Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht

Will ich dann doch beatmet werden?

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Eine Patientenverfügung muss exakt formuliert sein, aber vor allem soll sie den aktuellen Willen des Patienten widergeben – und nicht die Meinung, die er früher einmal hatte. Es empfiehlt sich, einer Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Wo liegt der Vorteil?


Apparate können Leben retten, zum Beispiel, wenn jemand beatmet wird. Foto: Pixabay/Simon Orlob

Ein Moment der Unaufmerksamkeit reicht aus. Schon ist das Lenkrad verzogen, der Unfall geschehen. Das Auto trifft einen Fußgänger am Zebrastreifen, der unglücklich stürzt und auf den Kopf fällt. Schwerverletzt kommt der Mittdreißiger ins Krankenhaus, die Ärzte operieren, dann muss er ins künstliche Koma gelegt und beatmet werden, um ihn zu stabilisieren. Später ist er stabil genug, um ihn aus dem Koma zurückzuholen, er atmet selbstständig, kann wieder schlucken, trinken, essen. „Auf dem Weg der Besserung“, wie es heißt.

Patientenverfügung
Doch was wäre gewesen, hätte dieser Mann eine Patientenverfügung gehabt, die den Ärzten vorliegt, vielleicht eine, die er vor Jahren gewissenhaft und genau ausgefüllt hat. Darin legte er damals fest, dass er nicht künstlich beatmet werden und auch nicht künstlich ernährt werden will und hatte dabei das BiId seines Großvaters vor Augen, der in der letzten Phase seines Lebens noch so am Leben gehalten wurde, bis das Herz zu schwach war und aufhörte zu schlagen. Nein, ich will das alles nicht, sagte er sich und füllte die Patientenverfügung entsprechend aus. Vordrucke fand er im Internet.

Vollmacht erteilen
Die unterschriebene und mit Datum versehene Patientenverfügung ist rechtlich bindend. Doch inzwischen hat sich die Einstellung des Verunglückten zu damals geändert, er ist Vater geworden und will sein Kind aufwachsen sehen, auch wenn er vielleicht an den Rollstuhl gefesselt wäre. Dass der Mann jetzt so übers Kranksein denkt, steht aber nicht in der alten Patientenverfügung. Das weiß nur sein Bruder, mit dem er darüber des Öfteren gesprochen hat. Zum Glück hat der Patient dem Bruder eine Vorsorgevollmacht für Gesundheitsfragen erteilt. 

Vorsorgebereiche aufteilen
Eine Vorsorgevollmacht kann für verschiedene Bereiche aufgeteilt werden. Beispiel: Die Vollmacht über Vermögensfragen gebe ich meiner Schwester, der Finanzwirtin; die Vollmacht über die Bestattung einem Freund, die Vollmacht über Gesundheitsfragen meinem geduldigen Bruder. Von Vorteil sei, bei den Gesundheitsfragen jemanden auszuwählen, der belastbar sei und auf den man sich voll und ganz verlassen kann, der die gesundheitlichen Interessen des Patienten kennt und diese absolut in den Vordergrund stellt, sagt Ludger Wiemker, Leiter der Abteilung Recht und Revision im Bistum Osnabrück. „Es sollte jemand sein, der das Leben in den Blick nimmt, also mein Leben, und in diesem Sinne entscheidet.“ Denn es sei nicht automatisch so, dass jeder Mensch sich jeglichen Kummer und Leid ersparen will. „Ich kenne Leute, die auch mit erheblichen Einschränkungen noch gerne leben“, sagt Wiemker, und verweist auf bettlägerige Personen und andere pflegebedürftige Menschen, die gern am Leben ihrer Umgebung teilnehmen. 

Wenn die Person, die die Vorsorgevollmacht für die Gesundheitsfragen hat, über die aktuelle Einstellung des Patienten informiert ist, kann diese Person im Dialog mit den Ärzten Fürsprecher des Patienten sein. Denn die Mediziner seien jedes Mal gehalten, zu prüfen, ob eine Patientenverfügung noch dem aktuellen Willen des Patienten entspricht.  

Es liegt keine Vollmacht vor
Es ist ein Irrglaube, dass im Krankheitsfall automatisch der Ehepartner oder die erwachsenen Kinder entscheiden können. Wenn niemand mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet worden ist, bestellt das Gericht einen gesetzlichen  Betreuer,  wenn er selbst nicht bei Bewusstsein ist und gefragt werden kann oder wenn er so dement ist, dass die Therapievorschläge der Ärzte nicht verstanden werden.

Dabei sucht das Gericht den gesetzlichen Betreuer oft aus dem Kreis der Angehörigen aus. Der Betreuer ist gehalten, dem Patientenwillen Geltung zu verschaffen, und orientiert sich dabei auch an einer eventuell vorliegenden Patientenverfügung.

Behandlungswünsche
Wer sicher gehen will, dass Arzt und Betreuer im medizinischen Notfall einig sind, dass um das Leben des Patienten gekämpft werden sollte, verfasst seine Patientenverfügung so, dass sich die Formulierungen zu den Behandlungswünschen auf die letzte, finale Phase einer unumkehrbar tödlich verlaufenden Krankheit beziehen, also auf die Phase, in der der Sterbeprozess schon eingesetzt hat; das können die letzten Tage im Leben eines Krebskranken sein. 

Hier kann sich jeder anhand einer Checkliste fragen, ob er am Ende seiner Krankheit noch Bluttransfusionen erhalten oder künstlich ernährt werden will, ob er eine Dialyse wünscht oder noch längere Zeit beatmet werden will. 

Die künstliche Beatmung grundsätzlich abzulehnen als Teil einer sinnlosen Apparatemedizin, ist wenig sinnvoll. „Geräte dienen auch dazu, eine Krankheit zu überwinden“, sagt Wiemker. Das habe die Behandlung von Covid-19-Patienten gezeigt, die schwer erkrankt sind. Die Ärzte beatmen diese in der Zuversicht, jemanden zu retten. Apparate abzuschalten, sei eine Maßnahme, die im Sterbeprozess erfolge, weil keine Aussicht mehr auf medizinischen Erfolg besteht: „Man lässt das Sterben zu.“ 

Auskunft trotz Schweigepflicht
Grundsätzlich ist es gut, eine vertraute Person mit der Vorsorgevollmacht auszustatten. Weil Mediziner sich an das ärztliche Schweigegebot halten müssen, bietet es sich an, auch Ehepartner und erwachsene Kinder zu benennen, damit sie Auskunft erhalten. Und: Wer zwar körperlich schwach, aber noch bei Bewusstsein ist, kann im Krankenhaus selbst entscheiden, und wenn er die Zustimmung durch ein Nicken gibt. 

Fazit
Jeder, der sich unsicher ist, wie er entscheiden will, verfasst einfach keine Patientenverfügung. „Man kann auch auf eine Patientenverfügung verzichten“, sagt Ludger Wiemker, wichtig sei aber, einer Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht auszustellen. Oder festzulegen, welche Person man als Betreuer  wünscht. Mit dieser Person sollte man auch besprochen haben, wie man zur Organspende steht, falls man keinen Spenderausweis besitzt. Diese Person kann dann gut informiert entscheiden. Auf einem Blatt im Scheckkartenformat kann man notieren, wo man seine Vollmachten hinterlegt hat und wer der Bevollmächtigte ist. 

Andrea Kolhoff


Zur Sache

Es gibt eine Arbeitshilfe christlicher Kirchen mit dem Titel „Christliche Patientenvorsorge“, in der Erklärungen zu den Themen Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung und Behandlungswünsche gesammelt sind. Die Texte wurden von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) erarbeitet; darunter sind auch Textbausteine für eine christliche Patientenverfügung sowie Vorsorgevordrucke, die man für sich selbst und den Bevollmächtigten ausfüllen kann. 

Die Broschüre erklärt den Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung und erläutert auch die Möglichkeit, eine bestimmte Person als Betreuer auszuschließen. In der Broschüre kann man sich über einige medizinische Einzelfragen informieren, zum Beispiel zur Gabe von Schmerzmitteln. 

Wer die Textbausteine nutzen will, sollte darauf achten, dass er die im Jahr 2018 aktualisierte Fassung der Christlichen Patientenvorsorge vorliegen hat, denn sie ist an die geltende Rechtssprechung angepasst und bezieht wichtige Gerichtsurteile mit ein. In Teil B „Patientenvorsorge und Behandlungswünsche“ werden Vorschläge gemacht, die die Behandlungswünsche im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit betreffen. 

Die Broschüre kann per Post bestellt werden: AZB Auslieferungszentrum, Postfach 1355, 47613 Kevelaer, im Internet bestellt oder als pdf-Datei heruntergeladen werden.