Weitermachen nach Lebenskrisen
Wie ein Neustart gelingen kann
Die Lebensentwürfe vieler Menschen scheitern: Sie verlieren ihren Job, oder ihre Ehe zerbricht. Eine Expertin erklärt, wie man solche Krisen bewältigen kann.
Am Anfang ist der Schmerz, sagt Gaby Hübner: „Scheitern tut immer erst mal weh.“ Da machen die Menschen sich Pläne für ihr Leben, aber plötzlich wird alles durchkreuzt. Sie verlieren ihren Job, weil sie über 50 sind. Ihre Ehe zerbricht, weil die Liebe von einst erloschen ist. Oder sie werden schwerkrank, obwohl sie immer gesund gelebt haben. Wie verkraften Menschen es, dass ihr Lebensentwurf scheitert? Wie schaffen sie es, wieder Mut zu schöpfen und neu anzufangen? Hübner, die Vorsitzende des Bundesverbandes Katholischer Ehe-, Familien- und Lebensberater, sagt: „Das ist nicht leicht. Und es braucht Zeit.“
Was hilft, ist: das Scheitern nicht als Drama zu sehen, das nicht sein darf. Sondern sich zu sagen: Kann passieren. Als Christen wissen wir ohnehin, dass das Scheitern zum Leben gehört und ein Neuanfang immer möglich ist. Es gibt einen Spruch, der hat was: „Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.“ Aber klar, oft ist das schwer. Sogar viele optimistische Menschen sind nach dem Scheitern erst mal geschockt, wütend, fassungslos, wie gelähmt. Und in ihrem Selbstwertgefühl erschüttert. Wie heftig diese Gefühle sind, hängt auch davon ab, wie sehr jemand das Scheitern seines Lebensentwurfs selbst mit beeinflusst. Wenn etwa ein Priester spürt, dass er nicht mehr Priester sein will, dann kann er das aktiv entscheiden. Wenn dagegen ein Mitarbeiter von seinem Unternehmen betriebsbedingt gekündigt wird, kann er das nur passiv hinnehmen.
Aber egal, wie jemand scheitert: Immer braucht er Menschen, denen er von seiner Geschichte und seinen Gefühlen erzählen kann und die zuhören. „Vorwürfe kann man dann nicht gebrauchen“, sagt die Lebensberaterin Hübner. „Die macht man sich ja schon selber.“ Irgendwann jedoch, betont sie, solle man damit aufhören: „Es ist sehr wichtig, Frieden mit sich selber zu machen.“ Vielen aber falle das schwer.
Manchen Menschen helfen auch Rituale, um abzuschließen mit dem, was war. Einige werfen einen Stein in einen See – um auszudrücken, dass sie die Last des Scheiterns loswerden wollen. Andere beschreiben ihr Scheitern in einem Brief, verbrennen ihn und nutzen ihn als Dünger im Garten. Und stellen sich Fragen, die ihnen weiterhelfen: Was kann ich beim nächsten Mal besser machen? Was kann ich aus dem Scheitern lernen? Erwächst daraus vielleicht sogar eine Chance?
„Das ist fast, wie wenn kleine Kinder laufen lernen“
Wer Antworten auf diese Fragen gefunden hat, der kann einen Neuanfang wagen. Wichtig seien dann Menschen, die ihn loben, unterstützen, ermutigen, sagt Hübner: „Das ist fast, wie wenn kleine Kinder laufen lernen. Die machen die ersten Schritte, und dann muss jemand da sein, der sagt: Komm! Toll, wie du das machst! Hinfallen gehört dazu. Versuch’s noch mal!“
Jeder weiß, wie schwer diese Schritte sind. Jeder ist schon mal gescheitert, auf die eine oder andere Art. Aber viele versuchen, das zu kaschieren. Denn in unserer Gesellschaft ist das Scheitern nicht erwünscht. Wenn wir offener damit umgingen und darüber redeten, wäre viel gewonnen.
Von Andreas Lesch