Friedensinitiativen von Religionen

Wie Religion Frieden stiften kann

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Katholische Truppen gegen evangelische – so war die Frontstellung, als vor 400 Jahren der Dreißigjährige Krieg begann. Auch heute spielen oft verschiedene Glaubensüberzeugungen eine Rolle, wenn es zu Krieg oder Terror kommt. Dabei kann Religion viel Gutes bewirken – wenn man sie richtig versteht.

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Historischer Handschlag: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Kommandeur Rodrigo Londono. Ermöglicht hat den Friedensschluss auch die Kirche. Foto: imago


Wäre die Erde friedlicher ohne Religionen? Davon sind laut einer Umfrage zwar 40 Prozent der Bundesbürger überzeugt. Aber: „Die Welt wäre eher unfriedlicher“, vermutet Markus Weingardt. Im 20. Jahrhundert zum Beispiel seien „95 Prozent der Kriegsopfer auf säkular begründete Gewalt“ zurückzuführen, rechnet der Friedens- und Konfliktforscher von der Tübinger Stiftung Weltethos vor. Gäbe es keine Religionen, würde Gewalt einfach nur anders gerechtfertigt – und außerdem fehlten ohne Religionen auch deren Friedensaktivitäten.

Dass Kriege ausschließlich oder vorwiegend wegen unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse ausbrächen, komme faktisch nicht vor, sagt Weingardt. Kriegsursachen seien in der Regel gesellschaftliche oder wirtschaftliche Schieflagen. Allerdings eigneten sich religiöse Parolen bestens, einen Konflikt oder Krieg anzuheizen oder zu verschärfen.

Dabei mag Weingardt nicht davon sprechen, dass Rebellen oder Politiker die Religion missbrauchen: „Sie gebrauchen sie.“ Denn in den Schriften aller Religionen fänden sich Passagen, in denen Gewalt positiv dargestellt wird, in denen Gott Gewalt anordnet oder gar selbst Krieg führt. „Wer möchte, kann damit Gewalt legitimieren. Das funktioniert auch heute noch.“

Natürlich nur bei einseitiger, stark vereinfachender Deutung. Denn alle Religionen überlieferten auch das Gegenteil, also die Aufforderung, Frieden zu stiften, oder den Grundsatz, dass Gewalt Sünde sei. Und zwar mit Erfolg: Die Ablehnung von Gewalt „ist für die meisten Gläubigen die Richtschnur ihres Handelns“, stellt Weingardt fest.

Das gelte nicht nur für das Privatleben. Zahlreiche Friedensbemühungen von Religionen hätten zu konkreten Erfolgen beigetragen, sagt Weingardt und nennt den Friedensprozess in Kolumbien als aktuelles Beispiel. Hier habe die katholische Kirche im Hintergrund eine entscheidende Rolle gespielt, da sie das Vertrauen beider Seiten genoss: „Das hat sie sich in den Jahren und Jahrzehnten zuvor erworben.“ Als ein Beispiel aus der deutschen Geschichte nennt er die deutsch-französische Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, „die zuerst von den Kirchen ausging“.


Auf der kirchenpolitischen Agenda gehört die praktische Friedensarbeit ganz nach oben

Deshalb wünscht sich Weingardt von den Religionen, dass sie ihren „friedenstheologischen Anspruch“ hochhalten und dann auch konkret umsetzen: „Alle behaupten, eine Religion des Friedens zu sein – die friedenspolitische Wirklichkeit müsste dem folgen.“ Auf der kirchenpolitischen Agenda gehöre die praktische Friedensarbeit ganz nach oben und die eigenen Kompetenzen müssten erkannt und weiterentwickelt werden.

Dann sei es auch möglich, ein Angebot an die Politiker zu machen: „Wir haben Sachverstand und Erfahrung, wir können euch helfen.“ Für Deutschland sieht Weingardt hier in letzter Zeit Fortschritte: Im Entwicklungsministerium wie im Auswärtigen Amt gebe es inzwischen Programme und Arbeitsstellen, die Religionsvertreter als Partner ernst nehmen und einbeziehen: „Da scheint sich etwas zu bewegen.“

Von Hubertus Büker