiedliche Mechanismen. Erstens blitzschnell als Situationsanalyse und zweitens deutlich langsamer, um zu verstehen, was geschieht. Über das flinke Emotionszentrum antwortet der Körper unmittelbar mit drei Grundmustern: Kampf, Flucht oder Schockstarre.
„Wir reagieren sofort und vor dem Denken“, so Morgenweck. Das war in den Anfängen der Menschheit sinnvoll für das Überleben. Unter Stress kommt diese angeborene Körperreaktion wieder durch. „Wer die Füße seitlich zum Geschehen stellt, würde am liebsten flüchten“, verrät der Experte. Mit den kleinen Bewegungen, also dem Kneten der Hände, Zupfen der Haare oder Streichen des Nackens, werden die Stress-Substanzen im Blut wieder abgebaut. Eine Beruhigungsreaktion. Gelassen sind Menschen, die eine unsymetrische Haltung einnehmen. Morgenweck steht auf, stellt sich auf einen Fuß und positioniert die Spitze des anderen lässig dahinter. Das mache jemand, der von sich glaube, nicht so leicht aus der Balance zu kommen.
Es gibt bei jedem sieben Basisemotionen
Unbewusst deuten wir also ständig die Körperreaktionen des Gesprächspartners, gleichzeitig senden wir dem anderen über den eigenen Körper Informationen. Morgenweck weißt darauf hin, dass es sieben Basisemotionen gibt, die jeder Mensch erkennt, egal aus welcher Kultur er stammt. Morgenweck: „Freude, Traurigkeit, Überraschung, Ekel, Furcht, Wut und Verachtung.“ Auch diese Interaktionsmittel stammten aus der Frühzeit des Menschen.
Etwa 200 Millisekunden dauern solche Mikroausdrücke. Wer es schafft, sie zu lesen, kann Gesagtes und Gemeintes unterscheiden. Der Trainer spricht vom „Raubtierlächeln“, das jemandem für Bruchteile einer Sekunde enthuscht, wenn der sich freut, andere übervorteilt zu haben. Oder vom Hauch der Verachtung im Gesicht.
Morgenweck: „Man kann Gespräche anhand der Körpersprache reflektieren und nachfragen: Was genau war da los?“ Sind Disharmonien zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten zu erkennen? Dann Vorsicht! Andererseits lassen sich die nonverbalen Signale auch nutzen, um generell ein gutes Gesprächsklima herzustellen. „Man sollte den menschlichen Kontakt nicht verlieren“, so der Körpersprache-Fachmann. Wirkliches Interesse am anderen zeigen. Mit einem ernst gemeinten Lächeln entwaffnen. „Sei authentisch“, lautet der Ratschlag von Morgenweck. „Deine nonverbale Kommunikation verrät dich ja sowieso.“
Passt mein Gesichtsausdruck zu meiner eigentlichen Meinung? Grundstimmungen, Vorurteile, Vorgeschichten und Automatismen bestimmen ein Gespräch wahrscheinlich mehr als alle gesagten Worte. Wer bewusst versucht, den Körper des Gesprächspartners während des eigenen Sprechens zu lesen, der versteht die Dynamik besser. Und dann fällt es vielleicht einfacher, ehrlich zu sich selbst zu sein.
„Jeder sechste Satz ist gelogen“
Aber angenommen, mein Gegenüber ist mir nicht wohlgesonnen. Wie erkenne ich das? „Jeder sechste Satz, der gesagt wird, ist gelogen“, so Morgenweck. Fast ein Drittel aller Menschen finde es gerechtfertigt, mit einer Lüge persönliche Ziele zu erreichen. Die Lüge lasse sich jedoch recht gut erkennen. Es komme dabei „zur Kirmes im Kopf“. Das zur Täuschung Ausgedachte muss man sich merken, glaubwürdig vortragen und mit stimmigen Körpersignalen untermauern. Darin sei niemand perfekt. „Wer gut im Präsentieren ist, macht Fehler beim Inhalt. Wer den Inhalt verinnerlicht hat, dem entgleist die Stimmlage oder die Körpersprache.“ Laut Morgenweck gibt es eine Faustformel: „Körperteile sind umso ehrlicher, je weiter sie vom Kopf entfernt sind. Am wenigsten lügen die Füße.“
ZUR SACHE: Wie der Körper lügt: Hölzerner Ausdruck, kalte Füße
Nur „heimliches Hobby“ war für Christian Morgenweck im Teenageralter die Körpersprache. Er wollte bei Gleichaltrigen „nicht als Spinner“ gelten. Mit 14 fing er an, alles darüber zu lesen, was er in die Finger bekam – und behielt sein Wissen zunächst für sich.
Seit April 2014 arbeitet der gelernte Metallbauer und Bürokaufmann aus Tann in der Rhön als „Professional Speaker“. Sein, heimliches Talent hat er zur beruflichen Stärke entwickelt. Der Lügen-Erkennung über Körpersprache gehört Morgenwecks Hauptinteresse.
Wie geht er vor, um Unwahrheiten zu erkennen? Als erstes muss die Baseline einer Person erstellt werden: das normale Bild ihrer speziellen Körpersprache. Vor diesem Gesamthintergrund lässt sich mit Vergleichen arbeiten. Anhand gezielter Fragestellung unter Beobachtung des Verhaltens kann man ablesen, wann jemand lügt.
„Beim Lügen wird die Körpersprache hölzern“, sagt Morgenweck. Der Mensch wirke kleiner und bedeckter. Generell werde der nonverbale Ausdruck vernachlässigt, wenn jemand Informationen bewusst weglasse oder verfälsche. Durch gezieltes Nachfragen ließen sich Widersprüche entdecken. Der Klassiker: Das Geschehen rückwärts erzählen lassen.
Abweichend zur Baseline gerät die Stimme eines Lügners höher oder zittriger. Eine Geschichte wird emotionslos berichtet? Dann könnte sie gelogen sein, denn es gibt keine erlebte Vorlage für Gefühle. Wer die Unwahrheit sagt, bei dem sinkt die Temperatur der Extremitäten: Dieser Mensche bekommt die sprichwörtlichen kalten Füße. Korrekturen beim Erzählen sind dagegen Anzeichen für die Wahrheit: Da legt jemand Wert auf den korrekten Ablauf, dem Lügner wäre das egal.
Doch Vorsicht sei geboten, um nicht vorschnell zu deuten oder falsch zu liegen. Immer bleibe der inhaltliche Zusammenhang entscheidend. Von einzelnen Gesten lasse sich nichts Genaues ableiten. Morgenweck nennt den „Othello-Fehler“: Der Lügner steht unter Stress aus der Sorge heraus, entdeckt zu werden. Die Emotionen eines Unschuldigen ähneln denen eines Lügners – allein aus Angst.
Wer sich für das Thema Lügen-Erkennung interessiere, dem rät Morgenweck, sich in „kleinen Häppchen“ zu schulen. Hochinteressant seien Einblicke in die Körperspache von Prominenten, die nachweislich gelogen hätten. Auf Youtube gebe es etliche Beispiele. (ez)
Kontakt: Christian Morgenweck,
Kastanienweg 11, 36142 Tann (Rhön)
Telefon 06682 / 9 18 31 65
E-Mail: info@christian-morgenweck.com
Internet: www.christian-morgenweck.com