Psychologische Beratungsstellen im Bistum mit neuem Leiter
„Wir bekommen gute Noten"
Christoph Hutter leitet jetzt die Beratungsstellen für Ehe-, Familien, Lebens- und Erziehungsfragen im Bistum Osnabrück. Der 49 Jahre alte Theologe und Pädagoge tritt die Nachfolge des verstorbenen Bernhard Plois an. Die Nachfrage nach Beratung ist erneut stark gestiegen.
Christoph Hutter arbeitet bereits seit dem Jahr 2000 im Bistum Osnabrück. Der gebürtige Regensburger, der mit seiner Frau und vier Kindern in Münster lebt, hat dort katholische Theologie und Pädagogik studiert. Schon während seines Studiums lernte er die Psychologie kennen. „Bei beiden – Theologie und Psychologie – geht es um den Menschen, aber mit einem völlig anderen Blick darauf“, sagt er.
Parallel zum Studium und danach macht er daher Ausbildungen zum Psychodramaleiter für die Gruppentherapie und zum Ehe-, Familien- und Lebensberater. Aus- und Fortbildungsangebote führen ihn nach Litauen, Griechenland, Polen und Rumänien. Er übernimmt Lehraufträge unter anderem in Hamburg und Vechta, sitzt im Forschungsausschuss der katholischen Bundeskonferenz für Ehe-, Familien- und Lebensfragen und im Bundesforum katholische Beratung.
Im Jahr 2000 kommt Christoph Hutter nach Osnabrück und arbeitet dort bis 2007 in der Erziehungsberatungsstelle des Bistums am Straßburger Platz, wechselt dann als Leiter der Psychologischen Beratungsstelle nach Lingen. Gern hat er bis jetzt mit seinem Team gearbeitet: Über 1200 Familien, Paare und Einzelpersonen haben im vergangenen Jahr dort Hilfe gesucht. Manche Geschichte ist ihm „an die Nieren gegangen“. Der Abschied von seinen Klienten fällt ihm daher nicht leicht, „einige von ihnen werde ich sicher noch ein Stück weiterbegleiten“, sagt er.
Auch außerhalb der Beratungsstelle hat Hutter sich einen Namen gemacht: durch viele Vorträge und Fortbildungen für Hospizvereine, in der Palliativarbeit, die Telefonseelsorge, in den Dekanaten oder Bildungshäusern. Und durch zahlreiche Veröffentlichungen und Bücher, unter anderem über die Rolle der Männer, über Trennung und Scheidung, über Familiengeschichten in der Nazizeit und das Schweigen darüber. Mit Martina Kreidler-Kos aus dem Seelsorgeamt hat er ein viel beachtetes Buch über das päpstliche Schreiben „Amoris Laetita“ geschrieben. Fast leidenschaftlich stellt sich Hutter hinter den Papst und seinen sozial geprägten Blick auf die Menschen. „Mir ist eine verbeulte Kirche viel lieber. Wir müssen an die Ränder – auch dahin, wo es vielleicht stinkt und dreckig ist. Wir haben so viele Menschen, die kaputtgehen“, sagt er energisch.
Bei „Rosenkriegen“ geraten Kinder zwischen die Fronten und werden zerrissen
Und ist damit mitten drin in den Themen, die ihm im neuen Jahresbericht (siehe „Zur Sache“) besonders beschäftigen. Bernhard Plois, der im März plötzlich verstorben war, hatte dafür mehrere Aufsätze verfasst – das über 40 Seiten starke Heft trägt noch seine Handschrift. „Es ist sein Vermächtnis“, sagt Christoph Hutter. Zu den Themen gehören zum Beispiel die zunehmend eskalierenden Trennungen: Immer mehr Paare streiten sich hochemotional und sind nicht mehr zu guten Gesprächen fähig. „Bei diesen ,Rosenkriegen‘ geraten die Kinder zwischen die Fronten und werden zerrissen“, sagt Hutter. Das belastet auch die Berater und Beraterinnen. „Wir brauchen dafür neue Konzepte, Personal, Geld und eine breite, gesellschaftliche Diskussion“, sagt der neue Referatsleiter. „Was soll sonst aus diesen Kindern werden?“
Sorgen machen ihm und den Teams auch die jungen Erwachsenen. Immer mehr junge Leute haben Probleme, auf eigenen Beinen zu stehen – diese Zeit der Unsicherheit kann laut Hutter sogar bis zum 35. Lebensjahr gehen. Und das betrifft nach seiner Kenntnis mehr junge Männer als junge Frauen. Warum haben sie solche Probleme? „Das Leben ist komplizierter geworden“, sagt er. Es gibt zu viele Möglichkeiten, junge Leute fühlen sich dadurch überfordert, können sich nicht mehr festlegen. Psychische Probleme wie Ängste, Depressionen oder Suchterkrankungen nehmen in der Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren zu.
Sehr engagiert spricht Hutter zudem von der Integration der aus verschiedenen Ländern geflüchteten Menschen. Mehr und mehr suchen auch sie Hilfe in den Beratungsstellen. Erzählen dort ihre Geschichten, die laut Hutter „schlicht schockierend sind und die alle Schemata sprengen, mit denen wir normalerweise in der Beratungsarbeit konfrontiert sind“. Und manches Mal stehen die Berater fassungslos vor den Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das die Anträge dieser Menschen auf Asyl mit „grotesken Argumentationen“ ablehnt. „Die Geschichte wird irgendwann ganz hart über uns urteilen, wenn wir diese Hilfe abwehren“, sagt Christoph Hutter und klingt dabei fast ein bisschen wütend.
Und ein weiteres Mal schaut Hutter genau wie sein Vorgänger auf die Politik. Denn anders als bei der Erziehungsberatung gibt es für die Partnerschafts- und Lebensberatung keine öffentlichen Zuschüsse. Aber genau hier existiert mittlerweile die größte Steigerung in der Beratung: für Paare, für ältere Menschen – für all jene, die keinen Platz oder Termin bei niedergelassenen Psychotherapeuten finden. Nach Auffassung von Christoph Hutter muss es daher dringend auch eine staatliche Förderung für diese Bereiche geben – zumal es von allen Seiten eine hohe Wertschätzung für die Beratungsstellen gibt: „Wir bekommen gute Noten.“
Petra Diek-Münchow
Zur Sache
Im Bistum gibt es Beratungsstellen für Ehe-, Familien, Lebens- und Erziehungsfragen in Papenburg, Meppen, Nordhorn, Lingen, Bersenbrück, Bremen, Bassum, Sulingen, Georgsmarienhütte und Osnabrück. 186 Fachkräfte sind in Voll- und Teilzeit beschäftigt, davon 83 Honorarkräfte. Die Personalstärke ist im vergangenen Jahr konstant geblieben.
Stark gestiegen ist laut dem neuen Jahresbericht dagegen der Beratungsbedarf: Mit 5725 Neuanmeldungen verzeichneten die psychologischen Beratungsstellen eine Steigerung um 10,5 Prozent – in der Erziehungsberatung (8,6 Prozent) und in der Lebens- und Partnerschaftsberatung (15,4 Prozent). Gut 70 Prozent der Ratsuchenden hatten nach vier Wochen das erste Gespräch in einer der Einrichtungen, davon ein Drittel sogar innerhalb einer Woche.
Das Bistum investiert in diese Beratungsarbeit 4,9 Millionen Euro. 2,2 Millionen Euro kommen durch kommunale Zuschüsse zurück, etwa 290 000 Euro Personalkosten werden durch die Niels-Stensen-Klinken refinanziert. (pd)