Anfrage

Wie viele Lesungen muss es sonntags geben?

Seit wann und warum werden sonntags zwei Lesungen vorgetragen? Darf jeder Priester selbst entscheiden, wie viele Lesungen die Gemeinde hört? Ist es eine theologische Wertung, dass der Priester das Evangelium liest und die Lektoren die Lesungen? H. H., Hannover

Ein großes Anliegen der Liturgiereform des Zweiten Vatikanisches Konzils war es, „dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde“, wie die Konzilsväter schrieben. Das hatte eine komplett neue Leseordnung zur Folge. Dazu gehört die Regelung, dass es drei statt zwei Lesungen gibt: ein Evangelium und je eine Lesung aus dem AltenTestament und aus den übrigen Teilen des Neuen Testaments. 1969 trat das in Kraft.

Drei Bibeltexte zu verkünden, das war von Anfang an umstritten. Es überfordere die Gemeinden, hieß es, zumal nicht alle Lesungen leicht verständlich seien und nicht zu allen gepredigt werden könne. Deshalb räumte bereits 1967 eine Bischofssynode in Rom den nationalen Bischofskonferenzen die Möglichkeit ein, nur zwei Lesungen verpflichtend zu machen: das Evangelium und eine der anderen beiden Lesungen; welche, wählt der Prediger oder Zelebrant. 

Die Deutsche Bischofskonferenz machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Deshalb: Vorgeschrieben sind auch sonntags nur zwei Bibeltexte. Wer darüber entscheidet, ob zwei oder drei, dürfte von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sein: der Pfarrer, der Liturgieausschuss, vielleicht auch der jeweilige Priester, der dem Gottesdienst vorsteht. Ohne eine Statistik vorweisen zu können, kann man wohl sagen: Die meisten Gemeinden nehmen zwei Lesungen. In Deutschland! In den meisten anderen Ländern sind drei Lesungen üblich.

Was das Evangelium betrifft: Ja, das ist eine theologische Wertung, die man ja auch daran erkennt, dass das Evangelium von Kerzen und manchmal auch von Weihrauch begleitet wird, die Lesungen nicht. Im Evangelium, so kann man sagen, spricht Christus nicht nur selbst zu uns, er ist darin gegenwärtig. Deshalb die Kerzen und der Weihrauch: zur Verehrung Christi – nicht zur Verehrung eines Buches. Und deshalb soll ein Geweihter es vortragen: der Diakon – und wenn es keinen gibt, der Priester.

Susanne Haverkamp