Interview
"Wein wird meist in Geselligkeit getrunken"
Weinhof Brinkmann
Stimmt es, dass die Norddeutschen lieber Bier trinken statt Wein?
Man kann das natürlich nicht verallgemeinern. In den Weinregionen wird sicherlich mehr Wein getrunken. Hier im Norden machen wir aber die Erfahrung, dass mancher unseren Wein probieren möchte, weil es sich um ein regionales Produkt handelt. So kann man auch den einen oder anderen Biertrinker ab und zu mal bekehren.
Ist es gut, dass wegen steigender Temperaturen auch im Norden Wein angebaut werden kann oder sollte es uns beunruhigen, weil es ein Zeichen für den Klimawandel ist?
Es stimmt, man darf das auch als Anzeichen für den Klimawandel sehen. Aber das Thema hat natürlich viele Facetten und ich halte den Klimawandel persönlich nicht auf, deswegen müssen wir darauf reagieren und einstellen. Der Lohnunternehmer aus Würzburg, der im vergangenen Jahr unseren Weinberg angelegt hat, ist anschließend nach Mittelschweden weitergefahren, um dort zu arbeiten. Das macht mich dann wirklich nachdenklich.
Ist denn so weit nördlich überhaupt Anbau möglich?
Probiert habe ich von dort noch nichts, interessieren würde es mich mal. Wichtig für den Wein sind nicht die Sonnenstunden, von denen hat Skandinavien natürlich im Sommer genug, sondern die Wärme - und da hat nun mal der Süden die Nase vorne. In Niedersachsen kann man aber definitiv sagen: Ja, es ist möglich.
Welche Rolle spielt der Boden?
Der Boden und das Mikroklima sind entscheidend für die Qualität. Weinbau ist auf vielen Böden möglich. Es ist die Kunst des Winzers, sich auf den Boden einzustellen, auf dem die Rebe wächst und es ihr an diesem Standort an nichts fehlt.
Also könnte Wein auch auf den Nordseeinseln wachsen?
Das „könnte“ können Sie streichen. Der nördlichste Weinberg Deutschlands steht auf Sylt. Nach dem, was ich höre, funktioniert es. Und auf Sylt lässt sich die Flasche dann auch für einen sehr guten Preis verkaufen.
Machen Sie Werbung unter Landwirten für den Weinbau?
Das muss jeder selbst wissen, das gilt genauso für Schweinemast oder Getreideanbau. Ich habe in der Ausbildung gemerkt, dass ich an meiner Sauenhaltung keine Freude hatte, deshalb habe ich mich umorientiert. Inzwischen dreht sich mehr um die Vermarktung als um den Anbau. Natürlich steht der Anbau noch im Fokus, die meiste Arbeit macht aber inzwischen die Vermarktung.
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ – hat dieser Satz aus dem Evangelium eine persönliche Bedeutung?
Kirche und Religion spielen in meinem Leben schon eine Rolle, und der Weinberg ist auch tatsächlich gesegnet worden. Ich kenne das Zitat, es ist aber etwas verwirrend formuliert. Denn der Weinstock ist dasselbe wie die Rebe und beschreibt die Pflanze als Ganzes. Eher müsste es heißen: Ich bin der Stamm, ihr seid die Ruten (also die Seitenarme), an denen der Ertrag wächst. Inhaltlich ist es natürlich so, dass man nur dann Ertrag bringen kann, wenn die Basis, also die Wurzeln, kräftig sind. Da sehe ich schon Parallelen zwischen Bibel und Biologie.
Kann man im Weinbau ein religiöses Thema sehen?
Ja, denn sowohl Religion als auch Weinbau haben mit Gemeinschaft zu tun. Im Gottesdienst haben wir Gemeinschaft, Wein wird meist in Geselligkeit getrunken. Und: Meinen Weinberg kann ich nicht alleine betreiben, da brauche ich immer Unterstützung. Einmal von der Familie, oder auch zur Lese. Vor ein paar Tagen kamen 80 freiwillige Erntehelfer, ohne die das nicht gegangen wäre.
Interview: Matthias Petersen
Zur Person:
Jan Brinkmann (28) ist Weinbauer in Bad Iburg (Landkreis Osnabrück) und Vorsitzender des niedersächsischen Weinbauernverbandes.
Zu diesem Thema finden Sie in der gedruckten Ausgabe des Kirchenboten "Die ersten Reben wachsen gut". Ein Beitrag von Petra Diek-Münchow.