Viele Optionen für Privatsekretär von Benedikt XVI.
Was wird aus Erzbischof Georg Gänswein?
Seit 2002 war Georg Gänswein der persönliche Assistent an der Seite von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Nach dessen Tod fragen viele, was aus dem prominenten Kirchenmann wird.
Noch einmal konnte Erzbischof Georg Gänswein in den letzten Tagen im Petersdom in seine frühere Rolle schlüpfen. Neben dem aufgebahrten Leichnam von Benedikt XVI. sprach er mit Ehrengästen, die jenseits der langen Reihe von Pilgern gekommen waren, um dem einstigen Papst die letzte Ehre zu erweisen. Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella war direkt am Montagmorgen im Petersdom, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni kam ebenfalls, und dann viele mehr oder weniger prominente Gesichter aus Italien und dem Vatikan, später auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und andere.
Viele kondolierten Gänswein, mit manchen sprach er länger. Fotos zeigen, wie er sich mit Meloni, Orban und anderen unterhält - ganz wie in früheren Jahren, als Gänswein noch das Amt des "Präfekten des Päpstlichen Hauses" ausübte.
Damals war der gebürtige Schwarzwälder eine Art vatikanischer Protokollchef. Er geleitete Staatsgäste wie Präsident Barack Obama oder Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Papst. Das wichtige Amt des Haus-Präfekten hatte ihm Benedikt XVI. kurz vor seinem Rücktritt vom Papstamt verliehen und ihn zum Erzbischof befördert - wohl wissend, dass er selbst bald nicht mehr Papst sein würde.
Nach der Wahl von Papst Franziskus war Gänswein dann knapp sieben Jahre lang "Diener zweier Päpste". Er wohnte mit dem früheren Papst in dem kleinen Kloster "Mater Ecclesiae" in den vatikanischen Gärten, erledigte für ihn die Post und organisierte die zahlreichen Besuche dort. Doch im Hauptberuf war er weiter Präfekt des Päpstlichen Hauses und für Staatsbesuche ebenso zuständig wie für den kleinen päpstlichen "Hofstaat".
Die Beziehung zwischen ihm und dem Papst aus Argentinien verlief nicht frei von Spannungen. Einmal lud ihn Franziskus bei einem wichtigen Termin kurzfristig aus, seither war klar, dass es knirschte. Zu einer regelrechten Zäsur kam es, als Franziskus ihn im Februar 2020 offiziell vom Amt des Präfekten "beurlaubte", damit er sich künftig ganz dem emeritierten Papst widmen könne, dessen Gesundheitszustand damals bereits allmählich nachließ.
Vorausgegangen war ein Streit um ein Buch des konservativen Kardinals Robert Sarah zur Verteidigung des Zölibats. Zunächst hieß es, Benedikt XVI. sei ein Mitherausgeber des Buches - was der amtierende Papst offenbar nicht guthieß. Welche Rolle Gänswein spielte, ist bis heute nicht restlos geklärt.
Fest steht, dass er seit Januar 2020 nicht mehr als Haus-Präfekt im Vatikan in Erscheinung getreten ist. Die Beurlaubung wurde jedoch nie "offiziell gemacht". Bis heute steht Gänswein im Päpstlichen Jahrbuch als Präfekt des Päpstlichen Hauses - ohne Hinweis auf seine Beurlaubung. Deshalb ist eine Rückkehr in die aktive Rolle des Präfekten keineswegs ausgeschlossen.
Zu jung für den Ruhestand
Mit 66 Jahren ist Gänswein jedenfalls zu jung für den erzbischöflichen Ruhestand, denn der tritt in der Regel erst mit 75 Jahren ein. Deshalb spekulieren Vaticanisti schon seit längerem darüber, ob sein nun noch einziger Dienstherr Papst Franziskus künftig noch anderes für ihn in petto hat.
Der im Vatikan gern bemühte Rückgriff auf historische Präzedenzfälle kann auch im Falle Gänsweins hilfreich sein. Angesichts der kirchenpolitischen Lage ist es zwar schwer vorstellbar, dass Franziskus ihn auf einen wichtigen Bischofsposten in der Heimat befördert - so wie es Benedikt seinerzeit mit dem Privatsekretär seines Vorgängers machte, als er Stanislaw Dziwisz im Juni 2005 zum Erzbischof von Krakau ernannte.
Eine mögliche Variante wäre allerdings die Ernennung Gänsweins zum Bischof in Bayern. Denn anders als in anderen deutschen Landen kann der Papst in den bayerischen Bistümern weitgehend frei entscheiden, wen er dort zum Bischof ernennt.
Eine Stufe darunter wäre die Ernennung zum Leiter einer großen Wallfahrtsstätte, wovon es nicht nur in Bayern einige gibt. Damit würde Gänswein dann in die Fußstapfen gleich zweier päpstlicher Privatsekretäre der vergangenen Jahrzehnte treten: Der getreue Assistent von Johannes XXIII., Loris Capovilla, wurde vom Nachfolger-Papst Paul VI. zunächst zum Erzbischof von Chieti und später zum "Päpstlichen Delegaten" für den großen italienischen Marienwallfahrtsort Loreto ernannt - und blieb dort bis 1988. Dann übernahm ein anderer ehemaliger päpstlicher Privatsekretär diese Stelle: Pasquale Macchi, der seinerseits Paul VI. gedient hatte.
Denkbar wäre auch die Entsendung Gänsweins als Apostolischer Nuntius an einen "angemessenen" Posten - vorzugsweise in Europa oder auf dem amerikanischen Kontinent. Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett hat der polyglotte Kirchenjurist in seiner aktiven Zeit als Präfekt des Päpstlichen Hauses reichlich gesammelt.
Eine weitere Variante wäre eine Lehrtätigkeit als Kirchenrechtler an einer der Päpstlichen Universitäten in Rom. Zunächst aber sorgte er in mehreren Interviews zu Benedikt XVI. für Aufsehen und dadurch, dass mehrere Bücher mit seiner Mitwirkung angekündigt wurden - unter anderem "Nichts als die Wahrheit". Laut Verlagsankündigung enthüllt Gänswein darin unter anderem "die Wahrheit über die Manöver und Angriffe, die während des Pontifikats gegen den damaligen Papst in Gang gesetzt wurden".
kna