Teil 7 unserer Credo-Serie

Wenn das Ende kommt

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Unsere Serie zum Apostolischen Glaubensbekenntnis beschäftigt sich mit den Grundpfeilern des christlichen Glaubens. Heute richtet sich der Blick auf die Zukunft, auf unser Ende und das Ende der Welt.

Eine Wandmalerei in einer Kirche zeigt das jüngste Gericht.
"Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten", heißt es im Credo. Sehen wir Jesus beim jüngsten Gericht noch mal wieder? 

Von Susanne Haverkamp

Mit diesem Teil unserer Serie enden die Aussagen über Jesus. Und sie sind noch einmal schwierig, denn sie beschäftigen sich mit ungewissen Fragen: Was ist mit Jesus nach seinem Erdenleben? Wo ist er? Was macht er? Sehen wir ihn noch mal wieder? Und wenn: wann?

Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters

Erinnern Sie sich an „Sofa-Gate“? An diesen Skandal im April, als die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, in Ankara den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan besuchten? Erdogan setzte Michel zu seiner Rechten und von der Leyen weitab aufs Sofa. Deutlicher kann man nicht machen, wer in Erdogans Augen wichtig ist.

Was das mit dem Credo zu tun hat? Eine ganze Menge. Denn schon an orientalischen Königshöfen war der Platz zur Rechten des Königs dem Kronprinzen vorbehalten. Oder dem obersten Minister. In Psalm 110, einem Königslied, heißt es: „Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße.“ 

Wenn deshalb im Neuen Testament (Apostelgeschichte 5,31; Römer 8,34; Kolosser 3,1) der Gedanke „zur Rechten des Vaters“ auf Jesus angewendet wird, dann geht es nicht um ein Sitzmöbel, auch wenn das in der alten Kunst gerne so verstanden wurde. Vielmehr geht es um seine Stellung, seine Bedeutung, seine Funktion: Jesus Christus ist eingesetzt zum König der neuen Gottesherrschaft; er hat unmittelbar Anteil an der Macht „Gottes, des allmächtigen Vaters“.

Aber was macht er mit seiner Macht? Und ist er der Welt so entrückt, wie der Glaubenssatz klingt? Da hilft es, noch einmal an „aufgefahren in den Himmel“ zu denken. Denn nach Matthäus lautet Jesu letzter Satz auf Erden: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern ... Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,18–20) Das bedeutet zweierlei: Erstens ist Jesus nicht entrückt, sondern bei uns. Und zweitens hängt seine Macht unmittelbar mit dem Auftrag an uns zusammen, den Glauben zu verkünden. Wir sind seine Macht auf Erden!

Von dort wird er kommen 

Die Gläubigen in neutestamentlicher Zeit haben fest daran geglaubt, dass Jesus nur kurz entschwunden ist. Dass er schon sehr bald wiederkommen wird, um sein Reich zu errichten. Was mit Blitz und Donner, Feuer und Erdbeben gleichzeitig das Ende der uns bekannten Welt bedeuten würde, aber das machte ihnen keine Angst. „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“ (Lukas 21,28)

Bekanntlich ist dieses Weltenende nicht eingetreten. Schon bei Paulus ist deshalb eine Akzentverschiebung zu erkennen. Ihm geht es weniger um ein äußeres Naturphänomen, sondern um das Ziel: „Dann werden wir für immer beim Herrn sein.“ (1 Thessalonicher 4,17) Dieses Beim-Herrn-Sein kann durch einen apokalyptischen Weltuntergang geschehen, aber eben auch durch den eigenen Tod. „Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn“, sagt Paulus. (Philipper 1,21) Das allgemeine Ende der Weltzeit und das Ende der persönlichen Lebenszeit rücken hier sehr nah aneinander.

Heute ist eine realhistorische Wiederkunft Christi kaum noch im Glaubensbewusstsein. Der Weltuntergang wird als Menschheitsuntergang durch einen Atomkrieg vermutet. Oder als Lebensuntergang durch das Ausglühen der Sonne in einigen Milliarden Jahren. Und dennoch bleibt da diese Frage: Bedeutet „von dort wird er kommen“ mehr als unsere persönliche Christusbegegnung im Tod? Wird es eine Vollendung der Welt, der Geschichte, der gesamten Schöpfung geben?

zu richten die Lebenden und die Toten

Schon in der alttestamentlichen Prophetie wird das Ende der Welt mit dem Weltgericht verbunden. Die neutestamentliche Naherwartung nimmt das auf: Am Ende steht das Gericht über alle, die (dann noch) leben und alle Generationen, die (dann schon) gestorben sind. 

Die Christen der ersten Jahrhunderte freuen sich darauf. „Maranatha – Herr Jesus, komm!“ ist der sehnsuchtsvolle letzte Ruf der Bibel (Offenbarung 22,20). Im Mittelalter dagegen zitterten die Christen vor dem „Dies irae“, dem Tag des Zorns. Das prägt bis heute das Bild vieler.

Die heutige Theologie beschreibt das Gericht als Hoffnungsperspektive. Und das nicht, weil es verharmlost wird, als ob Gott sowieso alles und immer verzeiht. Im Gegenteil, das Gericht ist Hoffnung, weil es Gerechtigkeit in Aussicht stellt. Vor Gott sind alle gleich, die Herren bleiben nicht Herren und die Knechte nicht Knechte. Jeder und jede steht mit derselben Verantwortung vor Gott. Das könnte den Diktatoren und Mördern so passen, dass am Ende alles egal ist. Nein, ist es nicht.

Das Gericht macht auch deshalb Hoffnung, weil es Ansporn ist, im Hier und Jetzt die Welt ein bisschen besser zu machen, statt mit dem Bösen zu paktieren. Damit sind nicht einzelne Werke gemeint, als ob im Gericht eine Have-done-Liste abgearbeitet würde. Vielmehr wird es um mich als Person gehen, um meine Grundhaltung, mein Innerstes. Im Gericht wird sichtbar, wie ich wirklich bin – mit meinen schlechten, aber auch mit meinen guten Seiten. Am Ende wird alles Verborgene offen daliegen.

Und schließlich macht das Gericht Hoffnung, weil wir wissen, auf wen wir treffen: Jesus Christus. Er hat uns vorgelebt, was für ihn zählt: Liebe und Güte, der Einsatz für die Schwachen, die Barmherzigkeit. Das Gericht ist kein Verhängnis, das von außen über uns kommt. Wir kennen schon heute den Maßstab. Den für unser Handeln und für das Handeln Jesu, der „richtet die Lebenden und die Toten“.