Interreligiöse Beziehungen

Wir sind Kinder des einen Gottes

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Ob beim Friedensgebet in Rom oder bei seiner Reise nach Bahrain Anfang November: Für interreligiöse Begegnungen nimmt sich Papst Franziskus immer Zeit. Juden und Muslime sind ihm so nah, dass er sogar gemeinsam mit ihnen betet.

foto: kna/CNS Photo/Paul Haring
Man kann sie Freunde nennen: Papst Franziskus und Großscheich Ahmad al-Tayyeb unterzeichneten im Februar 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Brüderlichkeit. Foto: kna/CNS Photo/Paul Haring

Von Susanne Haverkamp

Papst Franziskus trifft sich mit Juden und Muslimen, mit Buddhisten und Hindus, mit Vertretern indigener Naturreligionen. Und das nicht, um sie zu bekehren, sondern weil er sie respektiert.  „Der Papst macht Ernst mit der alten Lehre, dass auch in anderen Religionen ein ‚Same der Wahrheit‘ liegt“, sagt die Franziskanerin Margareta Gruber, die Biblische Theologie an der Vinzenz-Pallotti-Universität in Vallendar lehrt. Sie erinnert daran: „Die Lehre, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gibt, haben wir spätestens mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hinter uns gelassen.“

Dass der Papst eine Nähe zum interreligiösen Gespräch hat, könne man schon an der Wahl seines Namens erkennen. „Franz von Assisi reiste 1219 in den Orient und besuchte dort Sultan  Malik al-Kamil “, sagt Gruber. Es sei eine „freundschaftliche und anerkennende Begegnung“ gewesen, wie Quellen bezeugen. Nach Assisi zurückgekehrt, habe Franziskus einen „Brief an die Lenker der Völker“ geschrieben mit dem Aufruf zum Gebet aller Gläubigen, das er sich religionsübergreifend dachte. „Das Anliegen verhallte ungehört“, sagt Gruber, aber Papst Franziskus baue darauf auf. Etwa dadurch, dass er genau 800 Jahre später gemeinsam mit dem Groß-imam der Kairoer Al-Azhar-Universität ein „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“ unterzeichnete.

Begonnen habe er aber schon 2015 mit der Enzyklika Laudato si’, sagt Gruber. Darin befinde sich nicht nur das wohl „erste lehramtliche Zitat eines islamischen Mystikers“; sie schließe auch mit zwei Gebeten, „von denen eines eindeutig ein interreligiöses Gebet ist, das auch als solches gebetet werden soll“.

Damit betritt Papst Franziskus Neuland, denn bislang war nur multireligiöses Gebet erlaubt, also nebeneinander dem Gebet des anderen respektvoll zuzuhören. Will Franziskus also eine neue Lehre entwickeln? „Nein“, sagt Margareta Gruber, „er praktiziert das gemeinsame Gebet einfach. Es ist wie immer bei ihm: Er geht mit großer Unbekümmertheit über dogmatische Fragen hinweg und überlässt vieles dem Spirituellen.“

Ein gemeinsames Gebet für die Söhne und Töchter Abrahams

Im Hintergrund seines interreligiösen Engagements steht die Wende des Papstes zu den Menschen auf der Südhalbkugel. Sie sind die ersten Opfer von Krieg, Migration, Armut und Erderhitzung. „Und außerhalb von Europa und Nordamerika kommen immer andere Religionen ins Spiel“, sagt Gruber. Ohne „das Miteinander aller Menschen guten Willens“ seien der Frieden und die Rettung des Planeten nicht zu erreichen.

Für Franziskus sind solche praktisch-politischen Zusammenhänge aber immer auch religiös. Das kann man etwa an dem interreligiösen „Gebet der Kinder Abrahams“ erkennen, das er 2021 für seine Reise in den Irak zur Wiege der drei monotheistischen Religionen selbst geschrieben hat. „Wir, die Söhne und Töchter Abrahams, die dem Judentum, dem Christentum und dem Islam angehören ...“ beginnt es unmissverständlich. Und: „Schenke uns die Bereitschaft, einander zu vergeben, und mache uns zu Werkzeugen der Versöhnung und des Friedens.“ Denn wir alle sind geliebte Kinder des einen Gottes.