Verhältnis von Politik und Kirche

Wie politisch darf Kirche sein?

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Fahne Halbmast Reichstag
Nachweis

Foto: Niklas Hesselmann/KNA

Regelmäßig äußern sich Kirchenleute zu Fragen von Migration, Sterbehilfe, Abtreibungsrecht und Rechtsextremismus. Gehört das zu den Aufgaben der Kirche – oder sollte sie sich auf Gebet, Gottesdienst und Seelsorge konzentrieren? Dazu zwölf Gastbeiträge aus Kirche und Politik.


» Wir reden mit, ob es gelegen oder ungelegen kommt « 

Um es vorweg zu sagen: Kirche mischt sich ein – sie ist und will eine Stimme in der Gesellschaft sein. Deshalb beschränken wir uns nicht auf das nur innerkirchliche Feld, wenn dies natürlich auch der primäre Bereich ist, dem unsere Sorge gilt: Glaube, Pastoral und Spiritualität, theologische Bildung und karitatives Engagement. Aber eben weil Christinnen und Christen immerhin noch knapp die Hälfte der Bevölkerung in unserem Land ausmachen, reden wir mit, ob es gelegen oder ungelegen kommt. 

Georg Bätzing
Bischof Georg Bätzing. Foto: kna/Harald Oppitz

Und das mache ich konkret: In Deutschland wird derzeit viel über mögliche Reformen im Sozialstaat diskutiert. Neben der sozialen Sicherung muss unser demokratisches Gemeinwesen zahlreiche Aufgaben finanzieren, von denen viele gegenwärtig besonders dringlich erscheinen, wie etwa die Sicherung der öffentlichen Infrastruktur, die Verteidigung der Friedensordnung und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. In dieser Situation ist die Bereitschaft, Kompromisse zu schließen und Aufgaben zu priorisieren, besonders wichtig.

Als Kirche beobachten wir diese Dynamik aufmerksam, denn unser Sozialstaat ist eine historische Errungenschaft, auf die wir stolz sind. Mittlerweile ist aber ein Punkt erreicht, an dem sorgsam geprüft werden muss, wie eine sozial gerechte Reform gelingen kann, die zugleich eine nachhaltige Finanzierung sichert. Erwartungen zu wecken, die sich nicht erfüllen lassen, ist politisch gefährlich. Das ist nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, die unser Land schlechtreden und spalten wollen. 

Mich besorgt, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet und dass der öffentliche Diskurs zunehmend vergiftet wirkt. Sachliche Auseinandersetzungen werden unsachlich zugespitzt. Es wird bewusst polarisiert um der Polarisierung willen und nicht im Austausch der Argumente. Dabei bedarf es zur Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit einer vertieften, in gegenseitigem Respekt geführten inhaltlichen Debatte. Als Kirche positionieren wir uns gegen jene, die diese Spaltungen forcieren. Das tun wir nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, denn solche Kräfte umwerben gezielt auch die Gläubigen unserer Kirche. Dabei leitet uns das christliche Menschenbild. Wir wollen unseren Beitrag leisten, die Gesellschaft zusammenzuhalten und einen demokratischen Dialog fördern.

Georg Bätzing  |  Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz


» Sie muss den Mächtigen ein Stachel im Fleisch sein « 

Kerstin Griese
Kerstin Griese. Foto: Photothek Media Lab

Die Kirche darf sich nicht nur in die Politik einmischen, sie hat sogar den Auftrag, Partei zu ergreifen und auf der Seite der Benachteiligten zu stehen, deren Stimme nicht gehört wird. Sie muss den Mächtigen ein Stachel im Fleisch sein. Sie hat die Freiheit dazu – schon die Propheten waren keine bequemen Zeitgenossen. In ihrem politischen Engagement darf sie sich nicht auf Lobbythemen wie die Finanzierung von Kitas und Beratungsstellen reduzieren lassen. Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, sich gerade auch in Grundsatzfragen zu Wort zu melden – als Anwalt der Schwachen, der Geflüchteten und der Menschen in Not. Dabei soll sie sich nicht in die Parteipolitik einmischen, sondern sich auf der Grundlage christlicher Werte für Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. In einer Welt, in der die Werte unserer offenen Gesellschaft zunehmend infrage gestellt werden, ist die Rolle der Kirchen wichtiger denn je. 

Kerstin Griese  | SPD-Bundestagsabgeordnete, Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales und Mitglied im Ratder Evangelischen Kirche in Deutschland


» Die Kirche darf sich nicht zu einer politischen Kraft machen « 

Jens Spahn
Jens Spahn. Foto: imago/Bernd Elmenthaler

Die Kirche befindet sich scheinbar in einem Dilemma: Ist sie leise, scheint sie an Bedeutung zu verlieren; mischt sie sich ein, setzt sie sich dem Vorwurf aus, zu politisch zu sein. Doch Glaube folgt einer anderen Auffassung; er muss nicht zwischen diesen Möglichkeiten entscheiden, er ruht in innerer Besonnenheit und Gewissheit. Die Kirche ist mit unserer Gesellschaft verbunden, aber sie darf sich nicht zu einer politischen Kraft machen.  Sie muss ein klares Angebot der Orientierung bieten – aus sich heraus und ohne politische Agenda. „Suchet der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7) ist für mich schon lange ein Leitsatz, der diese grundlegende Verantwortung für das Gemeinwesen ausdrückt, ohne in politischen Aktivismus abzudriften. Kirche hält uns am Boden. Die Überzeugung, dass der Mensch fehlbar ist, sollte das Politische unserer Gesellschaft vor den Extremen schützen. In diesem Bewusstsein lässt sich auch das Gute und Schöne unserer Welt klarer sehen – als Ausschau auf das Reich Gottes.

Jens Spahn  | Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion


» Das sozialpolitische Engagement stützt sich auf das Evangelium « 

Welskop-Deffaa
Eva Maria Welskopp-Deffa. Foto: DCV/Oliver Lang

Christen und Christinnen wünschen sich ihre Kirche als eine, die sich gesellschaftlich und politisch positioniert. Das hat die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung 2023 bestätigt. Auf deren Frage, warum sie Mitglied der Kirche bleiben, antworten die allermeisten: weil sie etwas für Arme, Kranke und Bedürftige tut und sich für Solidarität und Gerechtigkeit in der Welt und die Zukunft der Menschheit einsetzt. Das sozialpolitische Engagement der Kirchen stützt sich auf das Selbstverständnis der Gläubigen ebenso wie auf das Evangelium.

Die Legitimation, sich einzumischen, und ihr politischer Erfolg wachsen mit dem eigenen sozialen Einsatz. Da, wo Caritas und Diakonie konkrete Lösungen für soziale Fragen anbieten und im praktischen Tun Zusammenhalt stärken, halten sie das Verständnis für die „religiöse Tiefengrammatik“ unseres Sozialstaats wach und erweisen sich als wertvolle Impulsgeberinnen für die Zukunft unserer sozialstaatlichen Institutionen – im Für- und Miteinander der Generationen.

Eva Maria Welskop-Deffaa  |  Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes 


» Es ist notwendig, die Kirche zu hören « 

Daniel Günther
Daniel Günther. Foto: Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Kirche darf nicht schweigen. Sie ist eine moralische, eine ethische Instanz – es ist notwendig, die Kirche zu hören. Sie selbst entscheidet, wozu sie etwas sagen und wo sie die Finger in die Wunde legen möchte. Es ist nicht Aufgabe der Kirche, der Politik zu gefallen. Sie muss sich einmischen, nicht nur in moralisch-ethischen Fragen oder wenn es um das Fundament unseres Zusammenlebens geht. Das umso mehr vor dem Hintergrund unserer deutschen Vergangenheit. Als zuerst die Demokratie und dann die Menschlichkeit abgeschafft wurden, haben zu viele in diesem Land geschwiegen. Und auch, wenn etliche ihrer Gläubigen tapfer und mutig Widerstand leisteten, hat die Kirche in Gänze damals keine klare Grundhaltung gefunden. 

Jetzt, wo es wieder ernst steht um unsere Demokratie und die Menschlichkeit in den Hintergrund gerät, muss Kirche klar und deutlich machen, wo sie steht, und darf nicht zurückweichen. Sie muss laut sein, wenn Menschenrechte, Zusammenhalt und Gerechtigkeit infrage gestellt werden. Gleichzeitig ist Kirche mehr als ein politischer Akteur. Sie ist Heimat im Glauben, Zuflucht und Ankerpunkt für Millionen Menschen, die Halt suchen und in der Kirche finden. Auf diese Rolle muss sie sich immer wieder besinnen. Ihre Kraft liegt darin, Menschen im Glauben zu stärken – nicht nur für ein Leben nach dem Tod, sondern auch für eine bessere Zukunft in unserem Land. Kirche ist politisch, weil sie Mitmenschlichkeit lebt. Aber sie bleibt nur dann glaubwürdig, wenn sie sich dieser Aufgabe mutig stellt.

Daniel Günther  | Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
 

Demo Rottenburg
Viele christliche Verbände beteiligen sich an Demonstrationen. Foto: imago images

» Geistlich reden heißt politisch reden « 

Anna-Nicole Heinrich
Anna-Nicole Heinrich. Foto: EKD/Michael McKee

Kirche unpolitisch? Das wäre, als würde man Jesus bitten, sich aus den Streitgesprächen seiner Zeit rauszuhalten. Glauben ohne Haltung bleibt folgenlos. Wer sonntags Amen sagt und montags beim Thema Klima, Migration, Freiheit oder Bildung schweigt, sperrt den Glauben ins fromme Kämmerlein. Klar: Kirchen sind keine Parteizentralen. Aber wer glaubt, dass Gott die Welt und jeden Menschen liebt, kann nicht still sein, wenn Lebensgrundlagen zerstört werden, Krieg tobt oder Grenzen aus Angst hochgezogen werden. Geistlich reden heißt politisch reden. Die Forderung, Kirche solle weniger politisch sein, meint allzu oft nur: „Bitte widersprecht uns nicht.“ Aber Kirche darf sich nicht wegducken. Sie muss Verantwortung übernehmen, sich auf ihre Tiefe besinnen – und zugleich laut werden, wenn Menschenwürde und Gerechtigkeit infrage stehen. Alles andere wäre fatales Schweigen. Christliche Kirche, die sich auf Jesus beruft, muss unbequem bleiben – gerade dann zeigt sie, dass sie lebt.

Anna-Nicole Heinrich  | Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland


» Ihre Stimme ist im politischen Diskurs unverzichtbar « 

Hubertus Heil
Hubertus Heil. Foto: imago images

Die Kirche darf politisch sein – sie muss es sogar. Wer fordert, sie solle sich ausschließlich auf das Spirituelle beschränken, verkennt ihren Auftrag. Glaube ist nie nur privat, sondern immer auch sozial und gesellschaftlich wirksam. Wo Unrecht geschieht, wo Menschen leiden und fundamentale Werte infrage gestellt werden, darf die Kirche nicht schweigen. Ihre Stimme ist im politischen Diskurs unverzichtbar – nicht als parteipolitischer Akteur, sondern als moralische Instanz, die Orientierung und Kritik bietet. Natürlich gilt auch für Kirchenvertreter: Wer sich politisch äußert, muss Widerspruch aushalten und sich der demokratischen Debatte stellen. Das ist kein Makel, sondern das Wesen einer pluralistischen Gesellschaft. Schweigen schützt nicht vor Kritik, sondern macht die Kirche leise und irrelevant: Wo die Kirche schweigt, verliert sie ihren Einfluss, und wo sie nur predigt, ohne gesellschaftlich zu handeln, schwindet ihre Glaubwürdigkeit.

Hubertus Heil  |  Religionsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion


» Barmherzigkeit ist politisch und parteiisch « 

Peter Kossen
Peter Kossen. Foto: privat

Ich setze mich seit Jahren für die Rechte von Arbeitsmigranten und gegen ihre Ausbeutung in der Fleischindustrie ein. Kürzlich sagte ein Bischof zu meinem Engagement, seine Unterstützung hätte ich nicht. Denn die Kirche engagiere sich nur für den Lebensschutz am Anfang und am Ende des Lebens. Ich widerspreche: Die Kirche tut gut daran, sich für Menschenwürde und Gerechtigkeit einzusetzen, nicht nur an den Rändern des Lebens. Es geht eben auch um gerechte und menschenwürdige Lebensbedingungen. Und das bedeutet für die Kirche, sich zu positionieren. 

Barmherzigkeit ist die Haltung, die daraus erwächst. Jesus identifiziert sich mit den Kleinen und Schwachen, kompromisslos. Solche Barmherzigkeit macht stark und demütigt nie. Sie beruhigt nicht, sondern prangert Ungerechtigkeit an wie die biblischen Propheten. Ihr empfindlicher Punkt ist die Missachtung der Kleinen und Schwachen. Dagegen steht sie auf. Barmherzigkeit, biblisch verstanden, ist politisch und parteiisch. Kirche muss ihre Glaubwürdigkeit an diesem Anspruch messen lassen.

Peter Kossen  |  Priester im westfälischen Lengerich, der für faire und würdige Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie kämpft


» Sie sollen Mut haben, sich öffentlich zu äußern « 

Lamya Kaddor
Lamya Kaddor. Foto: Grüne Bundestagsfraktion/Stefan Kaminski

Kirchen und Religionsgemeinschaften haben in einer Demokratie ihren festen Platz, wenn es darum geht, Grundwerte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zu verteidigen. Sie sollen Mut haben, sich öffentlich zu äußern, gerade wenn es darum geht, Menschen zu schützen oder Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen. Allerdings sollten die Kirchen nicht Teil parteipolitischer Auseinandersetzungen sein, denn ihre Glaubwürdigkeit lebt davon, über Parteiinteressen hinaus Orientierung zu bieten. 

Religion ist für viele Menschen mehr als Glauben – sie ist Identität, Gemeinschaft und Sinngebung. Das sollte Politik anerkennen und die Stimmen der Religionsgemeinschaften ernst nehmen. Gerade angesichts wachsender gesellschaftlicher Polarisierung braucht die Politik starke Partner, die Zivilgesellschaft und Demokratieverständnis fördern. Hier haben Kirchen in Deutschland traditionell eine wichtige Rolle, und diese bleibt auch künftig unverzichtbar.

Lamya Kaddor  |  Beauftragte für Religionspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 


» Ich wähle Worte mit Bedacht « 

Andreas Murk
Andreas Murk. Foto: M. Bauer OFM Conv.

„Unser Kloster ist die Welt“ – diesen Satz des heiligen Franziskus habe ich mir zu eigen gemacht in dem, wie ich Kloster verstehe: nicht als Existenz unter einer Käseglocke, sondern mittendrin. Man kann darüber streiten, was unser Ordensgründer mit diesem Satz genau gemeint hat. Doch wie selbstbewusst er vor 800 Jahren auf die Politik zugegangen ist, zeigt sein „Brief an die Lenker der Völker“: Mit allem gebotenen Respekt mahnt er sie, im politischen Tagesgeschäft Gott nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Zeiten, in denen Kirchenvertreter von der Kanzel herab die Welt erklärt haben, sind, wenn nicht vorbei, dann zumindest überholt. Doch zu politischen Themen einfach schweigen? Auch ein Mensch im Kloster hat das Recht und die Pflicht zur Teilhabe am Gemeinwesen. Wenn ich mich politisch äußere, darf ich keine Sonderrechte reklamieren; und mit dem besonderen Anspruch der Kirche, zu einen und zu verbinden, werde ich Worte mit Bedacht wählen müssen. Doch mit dem Rückzug hinter die Mauern wäre mein Ordensgründer gewiss nicht einverstanden. 

Bruder Andreas Murk  |  Franziskaner-Minorit und Vorsitzender der Deutschen Ordensobernkonferenz


» Die Kirchen sollten sich bei der Gestaltung der Arbeitswelt einbringen  « 

Karl Josef Laumann
Karl-Josef Laumann. Foto: Land NRW/Ralph Sondermann

Ich halte es für unverzichtbar, dass sich die Kirchen in politischen Fragen zu Wort melden. Nicht partei- und selten tagespolitisch. Aber sie müssen den Anspruch haben, unsere Gesellschaft aus dem Glauben heraus mitzugestalten.

Die Kirchen verfügen mit der christlichen Soziallehre über eine großartige Gesellschaftsphilosophie. Auf der Grundlage von Solidarität und Subsidiarität lässt sich das Zusammenleben vernünftig gestalten – weil an erster Stelle die Verantwortung des Menschen für sich selbst steht, gleichzeitig aber die zuverlässige Hilfe der Gemeinschaft gefordert wird, wenn der Einzelne an seine Grenzen stößt.

Als Arbeitsminister sage ich: Die Kirchen sollten sich auch bei der Gestaltung der Arbeitswelt einbringen. Für das Christentum war immer wichtig, dass Arbeit nicht nur dem Broterwerb dient, sondern auch mit Sinnstiftung und Gerechtigkeitsfragen verbunden ist. Grundsätzlich gilt: Systeme müssen für die Menschen da sein, nicht die Menschen für die Systeme. Wo dies in Vergessenheit gerät, ist die Stimme der Kirche wichtig.

Karl-Josef Laumann  |  CDU-Politiker und Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen


» Das wirkt nicht selten wie viel Gesinnung und Moralin « 

Andreas Wollboild
Andreas Wollbold. Foto: privat

Selbstverständlich ist der Glaube nicht gleichgültig gegenüber Aktienkursen, Bootsflüchtlingen und Altersarmut. Gott hat ja die ganze Welt geschaffen. Sie hat eine Ordnung, und damit sie nicht auf den Kopf gestellt wird, müssen Christen sich einsetzen. Diese Ordnung enthält einige wuchtige Grundsätze: Leben, Familie, Eigentum, Gemeinwohl, sozialer Ausgleich und globale Verantwortung. Alles in allem also ein Mix aus Prinzipien, die sich mal eher bei dieser und mal eher bei jener Partei wiederfinden. Aber Maßstäbe sind nur Grundsätze, Politik soll sie umsetzen. Wenn Bischöfe, Priester oder kirchliche Institutionen sich in die konkrete Politik einmischen, wirkt das nicht selten wie viel Gesinnung und Moralin, gemischt mit dem Schielen danach, nur ja auf der Seite der richtigen Mehrheiten zu stehen. Besser als die Positionierung auf der Rechts-Links-Skala wäre es, an die Himmel-Erde-Skala zu erinnern. Allein schon, weil dann die Erde der Ort der Unvollkommenheit bleiben kann und Kompromiss, Augenmaß und Geduld wieder möglich werden. 

Andreas Wollbold  |  Professor für Pastoraltheologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Pfarrseelsorger im Kreis Freising