Interview mit Eckart von Hirschhausen
„Wie wäre es mit einer Carrera-Bahn?"
Der Kabarettist und Mediziner Eckart von Hirschhausen unterstützt die Bewegung „Scientists for future“. Humorvoll setzt er sich für ein sehr ernstes Thema ein und fordert: Klimaschutz braucht absoluten politischen Willen und den Einsatz jedes Einzelnen. Und zwar sofort.
Sie touren durch Deutschland mit einem Programm, dass sich auch stark mit dem Klimaschutz beschäftigt. Was ist Ihnen wichtig?
Für mich entscheidend, mich mit diesem Thema so intensiv zu beschäftigen, war eine Begegnung mit Jane Goodall. Diese Dame von über 80 Jahren ist einer der charismatischsten Menschen, denen ich jemals begegnet bin. Sie ging als junge Frau in den Dschungel und revolutionierte unser Bewusstsein für die Menschenaffen. Heute ist sie die weltweit bekannteste Umweltaktivistin. Sie stellte mir eine ganz einfache Frage: „Wenn der Mensch die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein eigenes Zuhause?“ Diese Frage hat mich schlucken lassen und mir aufs Eindringlichste gezeigt, dass wir handeln müssen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.
Wo liegen die Hemmnisse, uns wirklich zu engagieren?
Die Diskussion um „Umweltschutz“ wurde viel zu lange sehr theoretisch geführt. Es gibt keine „Umwelt“, sondern eine Mitwelt. Unsere Mutter Erde ist krank, sie hat hohes Fieber und das steigt weiter. Wir sind existenziell darauf angewiesen, dass wir sauberes Wasser haben, saubere Luft, gesundes Essen und eine erträgliche Außentemperatur. Alle diese Dinge, die wir für selbstverständlich hielten, sind es aber nicht.
Wir sind dran, das müssen die Menschen erkennen. Es bleiben laut neuesten Klimaberichten nur noch wenige Jahre, wenn überhaupt, um menschliches Leben in zivilisierter Form langfristig zu retten. Die Dringlichkeit dieser Aufgabe ist vielen Menschen heute noch nicht ausreichend bewusst.
Die Ausstellung „Planet Gesundheit“ möchte vor allem junge Menschen aufrütteln. Wie kann das gelingen? Was ist hier wichtig?
Indem wir die jungen Menschen ernst nehmen, die gerade zu Hunderttausenden mit „Fridays for Future“ auf die Straße gehen, und indem wir gut informieren, wie es die Ausstellung macht. Und mit Humor, damit die ganze Diskussion nicht so verbiestert rüberkommt. Wenn es zum Beispiel um mehr öffentlichen Verkehr, mehr schnelle Züge, weniger Flüge und weniger Raser auf der Autobahn geht empfehle ich: Wer gerne schnell Porsche fährt, Vollgas, freie Strecke und das auch noch emissionsfrei in der Elektrovariante: Wie wäre es mit einer Carrera-Bahn?
Wie wichtig ist der Austausch zwischen den Generationen? Was können die jungen Menschen von den älteren lernen?
Dass Nachhaltigkeit keine Erfindung oder eine Bewegung der Neuzeit ist, sondern dass viele ältere Menschen völlig selbstverständlich und oft auch unbewusst nachhaltig leben. Mein Vater zum Beispiel ist der nachhaltigste in unserer Familie. Er ist noch nie in seinem Leben auf die Malediven oder Kanaren geflogen und während sich gerade Turnschuhhersteller loben, dass sie jetzt Plastik recyceln, hat er immer noch sein eines Paar „Adidas Rekord“, die plötzlich wieder voll angesagt sind.
Was können die Kirchen tun?
Klimaschutz ist das Thema, das Christen weltweit verbindet! Wir müssen weg vom Materialismus und brauchen eine positive Vision, die attraktiv ist. Diese visionäre Kraft im Glauben gilt es wieder frei zu legen und spürbar zu machen. Momentan kommen Veränderungsprozesse in die Sackgasse, weil Menschen zuallererst ihren Nachteil, ihren Verlust, ihren „Verzicht“ sehen. Wir Christen können einen echten Dienst tun, indem wir mehr über die Welt reden, in der wir leben wollen, und eine positive Vision eines gerechten, solidarischen und friedlichen Miteinanders ins Zentrum stellen. Und daraus ergeben sich dann Dinge, die weniger ein „Weg von“ als ein „Hin zu“ bedeuten. Auch ein anderer Umgang mit der Schöpfung leitet sich aus dieser Idee ab. Aus reinem „Gutmenschentum“ werden die radikalen Umbauten in unserem Wirtschaften nicht gelingen.
Welchen Vorteil haben die Kirchen in der Umweltdebatte?
Kirchen haben eine weltweite Organisation! Sie sind einer der wenigen „Player“, die ein globales Netzwerk und ein globales Verantwortungsgefühl haben. Sollte es nicht hohe Priorität haben, die Klimakrise, das Artensterben, die drohenden Kriege um Wasser, Nahrung und Lebensraum als Chance zu begreifen und die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung unter ein Motto zu stellen? Der Kern des Christentums ist die Nächstenliebe – die schließt auch die nächsten Generationen mit ein!
Der Zeithorizont von Politikern reicht oft nicht aus, um auf den ersten Blick unpopuläre Entscheidungen voranzubringen. Wir brauchen die Kirchen und ihr Denken mit einem langen Atem und einem Gefühl, über viele Hundert Jahre bestanden zu haben und auch für die nächsten Hunderte von Jahren erträgliche Lebensbedingungen einzufordern.
Weihnachten und Silvester sind Termine, an denen Menschen sich vornehmen, etwas zu verändern. Wie kann man beginnen, klimabewusster zu leben?
Im Privaten sind es drei Bereiche: Häuser isolieren, Radfahren statt Auto und Gemüse statt Fleisch essen. Zwei Milliarden Menschen sind auf dieser Welt übergewichtig, eine Milliarde mangelernährt – da müsste es doch eine bessere Verteilung zum Wohle aller geben. Die Idee einer „Planetary Health Diet“ verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten guttut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Das kann man den Menschen nicht „vorschreiben“ aber „verschreiben“. Wir können Millionen Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern, wenn wir uns mehr bewegen und weniger Übergewicht anhäufen. Wir müssen viel mehr betonen, welche Vorteile wir selbst haben, wenn wir für den Klimaschutz handeln. Wenn wir unsere krankmachenden Konsummuster unterbrechen, geht es nicht um Mangel oder Verzicht, sondern um das einzig sinnvolle und langfristige, um einen Zugewinn an Lebensqualität.
Kann der Einzelne etwas bewirken?
Keiner kann allein dafür sorgen, dass endlich Fliegen teurer wird als Bahnfahren, dass Städte dem Rad vor dem Auto den Vorzug geben und das es eine Müllgebühr nicht nur für Abwasser, sondern auch für Abgase gibt. Ein hoher C02-Preis wie ihn Schweden oder die Schweiz hat, bringt mehr, als den Plastikbeutel wegzulassen. Jeder kann bei sich anfangen. Wir brauchen keine Panik, sondern Priorität. Wir sind in einem der freiesten, reichsten und kreativsten Länder der Welt – und wir werden von unseren Kindern und Enkel gefragt werden: Was war euch 2019 wichtig? Was habt ihr gedacht, gesagt, getan und angestoßen für ein enkeltaugliches Leben? Und ich wünsche uns allen, dass wir dann gute Antworten haben.
Interview: Astrid Fleute