Wahlen Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand

Weniger Lust auf Gremien

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Tendenziell eher vorsichtig bereiten sich die Gemeinden im Bistum auf die Gremienwahlen am 5. und 6. November vor. Viele reduzierten die Anzahl der Plätze in Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bereits im Vorfeld. Die Suche nach Kandidaten gestaltete sich teilweise schwierig, ist nun aber abgeschlossen. 


Oft konnte die Kandidatensuche erfolgreich mit Themen verbunden werden.

Etwa 30 Prozent der Gemeinden sind gut bis sehr gut versorgt, 70 Prozent haben wenige bis keine Kandidaten für den Pfarrgemeinderat gefunden. Die Kirchenvorstände haben weniger Abbrüche. 

Diese Zahlen sind das nicht repräsentative Ergebnis einer kleinen Kibo-Umfrage, werden aber von Mechtild Revermann und Stefan Bange aus dem Bereich Gemeindenentwicklung im Seelsorgeamt des Bistums tendenziell bestätigt. Sie markieren einen Wandel, der sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet habe, erklären sie: „Es wird künftig eine bunte Landschaft von Formaten geben und viel Neues entstehen.“ Wo kein Pfarrgemeinderat gebildet werde, müsse der Kirchenvorstand einen Teil der Aufgaben mit übernehmen, anderes werde projektorientiert von verschiedensten Menschen aus den Gemeinden begleitet. 

Für Christiane Becker, Pfarrbeauftragte der Pfarreiengemeinschaft Fürstenau, ist genau dieses bunte, vielfältige Arbeiten ein wichtiger Spiegel der Gesellschaft. „Wir haben ja Menschen – nur an anderen Stellen. Wir wollen die Leute nicht unter Druck setzen, sondern positiv die Dinge voranbringen. Das ist viel mehr wert als eine volle Liste“, sagt sie. Sowohl in ihrer Pfarreiengemeinschaft als auch bei Stefan Unland, Pfarradministrator der Pfarreiengemeinschaft a.T.W., wird es an verschiedenen Standorten künftig keinen Pfarrgemeinderat geben. „Viele Menschen wollen sich nicht mehr für so lange Zeit binden“, erklärt Unland. Becker ergänzt: „Als klar war, dass es zu wenige Kandidaten sind, haben uns am betroffenen Standort auf die Bildung eines Kirchenvorstandes fokussiert, damit wir dort selbstständig bleiben können.“ Mutlos sind beide nicht – im Gegenteil: „Es ist jetzt ja nicht so, dass wir den Laden deswegen dichtmachen müssen.“ Nur zu kandidieren, um das Gremium zu ermöglichen, hält Stephan Unland für die falsche Motivation. „Wir werden künftig mit denen, die etwas tun möchten, projektorientiert arbeiten und Gemeinde vor Ort gestalten.“ 

Für ihn ist eine spannende Aufgabe, für Hildegard Revermann sogar ein Blick in die Zukunft. „Ist nicht projektorientierte Arbeit viel sinnvoller als die Arbeit in einer geschlossenen zeitlich begrenzten Gruppe wie dem Pfarrgemeinderat?“, fragt sie. „Die nächsten vier Jahre sind auch dazu da, die Arbeit zu reflektieren und umzugestalten.“

Ein Blick ins Bistum zeigt: Auch Fusionen können entstehen. Für einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat haben sich die drei Gemeinden St. Vitus, St. Josef  und St. Antonius Abt (Pfarreiengemeinschaft Meppen-Süd) entschieden – unter anderem auch, weil die Suche nach genügend Kandidatinnen und Kandidaten für drei Gremien schwierig gewesen wäre.  In der Meppener Propsteigemeinde St. Vitus hören nach Worten von Wahlausschuss-Mitglied Jörg Schulte alle Pfarrgemeinderatsmitglieder auf. „Wir haben jetzt sechs Kandidatinnen und Kandidaten aus der Innenstadt und einem der Ortsteile – hatten uns aber eigentlich 16 Personen für das neue Gremium als Ziel gesetzt“, sagt er. Für die zögerliche Bereitschaft sieht er mehrere Gründe. Als erstes nennt er die Pläne des Bistums, in Meppen eine große Stadtpfarrei zu gründen. Er nimmt bei vielen seiner Kolleginnen und Kollegen in den Gremien das Gefühl wahr, bei diesem Beschluss nicht genügend  beteiligt worden zu sein. Als zweites nennt er die insgesamt kirchlich schwierige Situation: „Die Lust, da was zu machen, ist doch weniger geworden.“ Auch die Corona-Pandemie hat seiner Meinung nach Konsequenzen für die Kandidatensuche: „Es ist einfach viel auseinandergebrochen in diesen zwei Jahren.“

Ähnlich äußert sich René Kollai, Pastoraler Koordinator in Meppen-Süd. Auch er sieht neben der geplanten Stadtpfarrei und der Corona-Krise eine gewisse Ernüchterung durch die Probleme der Kirche. „Das ist längst bei uns in den Gemeinden angekommen“, sagt er. Er macht die Entwicklung an einer „frappierenden“ Zahl deutlich. „Im Jahr 2000 hatten wir in der Propstei noch 1362 Gottesdienstbesucher, im Jahr 2020 auf Stadtebene in allen zehn Gemeinden 1400 Besucher.“ Signale von Gemeindemitgliedern, sich in Ortsausschüssen oder punktuell für einzelne Projekte zu engagieren, gibt es laut Kollai dagegen schon. Aber sich verantwortlich für einen längeren Zeitraum an ein Gremium zu binden, das scheuen nach Einschätzung von Kollai zunehmend mehr Menschen.  Dass die Kandidatensuche im Kirchenvorstand in St. Vitus, wie an anderen Orten auch, nicht ganz so schwierig war, liegt seiner Ansicht nach daran, dass dort die praktische Arbeit oft greifbarer und der unmittelbare Erfolg sichtbarer ist. 

Hoffen auf eine gute Lösung

In der St.-Alexander-Gemeinde in Bawinkel wird es nach der nächsten Wahl vermutlich keinen Pfarrgemeinderat (PGR) mehr geben, weil sich nicht genügend Kandidatinnen und Kandidaten für das Gremium gefunden haben. „Wir müssen leider jetzt den Antrag beim Bistum stellen, dass wir keine Wahl zum PGR durchführen können“, sagt Ulla Lübbers, stellvertretende PGR-Vorsitzende. „Es gibt nur vier Bewerberinnen und Bewerber - und wir müssten mindestens fünf haben.“ Schon bei der vorherigen Wahl war die Suche nach ihren Worten schwierig gewesen, sodass die gewünschte Zahl der Mitglieder von vorher 14 auf 7 halbiert werden musste. Und von diesen sieben möchte nun niemand erneut antreten. Lübbers sieht als Gründe vor allem die Gesamtsituation der Institution Kirche. Zudem hört sie oft, dass sich viele für bestimmte Projekte noch einsetzen möchten, sich aber nicht mehr für vier Jahre binden wollen. Trotzdem hatte der bisherige PGR sich sehr frühzeitig bemüht, neue Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Über 200 Bawinkeler sind persönlich angesprochen worden, im Pfarrbrief und den sozialen Medien wurde ordentlich Werbung gemacht – letztlich aber ohne Erfolg. Was nun passiert? Da klingt auch Ulla Lübbers ein bisschen ratlos. „Das ist für uns alle Neuland und das gab es in Bawinkel bisher nicht. Theoretisch wären wir damit auch nicht mehr im Kooperationsrat der Pfarreiengemeinschaft vertreten“, sagt sie. „Aber wir hoffen, irgendwie eine gute Lösung zu finden.“

Es gibt aber natürlich auch viele Gemeinden, die ihre Listen gefüllt haben. So auch in der Pfarreiengemeinschaft St. Barbara im nördlichen Emsland rund um Börger. Für die jeweils vier Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände gibt es überall genügend Kandidaten. „Wir haben zum Teil sogar mehr Bewerberinnen und Bewerber, als wir vorher gedacht hatten“, sagt Pfarrbeauftragte Doris Brinker. „Und diejenigen, die aufhören, machen es fast nur aus Altersgründen.“ Fast alle ausscheidenden Gremienmitglieder hätten ausdrücklich signalisiert, dass sie weiter in den Gemeinden mithelfen wollten. „Das ist richtig fantastisch und bemerkenswert. Sie kehren eben nicht der Gemeinde oder der Kirche den Rücken. Dieses Angebot, weiter aktiv zu bleiben, ist eine tolle Stütze für uns und ein Zuspruch, den man gerade gut haben kann.“

Und zwei andere Aspekte sind der Pfarrbeauftragten bei diesem Thema wichtig: Wertschätzung und Beteiligung.  „Ich bin nicht in der Leitung, um zu sagen, wie es sein soll“, findet Brinker. Sie könne zwar sagen, was aus theologischen und pastoralen Gründen zu bedenken ist. „Aber die Menschen vor Ort, wenn sie alles angehört haben, sind diejenigen, die für ihren Ort entscheiden sollen, was wichtig ist.“ 

Auch wenn es oft nur Bestätigungswahlen sind, sollten Gemeinden offensiv für eine gute Wahlbeteiligung werben. Sie ist ein hohes demokratisches Gut und für die Kandidaten ein guter Start in ihr neues Amt.

Viele Menschen zur Wahl ermutigen

„Es ist ja keine richtige Wahl“, heißt es oft in Gesprächen, wenn Gemeindemitglieder über den Sinn und Unsinn einer Wahl diskutieren, in der es genauso viele Kandidaten wie Plätze gibt. Bei den Gremienwahlen in der Kirche ist dies häufig der Fall. Franz-Josef Tenambergen, Geschäftsführer des Katholikenrates, hält jedoch dagegen: „Es ist trotzdem wichtig, ein Mandat von der Gemeinde zu haben.“ Auch Katharina Abeln appelliert als Vorsitzende des Katholikenrates an alle Gemeindemitglieder, im November zur Wahl zu gehen und den Kandidatinnen und Kandidaten den Rücken mit ihrer Stimme stärken. – „selbst wenn es nur eine Bestätigungswahl ist“. Für sie ist die Gremienwahl ein ganz hohes Gut, „eine Form von Demokratie in der Kirche und eben nicht egal.“ Und sie wünscht sich, dass die Gemeinde kreative Wege finden, um die Bewerberinnen und Bewerber vorzustellen: „Lernt sie einfach kennen!“

Um möglichst viele Menschen zur Wahl zu ermutigen, sei es wichtig, am Wahlwochenende auch aus den Gemeinderäumen herauszugehen. „Auch die Kita kann zum Wahlort werden. Oder Gemeinden stellen ein mobiles Wahllokal am Samstag vor dem örtlichen Supermarkt auf“, schlagen Stefan Bange und Mechtild Revermann vor. „Da erreichen wir die Leute. Wir wollen uns aufmachen zu den Menschen.“ Eine hohe Wahlbeteiligung sei ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung für die Kandidaten und ihre Arbeit.

Auffällige Banner oder Artikel in Zeitungen und Stadtteilblättern könnten darüber hinaus dazu beitragen, die Wahl öffentlicher zu machen. Stefan Bange betont: „Das ersetzt natürlich nicht die persönliche Ansprache.“ Und nach der Wahl? „Da sollte natürlich eine Wahlparty stattfinden.“ Auch eine feierliche Einführung der neuen und eine gute Verabschiedung der alten Mitglieder dürfe nicht fehlen. „Eine gute Begrüßungs- und Verabschiedungskultur hat doch gerade in Corona die Gemeinden zusammengehalten“, so Mechtild Revermann.

Petra Diek-Münchow/Astrid Fleute

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