Drei Tage trafen sich Expertinnen und Experten in der Hildesheimer Dombibliothek

Wie Wissenschaftler heute auf Godehard blicken

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Drei Tage lang haben sich Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland in der Hildesheimer Dombibliothek mit dem heiligen Godehard beschäftigt. Dabei trat manches Neue zutage.


In der Hildesheimer Dombibliothek kamen Fachleute
zusammen und trugen neue Erkenntnisse über
Godehard zusammen.

Unter anderem befassten sich die Wissenschaftler mit Godehards Lebensbeschreibungen, seiner Heiligsprechung und Wunderberichten. Aber auch seine Verdienste um den gottesdienstlichen Kult, die gesellschaftliche Kultur sowie seinen persönlichen Lebensstil wurden erörtert. Dabei wurde häufig auch kontrovers diskutiert.

Er konnte freier agieren als bisher angenommen

„Godehard hat als Bischof deutlich unabhängiger von Kaiser und Reich agieren können als bisher wahrgenommen. Beschlüsse auf den Synoden wurden immer mehr in die Form von Rechtstexten gegossen – mit Auswirkungen bis heute. Eine wichtige Folge war, dass die Bischöfe ihr Bischofs­amt gegenüber den Äbtissinnen und Äbten ausbauen konnten und ihren neuen Einfluss dann auch untereinander klären mussten“, sagt Jörg Bölling, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Hildesheim und Initiator der Tagung.

Die von seiner Mitveranstalterin Monika Suchan geleitete Dombibliothek birgt zu solchen Fragen reiches Quellenmaterial.  „Mit diesen Originalquellen vor Ort arbeiten zu können, ist für uns alle ein besonderer Glücksfall“, erklärt er.

Der Erlanger Professor Klaus Herbers, unter anderem Präsident der „Union Académique Internationale“, fasste in seinem Fazit wesentliche Erkenntnisse der Tagung zusammen. Als drei Anregungen formulierte er einen Vergleich mit anderen Bischöfen des 11. Jahrhunderts, einen intensivierten Diskurs um den Begriff der „Reform“ und die Anfertigung von kritischen Editionen der vorliegenden Godehard-Handschriften, deren Bestand durch die Würzburger Professorin Martina Giese durch neu entdeckte erweitert werden konnte.

Professor Heinrich Detering, Germanist und Literat in Göttingen, zugleich aber auch – gewissermaßen in Godehards Fußstapfen – Oblate des Benedikti­nerklosters Nütschau und Diakon des Bistums Hildesheim, brachte während einer Vesper in der Basilika St. Godehard  das Thema Kirchenkrise und Ende der Kirche zur Sprache. Gemeint war damit allerdings keineswegs die Gegenwart, sondern die Zeit des heiligen Paulus, der im Lesungstext der Vesper zu Wort gekommen war. Anschließend widmete er sich erneut dem nun scheinbar unausweichlichen Ende; doch wiederum war nicht die Gegenwart gemeint, sondern das reformbedürftige Jahrhundert Godehards. Die heutige Zeit stand ständig vor Augen – blieb aber unerwähnt. Deterings zusammengefasstes Fazit: Es kommt darauf an, was wir daraus machen – wie einst Paulus vor knapp 2000 und Godehard vor 1000 Jahren: Gott selbst machen lassen, ihm wieder mehr Freiraum geben!

Protestanten hielten an ihm fest

Professor Hans-Georg Aschoff und der – als Dritter im Bunde – mitveranstaltende Archivdirektor Thomas Scharf-Wrede machten darauf aufmerksam, dass Godehard schon im 19. Jahrhundert ökumenisch geschätzt wurde. Dazu passt, dass das mehrheitlich protestantisch geprägte Hildesheim diesen Heiligen bis ins 19. Jahrhundert im Stadtsiegel führte, wie auf den Plakaten und Flyern der Tagung zu sehen war – und auf einer Nachbildung „zum Anbeißen“: Für die Teilnehmer war bereits Mitte Februar eigens ein entsprechendes Gebäck in Auftrag gegeben worden.
 


Godehard blieb auch nach der Reformation in Hildesheim
präsent: Das Stadtsiegel, vom 14. bis 19. Jahrhundert in
Gebrauch, mit dem Heiligen in der Mitte.

„Wichtig ist für unsere theologischen Institutsstandorte an den Universitäten Hildesheim und Hannover, dass Godehard auch in Hochschullehre und Schulunterricht an Bedeutung gewinnt“ erklärt Bölling. Die Hochschullehrerin Anne-Elisabeth Roßa hat dazu im Rahmen des Innovationsprojekts mit Studierenden digitale Studienprogramme und Angebote in den Sozialen Medien und für den Religionsunterricht erarbeitet.

„Ich bin hoffnungsfroh, dass dieses Kolloquium keine Eintagsfliege bleibt, sondern der Auftakt für ein kontinuierliches Miteinander von der Professur für Kirchengeschichte an der Universität Hildesheim, der Dombibliothek und des Bistumsarchivs wird“, sagte Bischof Heiner Wilmer in einem Grußwort.

Die Tagung „Bischof Godehard von Hildesheim (1022–1038). Lebenslinien – Reformen – Aktualisierungen“ wurde vom Institut für Katholische Theologie an der Universität Hildesheim in Kooperation mit der Dombibliothek und dem Bistumsarchiv veranstaltet. Ein wissenschaftlicher Tagungsband wird voraussichtlich im kommenden Jahr erscheinen.   (kiz)

Hier geht es zu den digitalen Studienprogrammen: https://kurzelinks.de/6o5s