Alternativen für die musikalische Begleitung im Gottesdienst
Wenn keiner Orgel spielt
In fast jeder katholischen Kirche steht eine Orgel. Aber längst nicht in jedem Gottesdienst wird sie gespielt, denn immer häufiger fehlen Organisten. Welche Alternativen gibt es für die musikalische Gestaltung?
„Dass in der Werktagsmesse kein Organist da ist, ist eher die Regel als die Ausnahme“, sagt Kirchenmusikdirektor Martin Tigges. Denn die Organisten werden weniger. Für Werktagsmessen findet Martin Tigges das auch nicht unbedingt schlimm. „Wenn in einer Kirche zehn Gläubige versammelt sind, dann ist die Orgel nicht passend; man bekommt keinen Kontakt zur Gemeinde und zu laut ist sie auch, wenn sie nur wenige Stimmen begleiten soll.“ Aber was ist die Alternative?
„Die erste Alternative ist der A-cappela-Gesang“, sagt Tigges. „Die Stimme ist das erste Instrument der Menschen. Wenn sie richtig eingesetzt ist, kann das sehr ansprechend klingen.“ Voraussetzung dafür: das richtige Anstimmen der Lieder. „Früher machte das meist der Priester“, sagt Tigges. „Aber das kann nicht mehr jeder.“ Auch, weil alte Stimmen oft nicht mehr so sicher sind, auch, weil viele ausländische Priester mit den deutschen Kirchenliedern nicht vertraut sind. „Sie auch noch anstimmen zu müssen, ist eine Überforderung.“
Chormitglieder können Lieder anstimmen
Tigges rät deshalb, Menschen zu suchen, die gut und sicher singen können. „Im Chor gibt es bestimmt Leute, die sich vorstellen können, ab und zu eine Patenschaft für eine Werktagsmesse zu übernehmen und dort anzustimmen.“ Um das korrekte Treffen des in den Noten vorgesehenen Tons geht es dabei nicht. „Es ist wichtig, eine Tonlage zu treffen, in der die Gemeinde singen kann. Egal, ob es höher oder tiefer ist als vorgesehen.“
Zweite Voraussetzung: „Jeder muss sich einbringen. Wenn die Einzelnen sehr weit auseinandersitzen und sich nicht hören, wird es kläglich.“ Ohne Orgel ist das Singen eine noch größere Aufgabe für jeden als sonst schon.
Was ohne Instrument aber fehlt, sagt Martin Tigges, ist „eine musikalische Klangfarbe als Teppich“. Deshalb kann er sich andere Begleitinstrumente durchaus vorstellen. „Es gibt ein Klavierbuch und ein Gitarrenbuch zum Gotteslob, die werden durchaus nachgefragt. Auch ein Blasinstrument oder ein Akkordeon können die Melodie unterstützen und helfen, den richtigen Einsatz zu finden. „Bei besonderen Gottesdiensten wie Trauung oder Taufe wird das auch gemacht“, sagt der Kirchenmusiker. „Im normalen Werktagsgottesdienst ist es eher seltener.“ Eine denkbare Alternative ist es aber schon; in vielen Gemeinden gibt es Menschen, die ein Instrument beherrschen.
Und wie sieht es aus mit technischen Hilfsmitteln? Martin Tigges seufzt. „Da bin ich eher skeptisch.“ Etwa beim Orgamat, einem mechanischen Aufsatz, der auf der Orgeltastatur liegt und die Finger eines Menschen ersetzt. „Aber das Ding atmet nicht“, sagt Tigges. „Er kann sich nicht auf das Tempo der Gemeinde einstellen, auf die Tonhöhe, die morgens um acht anders ist als abends um sechs. Oder auf die Stimmung, die bei einer Beerdigung anders ist als bei einer Hochzeit.“
Orgamat, Orgelbox und andere digitale Lösungen
Dennoch überlegen Gemeinden, so etwas zu kaufen. Oder gleich die volldigitale Variante, in der man keinen Aufsatz braucht und die Programmierungsmöglichkeiten, was Tempo und Tonhöhen angeht, größer sind. Auch in der Variante Orgelbox erhältlich, ein Gerät in der Größe der Box einer Stereoanlage mit eingebautem Minicomputer und Lautsprecher. „Das ist in Kirchen beliebt, wo es kleinere Werktagskapellen gibt“, sagt Tigges. Gleich bleibt: Alles muss vor dem Gottesdienst eingegeben werden, Änderungen nicht möglich. Das sei das Grundproblem, sagt der Musiker und ist in seiner Meinung sehr fest: „Lieber a-capella als Maschine.“
Und wie sieht es in den Sonntagsgottesdiensten aus? „In der Fläche ist die Situation auch sonntags angespannt“, sagt Martin Tigges. Früher hätten die meisten Gemeinden feste Organisten gehabt. „Heute gibt es einen Pool, der in verschiedenen Kirchen verschiedener Konfessionen spielt.“ Engpässe kommen vor. Höchste Zeit also, sich etwas zu überlegen.
Von Susanne Haverkamp