Pfingsten: Impuls zur Sonntagslesung am 19.05.2024
„Wichtig ist uns Einheit“
Foto: Ralf Baumgarten
„Wir sind katholische Belgier“, sagt Roos Rombouts. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir einmal hier im Taunus leben werden. Wir hatten ganz andere Pläne.“ Trotzdem gehören sie und ihr Mann Remi seit 1977 zum Familienzweig der Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal. Ein Gastaufenthalt hat ihnen genügt, um zu spüren: Das ist unser Weg. Vielleicht war auch der Heilige Geist mit im Spiel.
„Ich bin evangelischer Pastor“, sagt Franziskus Joest. „Ich war nicht auf der Suche nach einer ökumenischen Gemeinschaft.“ Trotzdem lebt er seit 1973 in Gnadenthal und gehört zu den zölibatär lebenden Brüdern. Im Theologiestudium in Hamburg hat er von der Jesus-Bruderschaft gehört und sich angesprochen gefühlt. Vielleicht war auch der Heilige Geist mit im Spiel.
Zwölf zölibatär lebende Brüder sind es heute, 16 zölibatär lebende Schwestern und 20 Familien – sechs davon junge Familien mit kleinen Kindern –, die zusammen die Jesus-Bruderschaft bilden. Es gibt ein paar Außenstellen, eine davon in Latrun in Israel, aber ihr Kern ist die alte Zisterzienserinnenabtei in Gnadenthal südlich von Limburg.
Die Schwestern wohnen dort gemeinsam in einem Haus, die Brüder in einem anderen, die Familien leben jede für sich. Gütergemeinschaft gibt es unter den Familien nicht, jeder sorgt für den eigenen Unterhalt und arbeitet entweder außerhalb oder in eigenen Einrichtungen wie dem Gästehaus oder dem Klosterladen.
Die Mitglieder der Bruderschaft sind katholisch und evangelisch, freikirchlich und anglikanisch – und leben, beten und feiern doch zusammen. Wie geht das? Und was sind die größten Schwierigkeiten?
Der Spagat hat sie „manchmal zerrissen“
„Wichtig ist uns Einheit, nicht Einheitlichkeit“, sagt Bruder Franziskus. „Niemand muss bei seiner Konfession austreten, um bei uns einzutreten.“ Unterschiedliche Traditionen und auch unterschiedliches Recht wird geachtet, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist. „Es gab Zeiten, da haben unsere katholischen Mitglieder nicht am gemeinsamen Abendmahl teilgenommen. Das mussten wir aushalten“, sagt Bruder Franziskus.
Roos und Remi Rombouts gehören zu diesen Katholiken. „Es hat einen manchmal zerrissen“, sagt Roos. Sie seien oft am Sonntag in die Pfarrkirche im Ort gegangen. „Unsere Kinder hatten eine klassische katholische Laufbahn: Erstkommunion, Messdiener, Firmung.“ Aber einfach war es nicht, sagt Remi: „Die Pfarrgemeinde hat gesagt: ‚Ihr seid so selten hier.‘ Und die Gemeinschaft hat das auch gesagt.“
Dass inzwischen eucharistische Gastfreundschaft zwischen den Konfessionen leichter möglich ist, finden sie gut. „Entscheidend ist das offene Herz“, sagt Remi. Bruder Franziskus ergänzt: „Wir streiten nicht um die Wahrheit in der Lehre, denn die Wahrheit ist eine Person: Jesus Christus. Und er verbindet uns alle.“
Überhaupt ist es das Verbindende, was die Gemeinschaft sucht. Zum Beispiel bei der Taufe. „Unsere Kinder wurden in derselben Feier katholisch getauft wie andere Kinder evangelisch“, erzählt Remi Rombouts. „Es waren Geistliche aus beiden Konfessionen da.“ Und wenn Mitglieder aus einer freikirchlich-baptistischen Tradition ihre Kinder gar nicht taufen lassen, weil sie die Erwachsenentaufe besser finden, dann sei das auch in Ordnung.
Die Brüder und Schwestern treffen sich dreimal täglich zum Gebet: Morgens ist ein Abendmahlsgottesdienst, mittags um 12 das Gebet um die Einheit und abends um 18 Uhr die Vesper. Geleitet werden die Gottesdienste von Menschen, „die in ihrer Kirche dafür beauftragt sind“, sagt Bruder Franziskus. Egal, ob geweiht, ordiniert, gesendet.
Wir sind ja nicht nur fromm
Die Familien kommen zu den Gebetszeiten hinzu, wie Beruf und Alltag es zulassen. „Gerade als die Kinder klein waren, war es schon ein Angang, sich auf den Weg zu machen“, sagt Roos. „Aber es war eben auch ein Stopp im Alltag. Ich glaube, dass so eine regelmäßige Pause hilft, bei allem Stress kein Burnout zu bekommen.“ Ihr Mann bestätigt das. „Es kommt ja nicht nur darauf an, am Tag möglichst viel wegzuschaffen.“ Wobei, sagt er und lacht: „Manchmal sind mir beim Gebet auch gute Ideen für ein anstehendes Problem gekommen. Wir sind beim Beten ja nicht nur fromm.“
Alle drei geben aber auch zu: Brüder und Schwestern haben es leichter mit den Gebetszeiten als Familien, die „situationsbedingt oft fehlen“, wie Bruder Franziskus sagt. Aber das müsse man akzeptieren. Die Mischung aus Zölibatären und Familien berge auf jeden Fall für alle mehr Gewinn als Konfliktpotenzial.
Bei der Jesus-Bruderschaft kann man schon im Namen erkennen, wer im Mittelpunkt von allem steht: Jesus. Aber fühlen sie sich auch als pfingstliche, als geistliche Gemeinschaft? „Ja, durchaus“, sagt Bruder Franziskus, „in vielerlei Hinsicht.“ Etwa dadurch, dass nicht nur ordinierten Geistlichen zugetraut wird, im Gottesdienst geisterfüllt zu predigen. Oder dadurch, dass wichtige Entscheidungen nicht nur durch das Leitungsgremium aus einem Bruder, einer Schwester und zwei Laien getroffen werden, sondern in einem Prozess von der ganzen Gemeinschaft.
Am wichtigsten aber, sagt Roos Rombouts, sei ein Alltagsleben im Geist der Liebe. „Wenn ich sehe, wie wir miteinander umgehen, mit den älteren Mitgliedern, mit den Familien, den Kindern, dann ist da bei allen Unterschieden viel Liebe, viel Verständnis, viel Großzügigkeit. Das sind Früchte des Geistes. Und wenn Früchte da sind, dann ist wohl auch der Geist da.“
Und trifft damit genau das, was Paulus im Brief an die Galater – das ist die zweite Lesung an diesem Pfingstfest –, sagt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue.“ (Galater 5,22). Bruder Franziskus drückt es etwas griffiger aus: „Man darf hier nichts eng sehen!“