Vorbereitung auf das Lebensende - Impuls zum Evangelium

Wenn Gott ruft

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Die Lebenszeit verrinnt unaufhaltsam. Und niemand weiß, wann die eigene zu Ende geht.
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Foto: imago/Design Pics

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Die Lebenszeit verrinnt unaufhaltsam. Und niemand weiß, wann die eigene zu Ende geht.

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“, heißt es im Evangelium an diesem Sonntag. Stimmt. Niemand weiß, wann der Tod kommt. Deshalb ist es keine Frage des Alters, sich darauf vorzubereiten.

Bereit sein – dafür wirbt auch Christiane van Melis immer wieder. Sie arbeitet in der Seelsorge für Menschen im dritten und vierten Lebensalter im Bistum Osnabrück. Dabei begegnet sie sehr häufig Menschen, die sich auf ihr Lebensende vorbereiten möchten – auch wenn sie nicht ernsthaft erkrankt oder hochbetagt sind. Aber sie haben erlebt, dass gute Freunde schwer erkranken oder die eigenen Eltern sterben. „So etwas sensibilisiert“, sagt van Melis. Es rücke das Thema der eigenen Endlichkeit auf einmal in den Blick. Der Wunsch, vorbereitet zu sein, ein Testament aufzusetzen, Vorsorgevollmachten zu klären oder eine Patientenverfügung zu hinterlegen, werde dann stärker. 

Mit Vorträgen, Arbeitshilfen und ein wenig zusätzlicher Motivation unterstützt van Melis, gemeinsam mit den Ehrenamtlichen in der Seniorenarbeit, diese Menschen. „Die Gefahr ist, dass es letztlich dabei bleibt zu sagen: ‚Ich müsste mich da mal drum kümmern‘“, sagt van Melis. 

Sie möchte die Menschen motivieren zu handeln, und macht Mut: „Es soll nicht beim Lamentieren und Reden bleiben. Wir sagen: Werden Sie aktiv und holen sich eine Patientenverfügung. Das Ausfüllen ist gar nicht so schwer.“

Papierkram für einen guten Abschied

Sie selbst hat bei einem Freund erlebt, wie wichtig es ist, dass Dinge gut geregelt sind. „Ich habe ihn sehr intensiv begleitet, als er im Sterben lag, und es war relativ ungeklärt, wer für ihn was entscheiden darf. Das war wirklich schrecklich“, sagt sie. Sie war oft bei ihm und erlebte, dass die Ärzte gerne Entscheidungen zur weiteren Behandlung gehabt hätten: „Aber mit mir durften sie über die Diagnose und Therapiemöglichkeiten nicht sprechen.“

Es habe lange gedauert, bis schließlich geklärt war, dass die Ärzte auch ihr Auskunft über den Zustand ihres Freundes geben durften. Damals habe sie gelernt, wie hilfreich eine gute Vorbereitung in einer solchen Notsituation sein kann. „Vielleicht denkt man, das sei doch alles nur unnützer Papierkram. Aber es kann der Moment kommen, wo es ein konkretes Leben betrifft“, sagt sie. „Dann trägt dieser Papierkram zu einem gelingenden Leben bei – bis zum Schluss.“

Sie selbst hat diese formalen Dinge geregelt, als sie 2014 an Krebs erkrankte. „Es war für mich der richtige Zeitpunkt und hat mir auch Druck genommen. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass das ordentlich geregelt ist“, sagt sie. In ihrem Arbeitszimmer stehen viele bunte Ordner, aber eben auch ein schwarzer, in dem alle Unterlagen und Patientenverfügungen ihrer Familie hinterlegt sind. 

Christiane van Melis setzt sich auch beruflich mit dem Tod auseinander.
Christiane van Melis setzt sich auch beruflich mit dem Tod auseinander. Foto: Matthias Petersen

Zu einer guten Vorbereitung auf das Lebensende gehört für sie aber auch das Einüben einer inneren Haltung. „Mit dem Tod habe ich mich auch schon vor meiner Krankheit auseinandergesetzt“, sagt van Melis. „Die innere Vorbereitung war in meiner Familie immer wichtig.“ 

So sei ihr Großvater beispielsweise gerne auf Friedhöfen gewesen und dort häufig spazieren gegangen. Ihr Vater, der oft mit dem Auto unterwegs war, habe noch während seiner Berufsjahre begonnen, Kassetten zu besprechen. „Er wusste, er könnte täglich in einen tödlichen Unfall verwickelt sein. Auf den Kassetten hat er uns hinterlassen, was ihm wichtig war: Erlebnisse, Eindrücke, Gedanken, die ihm wichtig waren“, sagt van Melis. 

Ihr selbst habe bei der Vorbereitung auch der Glaube geholfen. „Ich glaube tatsächlich, dass ich heimkehren werde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einfach weg bin und verschwinde. Für mich ist der Tod eine Wandlung in das ewige Leben“, sagt sie. 
Diese Haltung einzunehmen, sei aber ein langer Weg gewesen. „Ich habe mich wirklich mit diesen Fragen auseinandergesetzt: Was ist ein erfülltes Leben? Wie stelle ich mir die verschiedenen Lebensphasen vor?“ Auch die Krebserkrankung hat ihre Sicht verändert: „Da habe ich gedacht: Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist, die Tage, die mir bleiben, erfüllt zu leben. Und ich habe überlegt: Was kann ich für ein erfülltes Leben tun?“

Es wäre schade, doch es liegt in seiner Hand

Und sie merkte: Das ist gar nicht so einfach. „In der Sonne einen Cappuccino trinken, ist schön. Mehr Zeit für Freunde zu haben, ist wertvoll. Aber das alles reicht mir nicht“, sagt van Melis. Es brauche auch inneren Frieden mit sich selbst und sie arbeite eben auch gerne, übernehme gerne neue Projekte. „Bei mir sollen die Dinge in Balance sein. Mal gelingt mir das mehr, mal weniger.“ 

Und wenn der Herr sie nun ruft? Wäre sie bereit? „Durch die Auseinandersetzung mit meiner Endlichkeit bin ich mir bewusst, dass jedes Leben geschenkt ist und nicht versichert werden kann. Ich bin für jeden dankbar, der gesund ist, der leben darf. Die Endlichkeit gibt jedem Leben einen besonderen Wert“, sagt sie. „Und wenn Gott mich morgen rufen würde, dann fände ich es schade, weil ich es noch als zu früh empfände. Aber ich finde es gut, dass das nicht in meiner, sondern in seiner Hand liegt.“

Kerstin Ostendorf